07.12.2023

Transport von Wasserstoff in Form von Ammoniak

Obwohl grüner Wasserstoff, der in Europa verbraucht wird, wirtschaftlich und nachhaltig am besten lokal aus erneuerbarem Strom innerhalb Europas hergestellt wird, hinken viele europäische Länder den nationalen Zielen für die Erzeugung erneuerbaren Stroms und dem Ausbau des Stromnetzes hinterher. Der Import von Wasserstoff aus außereuropäischen Ländern mit großen Potenzialen für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ist daher eine wichtige ergänzende Option zur Erreichung der Klimaziele. Eine mögliche Form des Imports stellt der Transport in Form des Wasserstoff-Derivates Ammoniak dar. Mit diesem Webseitenbeitrag und dem zugehörigen Steckbrief soll ein allgemeiner Überblick über Chancen und Herausforderungen des Energieträgers Ammoniak und dessen Transportoptionen gegeben werden.

Abbildung 1: Steckbrief für den Transport des Energieträgers Ammoniak. Berechnungen der Kennwerte nach [3], [11], [8].

Chancen und Herausforderungen als grüner Energieträger

Aktuell werden weltweit 183 Millionen Tonnen Ammoniak produziert, wovon ein Großteil für die Herstellung von Düngemitteln verwendet wird [5]. Daher existieren langjährige und umfangreiche Erfahrungen sowohl in der Produktion als auch im globalen Transport von industriellen Mengen Ammoniak. Die konventionelle Methode zur Herstellung von Ammoniak ist dabei das Haber-Bosch-Verfahren. In diesem Verfahren reagiert Wasserstoff mit Stickstoff bei Temperaturen zwischen 300 und 550 °C und einem Druck von 20-35 MPa in Anwesenheit eines Eisenoxidkatalysators, um Ammoniak zu erzeugen [6].

Obwohl der dafür benötigte Wasserstoff derzeit größtenteils aus fossilen Quellen stammt, ist das Haber-Bosch-Verfahren dennoch ein etablierter Prozess, der in Zukunft auf Basis von grünem Wasserstoff durchgeführt werden kann. Dabei müssen leichten Anpassungen in der Prozesskonfiguration vorgenommen werden: Im Gegensatz zum konventionellen Verfahren muss der elektrolytisch produzierte Wasserstoff für die weitere Synthese weiter komprimiert werden. Außerdem fällt der für das Synthesegasgemisch benötigte Stickstoff nicht mehr direkt im Prozessschritt der Wasserstoffproduktion an, sondern muss über eine Luftzerlegungsanlage gewonnen werden [10].

Die Vorteile des Transportes von Wasserstoff in Form von Ammoniak liegen vor allem in dessen hoher volumetrischer Energiedichte, welche einen geringen Energieaufwand für den Transport bedeutet. In flüssigem Zustand, welcher bei Umgebungsdruck mit Temperaturen kleiner -33° erreicht wird, enthält Ammoniak mit 121 kg H2/m3 demnach 1,7-mal mehr Wasserstoff pro Kubikmeter als flüssiger Wasserstoff, welcher für die Verflüssigung Temperaturen von -253°C benötigt [1]. Aber nicht nur die hohe volumetrische Dichte von Ammoniak bietet Vorteile für den Transport. Zukünftig kann Ammoniak außerdem zusätzlich selbst als Treibstoff für den Schiffstransport an Stelle von Schweröl verwendet werden und trägt damit zu der Emissionsverminderung beim Wasserstoffimport bei. An den Häfen kann zudem bestehende LNG-Infrastruktur mit moderaten Anpassungen auf den Schiffsimport von Ammoniak umgewidmet werden [8].

Der importierte Ammoniak kann entweder direkt, beispielsweise in der Düngemittelproduktion, genutzt werden oder in Wasserstoff zurückgewandelt werden. Die Synthese von Wasserstoff zu Ammoniak und die Rückumwandlung durch das sogenannte Cracking zu Wasserstoff sind in Abbildung 1 für das Beispiel von 1 kWh Wasserstoff bei Umgebungsdruck dargestellt. Dabei zeigt sich, dass allein für die Umwandlungsprozesse ein Verlust von 43% verzeichnet wird. Wenn jedoch die Elektrolyse von Wasserstoff direkt am Standort der Ammoniaksynthese erfolgt und der Wasserstoff bei 30 bar vorliegt, entfällt ein Teil der Kompressionsarbeit, was zu einer Verbesserung des Wirkungsgrads der Prozesskette führt.

Besonders die Spaltung von Ammoniak zu Wasserstoff erfordert, abhängig vom verwendeten Katalysator, hohe Temperaturen im Bereich von 500 bis 1000 °C. Kommerzielle Crackinganlagen sind derzeit auf Kapazitäten von etwa 20 GWh Wasserstoff pro Jahr beschränkt [2]. Anlagen mit großen Kapazitäten bis zu 2 TWh Wasserstoffproduktion pro Jahr befinden sich dagegen noch im Entwicklungsstadium [4]. Je nach Anwendung ist nach der Rückumwandlung von Ammoniak zu Wasserstoff zudem eine Aufreinigung mit zusätzlichem Energieaufwand notwendig [7].
Aufgrund der toxischen Wirkung von Ammoniak auf Mensch und Umwelt wird dieser als Gefahrgut eingestuft. Der Transport von Ammoniak unterliegt daher strengen Vorschriften, wie z.B. der Verwendung speziell zugelassener Eisenbahnkesselwagen [8] [9].

Transportoptionen

Ammoniak kann mittels Lkw auf der Straße, per Bahn, per Schiff und in Pipelines transportiert werden. Während beim globalen Transport der Seeweg die meist gewählte Variante für weite Transportstrecken darstellt, wird innerhalb Europas der Ammoniak aktuell überwiegend über die Schiene transportiert. Der leitungsgebundene Transport wird in Europa nur für kurze Entfernungen bis zu 12 km in Industriegebieten eingesetzt [10], während in den Vereinigten Staaten ein ausgeprägtes Leitungsnetz von etwa 5000km besteht [8].

In Abbildung 1 (oben Mitte) ist der Energieaufwand für die Transportoptionen gegenübergestellt (Berechnungen basierend auf [11] [3]). Demnach besteht für den Lkw-Transport auf der Straße für die Transportdistanz von 100 km der vergleichsweise höchste Energiebedarf von 1,65 kWh für den Transport einer MWh Ammoniak. Die Transportmenge ist beschränkt auf etwa 190 MWh Ammoniak pro Trip, so dass der Transport großer Mengen Ammoniak über weite Strecken durch diese Option nicht effizient darzustellen ist [11].

Auf der Schiene besteht für die Distanz von 100 km ein Energiebedarf von 0,95 kWh pro transportierter MWh Ammoniak. Hierbei sind Transportmengen von etwa 60 GWh Ammoniak pro Fahrt möglich [11]. Diese Transportform bedingt die Verfügbarkeit eines Schienennetzes und bietet daher nur wenig Flexibilität. Andererseits sind Importhäfen in der Regel mit einer existierenden Schieneninfrastruktur ausgestattet, welche für den Ammoniaktransport genutzt werden kann [11].

Für große Transportmengen und -distanzen bieten sich vor allem der Transport per Schiff und per Pipeline an. Der spezifische Energieaufwand für den Schiffstransport ist dabei leicht höher als für den leitungsgebundenen Transport. Allerdings wird an den Terminals deutlich weniger Energie benötigt als für die Verdichtung im Pipelinetransport. Zur genaueren Abwägung zwischen den beiden Langstreckentransportoptionen sind in der Abbildung 1 (Mitte) die Transportkosten in Abhängigkeit von der Transportstrecke gegenübergestellt (Berechnungen basierend auf [3]). Hierbei sind sowohl Investitionskosten als auch Betriebskosten über die gesamte Lebenszeit berücksichtigt. Demnach ist ab einer Transportdistanz von etwa 500 km der Schiffstransport die günstigere Alternative. Für geringere Distanzen kleiner 500 km ist der Pipelinetransport attraktiver. Andere Quellen nennen sogar eine Distanz von 1000 km, bei welcher der Pipelinetransport die wirtschaftlichere Variante darstellt [2]. Die Kosten für den Leitungsbau sind dabei in erster Linie abhängig von der Transportkapazität und damit von den Kosten des Rohrmaterials für den benötigten Durchmesser und Pumpen.

Zentrale vs. dezentrale Rückumwandlung in Wasserstoff

Neben der direkten Nutzung von Ammoniak z.B. zur Düngemittelproduktion oder in Ammoniakbrennern, gibt es die Möglichkeit der Rückumwandlung in Wasserstoff durch das sogenannte Cracking. Der gewonnene Wasserstoff kann beispielsweise an Industriestandorten, Tankstellen oder zur Stromerzeugung genutzt werden. Bei einem Import von Wasserstoff in Form von Ammoniak per Schiff gibt es demnach zwei Möglichkeiten zur weiteren Verteilung des enthaltenen Wasserstoffs:

  1. Der importierte Ammoniak wird zentral an den Importhäfen zu Wasserstoff gecrackt und in gasförmigem Zustand über Leitungen zu den Verbrauchsstandorten transportiert.
  2. Der importierte Ammoniak wird bspw. per Leitung transportiert und dezentral an den Verbrauchsstandorten zu Wasserstoff gecrackt.

Im Zuge des Forschungsprojekts TransHyDE-Sys entwickelt die FfE derzeit ein Optimierungsmodell für den Ausbau von Wasserstoffinfrastruktur in Europa. Dieses Modell zielt darauf ab, die Infrastrukturkosten für Wasserstoff und Ammoniak zu minimieren. Das berechnete systemische Optimum des Modells liefert für jeden betrachteten Ammoniak-Importhafen Erkenntnisse darüber, welche Option die geringeren Gesamtkosten verursacht: die zentrale Variante mit Cracking am Hafen und anschließendem Wasserstofftransport oder der Transport von Ammoniak zu den Verbrauchszentren mit dezentralem Cracking zu Wasserstoff.

Innerhalb des TransHyDE-Projekts forscht AmmoRef zu der industriellen Umsetzbarkeit von Cracking-Verfahren. Im Technikumsmaßstab testen die Projektpartner ein angepasstes Management für Prozesse für Hoch- sowie Niederdruckverfahren. Dabei sollen auch neue Katalysatoren zum Einsatz kommen, die die Projektpartner entwickeln. Diese Katalysatoren werden an das TransHyDE-Projekt CAMPFIRE weitergegeben, wo sie im größeren Maßstab getestet werden. Ziel von CAMPFIRE ist es, die gesamte Transportkette für Wasserstoff auf Basis von grünem Ammoniak zu demonstrieren.

Weitere Informationen zu dem Leitprojekt TransHyDE finden Sie unter https://www.wasserstoff-leitprojekte.de/leitprojekte/transhyde.

Literatur

[1] Aziz, Muhammad et al.: Ammonia as Effective Hydrogen Storage: A Review on Production, Storage and Utilization. In: energies 13/20. Tokyo, Japan: Institute of Industrial Science, The University of Tokyo, 2020.

[2] Blanco, Herib: Global Hydrogen Trade to Meet the 1.5°C Climate Goal – Part II, Technology Review of Hydrogen Carriers. Abu Dhabi: International Renewable Energy Agency (IRENA), 2022. ISBN: 978-92-9260-431-8.

[3] Wendlinger, Christian et al.: Kostenbewertung von Wasserstofftransportoptionen als Basis für die modellgestützte Analyse der zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur. München: FfE, 2022.

[4] Ammonia to Green Hydrogen Project. London, UK: UK Government, 2020.

[5] Innovation Outlook: Renewable Ammonia. Abu Dhabi: International Renewable Energy Agency, 2022. ISBN: 978-92-9260-423-3.

[6] Di Lullo, G: Large-scale long-distance land-based hydrogen transportation systems: A comparative techno-economic and greenhouse gas emission assessment. Alberta, Canada: University of Alberta, 2022. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijhydene.2022.08.131.

[7] Makhloufi, Camel: Large-scale decomposition of green ammonia for pure hydrogen production. Stains, France: ENGIE Lab CRIGEN, 2021. DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijhydene.2021.07.188.

[8] Riemer, Matia: Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia – Analysis of Technical Feasibility under Economic Considerations. Karlsruhe, Germany: Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research ISI, 2022.

[9] Richtlinien für den Schienentransport von Ammoniak. Brüssel, Frankfurt am Main: European Fertilizer
Manufacturers Association (EFMA), 2007.

[10] Riemer, Matia et al.: Kurzeinschätzung von Ammoniak als Energieträger und Transportmedium für
Wasserstoff. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt (UBA), 2022.

[11] Nayak-Luke, Richard: Techno-Economic Aspects of Production, Storage and Distribution of Ammonia.
In: Techno-Economic Challenges of Green Ammonia As an Energy Vector; Amsterdam, The
Netherlands: Elsevier Inc., 2020.