InfraInt – Infrastrukturausbau-Modell für Wasserstoff und CO₂

Das Optimierungsmodell „InfraInt“ modelliert bestehende Leitungen, den Neubau von Wasserstoff- und CO2-Leitungen sowie die Umwidmung von Erdgas- in Wasserstoffleitungen. Zudem werden die Standorte von Elektrolyse und Methanisierung kostenoptimal bestimmt, um ein vollständiges Bild der Transportinfrastruktur zu geben. Das Modell integriert Quellen und Senken der energierelevanten Gase in eine ganzheitliche Infrastruktur. Demgemäß leitet sich der Name des Modells auch aus den Begriffen „Infrastruktur“ und „integriert“ ab.

Hintergrund

Die Infrastruktur zum Transport energierelevanter Gase ist teilweise heute bereits vorhanden (Erdgasnetz) oder muss im Rahmen der Energiewende neu errichtet werden (Wasserstoff, CO2). Der Transportaufwand hängt dabei vom Erzeugungs- und Verbrauchsstandort ab. Für die Produktion erneuerbarer Gase existieren grundlegend zwei Optionen:

Zum einen kann die Herstellung am Anlagenstandort der erneuerbaren Stromerzeugung durchgeführt werden. Um synthetische Brennstoffe zu den Verbrauchszentren zu transportieren, ist eine leitungsgebundene Gasinfrastruktur erforderlich. Für die Erzeugung synthetischen Methans bietet sich die Nutzung von abgeschiedenem CO2 aus industriellen Punktquellen an. Der Transport des CO2 zu den Erzeugungsanlagen kann wiederum über eine leitungsgebundene Infrastruktur erfolgen. Wird das CO2 stofflich gebunden, muss dieses ebenfalls zu den Abnehmern transportiert werden. Wasserstoff kann bis zu einem gewissen Grad in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Für den Transport von reinem Wasserstoff beispielsweise zu Lastzentren der Stahlindustrie müssen jedoch neue Leitungen gebaut oder bestehende Erdgasleitungen umgewidmet werden.

Zum anderen können Erzeugungsanlagen für erneuerbare Brennstoffe direkt an den Verbraucherzentren platziert werden. In diesem Fall würde ein großer Teil der Gasnetzinfrastruktur obsolet.

 

Wofür wird InfraInt verwendet?

Das Modell soll den zukünftigen Ausbaubedarf von H2– und CO2-Leitungen in Europa aufzeigen. Ein Beispielergebnis für die Wasserstoffinfrastruktur in 2030 ist in Abbildung 1 zu sehen. Das Modell gibt an, welche Kapazitäten die Leitungen zur Deckung des Bedarfs der Landkreise haben müssen. Zudem werden die Kosten für den Bau und den Betrieb der Leitungen herausgestellt. Die Bestimmung der Leitungsinfrastruktur erfolgt auf Basis einer Kostenminimierung, sodass das berechnete Transportnetz die kostengünstigste Option für den leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff und CO2 vorgibt. Bestehende Pläne, wie der Hydrogen Backbone sind als eine Option des zukünftigen Wasserstofftransportes in das Modell integriert. Als zusätzliche Komponente werden die Standorte sowie Erzeugungskapazitäten von Elektrolyse und Methanisierung auf Landkreisebene bestimmt und geben damit weitere Senken von Wasserstoff vor. Die Verortung der Umwandlungsanlagen gibt insbesondere Aufschluss darüber, ob Elektrolyse erzeugungsnah bei erneuerbarer Stromproduktion platziert wird, oder verbrauchsnah in Landkreisen mit Wasserstoffbedarf, sodass die Notwendigkeit einer Anbindung durch Wasserstoffleitungen entfällt. Auch hier können die Kosten der Elektrolyse und Methanisierung abhängig von deren Kapazität ausgewertet werden.

 

Abbildung 1: Neubau von Wasserstoffleitungen sowie umgewidmete Erdgasleitungen in 2030 sowie Elektrolyse-Standorte

Wie funktioniert InfraInt?

Abbildung 2: Funktionsweise des Modells InfraInt

Eingangsdaten regionalisiert auf Landkreisebene:

  • Strombedarf sowie Stromangebot aus erneuerbaren Energien zur Indikation von Stromverfügbarkeit für Elektrolyse vor Ort
  • Wasserstoffbedarf aus den Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie und Rückverstromung
  • Bedarf für synthetisches Methan
  • CO2-Abscheidung aus Industrieabgasen
  • Modell des bestehenden Erdgastransportnetzes

Es wird eine Kostenfunktion bestimmt, in welche folgenden Faktoren einfließen:

  • Kosten für den Neubau von Leitungen abhängig von Länge und Kapazität (Investition und Betrieb)
  • Kosten für die Umwidmung von Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen
  • Kosten für Elektrolyse abhängig von der Erzeugungskapazität
  • Kosten für Methanisierung abhängig von der Kapazität
  • Stromnetzkosten für den Bezug von Elektrolysestrom aus dem Stromnetz
  • Kosten für die Abscheidung von CO2
  • Kosten für Methanisierung und Elektrolyse

Bei der Minimierung der Kostenfunktion müssen folgende Nebenbedingungen erfüllt werden:

  • Deckung des Bedarfes von Wasserstoff in jedem Landkreis
  • Deckung des Bedarfes von synthetischem Methan in jedem Landkreis
  • Maximal abgeschiedenes CO2 entspricht dem Potenzial von Abscheidung
  • Begrenzung der Gasflüsse durch Kapazitäten der Leitungen

Technische Details zum Modell

Das Modell entspricht einem Knoten-Kanten-Modell, bei welchem die Knoten die Zentren von Landkreisen darstellen und die Kanten Verbindungen zwischen den Landkreisen, welche durch eine Leitung verbunden werden können. Die Deckung der Wasserstoff- und CO2-Bedarfe durch die modellierte Infrastruktur wird in der zeitlichen Auflösung eines Jahres betrachtet.

Die Kostenminimierung entspricht einer gemischt-ganzzahligen linearen Optimierung. Die Ganzzahligkeit ist nötig, um die binäre Entscheidung zum Bau einer Pipeline-Verbindung abzubilden, welche erst ab einer gewissen Leitungskapazität sinnvoll ist. Durch die Einbindung der binären Variablen ist die Kostenfunktion nicht rein linear darstellbar und ist damit deutlich schwerer lösbar. Aktuell werden Optimalitätsgaps von circa 10% erreicht. Das Modell ist in Python implementiert und nutzt zur Optimierung wahlweise den Solver CPLEX oder Gurobi.