Beitragsreihe Carbon Management: Wie kann CO2 transportiert werden?
Mit der festen Verankerung der europäischen Klimaneutralitätsziele bis 2050 rückt die Thematik des Carbon Managements in den Fokus nachhaltiger Umweltpraktiken. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, die Emissionen zu reduzieren, sondern auch unvermeidbare Emissionen effektiv zu managen. Dies erfordert den Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung, die entweder eine unterirdische Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) oder die Integration in einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf (Carbon Capture and Utilization – CCU) ermöglichen. Diese Beitragsreihe gibt einen Überblick über Abscheidungstechnologien, Verwendungsmöglichkeiten des CO2, Speicherverfahren, sowie Transportoptionen und politische Bestrebungen im Kontext Carbon Management.
Inhalte der Beitragsreihe
Warum muss CO2 transportiert werden?
Eine wichtige Maßnahme zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele ist die CO2-Abscheidung von unvermeidbaren CO2-Emissionen. Für das abgeschiedene CO2 gibt es zwei Optionen:
- Es kann dauerhaft unterirdisch gespeichert werden, sodass es nicht mehr in die Atmosphäre gelingen kann (Carbon Capture and Storage – CCS, siehe Beitrag „Wie kann CO2 gespeichert werden?„)
- Es kann als Kohlenstoffquelle z. B. in der Grundstoffchemie weiter genutzt werden (Carbon Capture and Utilization – CCU, siehe Beitrag „Wie kann CO2 genutzt werden?“)
In der Regel befinden sich weder Speicher noch Standorte zur weiteren Verwendung von CO2 direkt am Standort der Abscheidung. Daher ist es notwendig, das CO2 zu den möglichen Senken zu transportieren. Standorte für eine mögliche CO2-Speicherung befinden sich im Norden Europas, Offshore in der Nordsee, aber auch im Mittelmeer sowie Onshore in Südosteuropa. Raffinerien könnten zukünftig mögliche Standorte für die weitere Verwendung von CO2 für die Grundstoffchemie oder zur Produktion synthetischer Brennstoffe darstellen.
Transportoptionen
Der gegenwärtige Bedarf zur Nutzung von CO2 in Europa wird vorrangig durch Lkw-Trailer gedeckt. Insbesondere in der Lebensmittelindustrie gelten hohe Anforderungen an Reinheit und Rückverfolgbarkeit [6], sodass hier der Transport in Gasflaschen und Flüssigtanks per Lkw auch weiterhin die beste Option darstellt. Ein einzelner Lkw-Trailer fasst dabei bis zu 18 t CO2 [3].
Der Wagon eines Güterzuges hat ein Fassungsvermögen von ca. 62 t CO2, sodass durch den Einsatz eines Güterzuges Transportkapazitäten von bis zu 190 kt pro Jahr über weite Transportwege möglich sind [14].
Angesichts der großen Mengen an CO2, die in Zukunft anfallen werden, ist der Transport von CO2 per Lkw und Bahn keine skalierbare Option. Zudem führt der Einsatz von Güterzügen für den Transport großer CO2-Mengen zu einer hohen Auslastung des Schienennetzes. Dies ist insbesondere für Standorte mit großen CO2-Mengen ohne Speichermöglichkeit ein Problem, da diese CO2-Mengen täglich, kontinuierlich und zuverlässig abtransportiert werden müssen. Dennoch kann der Trailertransport via Lkw und Bahn für kleinere Punkt-zu-Punkt-Lösungen sowie für den Hochlauf einer CO2-Infrastruktur in der Wertschöpfungskette eine bedeutende Rolle spielen [3].
Der Transport per Schiff spielt vor allem in Küstengebieten mit Offshore-Speichern eine Rolle. Sie sind auf den Transport von CO2 in flüssiger Phase ausgelegt und daher ähnlich konstruiert wie LPG-Schiffe. Durchschnittlich könnte ein Schiff der Größe eines LPG-Schiffes daher ca. 45 kt CO2 transportieren [3]. Hafen-Terminals können dabei bis zu 7 Mio. t CO2 pro Jahr abfertigen, wie das Projekt CO2next angibt.
Beim Transport in Leitungen kann das CO2 sowohl in der gasförmigen als auch in der flüssigen Phase transportiert werden, je nachdem welcher Druck und welche Temperatur in den Leitungen besteht. In Abbildung 1 ist das Phasendiagramm von CO2 links unten dargestellt.
Die gasförmige Phase weist eine geringe Dichte auf, was große Leitungsdurchmesser erfordert und somit zu hohen Kosten im Neubau führt. Demnach stellt der gasförmige Transport vor allem für die Zuleitung geringer CO2-Mengen in ein Transportnetz eine sinnvolle Option dar. Durch den niedrigeren Druck bei einem gasförmigen Transport ist dabei die Umstellung von bestehenden Erdgasleitungen auf den Transport von CO2 möglich [7]. Trotz anfallender Kosten für die Integritätsprüfung der Leitungen sind dabei Kostenersparnisse von bis zu 80 Prozent möglich.
In der flüssigen Phase kann aufgrund der hohen Dichte mit kleinen Leitungsdurchmessern eine große Transportkapazität erzielt werden. Sie ist damit die bevorzugte Phase für den Transport großer CO2-Mengen. Da der Reinheitsgrad von CO2 dessen thermodynamische Eigenschaften beeinflusst [5], ist ein Druck von ca. 150 bar nötig, um die flüssige Phase während des gesamten Transports bei Bodentemperatur von durchschnittlich 15°C beizubehalten. Auf diese Drücke sind bestehende Erdgasleitungen nicht ausgelegt, sodass für den leitungsgebundenen Transport in flüssiger Phase der Neubau von Leitungen notwendig ist.
Ein Regelwerk für den Transport von CO2 wird derzeit vom Deutschen Verband für Gas und Wasser e.V. (DVGW e.V.) ausgearbeitet. Die Reinheitsanforderungen für den leitungsgebundenen Transport von CO2 befinden sich im Größenrahmen von > 95 Vol.- Prozent, da Verunreinigungen zu Korrosion in den Leitungen führen können [8].
Transportkosten
Die Kosten für den Neubau von Leitungen und deren Betrieb sind für verschiedene Durchmesser in der Tabelle rechts oben in Abbildung 1 dargestellt. Die Berechnung der Investitionskosten basiert auf Literaturwerten in [1], [2], [3] bei Transportbedingungen von 150bar und 15°C (flüssig). Die Berechnung der Betriebskosten basiert auf [4] mit einem angenommenem Strompreis von 0.225 €/kWh. Eine Transportleitung mit 800mm Durchmesser kann bei Bodentemperatur (15° C) und einem Druck von 150 bar CO2 in flüssiger Form transportieren und weist damit eine Transportkapazität von 15 Mt CO2 pro Jahr auf. Die Investitionskosten für den Leitungsbau betragen etwa 342 M€/100km. Die Betriebskosten für einen solchen Streckenabschnitt belaufen sich auf ca. 48 Mio. € pro Jahr.
Durch die Umstellung einer bestehenden Erdgasleitung könnten etwa 80 % der Kosten eingespart werden. Da die Nutzung von Erdgasleitungen allerdings nur für den Transport von CO2 in gasförmiger Phase mit geringer Dichte geeignet ist, kann eine Mitteldruckleitung mit dem Durchmesser von 800mm nur ca. 50kt gasförmiges CO2 pro Jahr transportieren.
Die Kosten für den CO2-Transport per Lkw und Bahn liegen aufgrund von Skaleneffekten zwischen drei- und zehnmal höher pro Tonne als beim Leitungstransport [3]. Der Schiffstransport ist bei Entfernungen über 1.000 km eine wirtschaftliche Alternative zum Pipelinetransport. Insbesondere für vergleichsweise geringe CO2-Mengen über große Strecken bis zum Speicherort kann der Schiffstransport günstiger als eine Offshore-Pipeline sein, da Pipelines einen kontinuierlichen Fluss erfordern und eine hohe Kostenabhängigkeit von der Entfernung aufweisen [9].
Da es aktuell keine Unbundlingvorschriften gibt, ist der Aufbau und Betrieb eines CO2-Leitungsnetzes für verschiedene Akteure attraktiv. Eine Refinanzierung der anfallenden Kosten könnte dabei über Netzentgelte analog zur Finanzierung von Erdgasnetzen möglich sein. Allerdings könnte sich zu Beginn des Infrastrukturaufbaus das Problem ergeben, dass nur wenige Nutzer vorhanden sind. Diese wenigen Nutzer müssten infolgedessen möglicherweise hohe Netzentgelte entrichten, was wiederum bei einem Wegfall einzelner Nutzer ein Risiko für den Netzbetreiber darstellt [10]. Die Bundesregierung zieht daher gezielte Anschubfinanzierungen in Form staatlicher Förderung für den Hochlauf in Erwägung. Details dazu werden in der deutschen Carbon Management Strategie ausgearbeitet [15].
Aktuelle Projekte für CO2 Transport
In Deutschland sind die Netzplanungen des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe GmbH (OGE) am weitesten fortgeschritten. Die OGE plant den Aufbau eines deutschlandweiten CO₂-Transportnetzes, das von Belgien über die Niederlande, Norddeutschland und Dänemark bis zur Nordsee reicht. Das geplante Transportnetz besteht unter anderem aus den Projekten WHVCO2logne, Delta Rhine Corridor und den Clustern Elbmündung und Rheinisches Revier. Ziel ist die zügige Erschließung der Exportoptionen in Wilhelmshaven, Rotterdam und Antwerpen/Zeebrügge. Das Netzwerk ist dazu bestimmt, CO2 für die Speicherung in der Nordsee zu transportieren. Die Planung des Sammelnetzes erfolgt von Norden nach Süden, wobei bereits in der Gestaltung der nördlichen Leitungen mögliche CO2-Mengen aus dem Süden sowie Transitmengen aus angrenzenden Ländern berücksichtigt werden. Der Anschluss des Netzes in Süddeutschland ist für die Mitte bis zweite Hälfte der 2030er Jahre vorgesehen [11].
Der Fernleitungsnetzbetreiber bayernets ist mit dem Projekt „co2peline“ bereits in der Planung eines ersten Streckenabschnitts im Süden Deutschlands und Österreich [12]. In Kooperation mit Rohrdorfer Zement entsteht im Projekt zunächst der Neubau einer CO2-Pipeline vom Zementstandort Rohrdorf zur möglichen Verwertung im bayerischen Chemiedreieck Burghausen.
Auch im internationalen Kontext werden zahlreiche CO2-Transportprojekte geplant. Im Rahmen des Projektes Longship werden CO2-Mengen an Industriestandorten auf dem Festland Norwegens abgeschieden und im Rahmen von „Northern Lights“ zunächst per Schiff an ein Onshore Terminal an der Westküste Norwegens transportiert. Von dort aus wird das flüssige CO2 über Leitungen in eine Offshore Speicherstätte in der Nordsee geleitet. Neben Northern Lights sind zahlreiche weitere CO2-Transportprojekte als „Project of Common Interest“ (PCI) gelistet [13]. Ein Großteil davon plant mit einem multimodalem Transportkonzept, daher einer Kombination aus Leitungs-, Schiff- und Trailertransporten.
Weitere Informationen
Literatur
[1] McCoy, Sean et al.: An engineering-economic model of pipeline transport of CO2 with application to carbon capture and storage. In: International Journal of Greenhouse Gas Control 2. Pittsburgh: Carnegie Mellon University, 2008.
[2] Energy Policies Beyond IEA Countries Ukraine 2012. Paris: International Energy Agency (IEA) Publications, 2012
[3] Carbon Capture, Use, and Storage (CCUS) Report – Volume III: Analysis of CCUS Technologies – Chapter 6: CO2 Transport. Washington D.C., USA: National Petroleum Council, 2021.
[4] Zhang, Z.X. et al.: Optimization of pipeline transport for CO2 sequestration. In: Energy Conversion and Management 47 (6). Brisbane: The University of Queensland, 2006.
[5] Munko, Björn: Relevance of Pipelines for CO2 Transport. In: ECRA 2nd Online Conference on CO2 Infrastructure; Duesseldorf, Germany: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V.
[6] MINIMUM SPECIFICATIONS FOR FOOD GAS APPLICATIONS (MINIMUM SPECIFICATIONS FOR FOOD GAS APPLICATIONS). Ausgefertigt am 2020-01-01; Brüssel, Belgien: EIGA, 2020.
[7] Wachsmuth, Jakob: Transformation der Gasinfrastruktur zum Klimaschutz. Dessau-Roßlau, Germany: Umweltbundesamt, 2023.
[8] Erfurth, Jens: Development of pipeline infrastructure for CO2 transport, Germany. In: 2nd ECRA Online Conference on CO2 Infrastructure; Duesseldorf, Germany: Open Grid Europe GmbH.
[9] Al Baroudi, Hisham: A review of large-scale CO2 shipping and marine emissions management for carbon capture, utilisation and storage. In: Applied Energy Volume 287. Cranfield, UK: Centre for Thermal Energy and Materials (CTEM), School of Water, Energy and Environment (SWEE), Cranfield University, 2021.
[10] Altrock, Martin: Rechtliche Rahmenbedingungen für Carbon Capture and Storage (CCS) in Deutschland – Gutachten. Brussels, Belgium: Bellona Europa AISBL, 2022.
[11] CO₂-Transportnetz – Unser CO₂-Transportnetz startet. In https://oge.net/de/co2/co2-netz. (Abruf am 2023-8-18); Essen: Open Grid Europe GmbH, 2023.
[12] co2peline – carbon dioxid transport. In https://www.co2peline.com/. (Abruf am 2023-08-18); München: Bayernets GmbH, 2023.
[13] THE UNION LIST OF PROJECTS OF COMMON INTEREST AND PROJECTS OF MUTUAL INTEREST (‚UNION LIST‘) (Annex PCI PMI list). Ausgefertigt am 2023-11-28, Version vom 2023-12-28; Brussels – Belgium: European Commission, 2023.
[14] Siegemund, Stefan: CO2-transport via Rail. From a niche to a large volume market. Opportunities, challenges, and necessary actions. In: 2nd ECRA Online Conference on CO2 Infrastructure; Duesseldorf, Germany: VTG.
[15] Carbon Management Strategie – „FAQ zu CCS und CCU“, Berlin: BMWK, 2024