29.02.2024

Beitragsreihe Carbon Management: Wie kann CO2 genutzt werden?

Mit der festen Verankerung der europäischen Klimaneutralitätsziele bis 2050 rückt die Thematik des Carbon Managements in den Fokus nachhaltiger Umweltpraktiken. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, die Emissionen zu reduzieren, sondern auch unvermeidbare Emissionen effektiv zu managen. Dies erfordert den Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung, die entweder eine unterirdische Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) oder die Integration in einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf (Carbon Capture and Utilization – CCU) ermöglichen. Diese Beitragsreihe gibt einen Überblick über Abscheidungstechnologien, Verwendungsmöglichkeiten des CO2, Speicherverfahren sowie Transportoptionen und politische Bestrebungen im Kontext Carbon Management.

Welche Möglichkeiten der Nutzung gibt es?

Die Bezeichnung CCU steht für Carbon Capture and Utilization, also die CO2-Abscheidung und anschließende Weiterverarbeitung bzw. Nutzung. Es gibt zwei Möglichkeiten zur Nutzung von CO2:

  • Die direkte Nutzung von CO2 (ohne chemische Umwandlung)
  • Die stoffliche Nutzung zur Herstellung synthetischer Grundstoffe (mit chemischer Umwandlung)

Die direkte Nutzung von CO2 ist bereits etabliert, während die stoffliche Nutzung zur Herstellung synthetischer Grundstoffe insbesondere in der Chemieindustrie einen möglichen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität darstellt.

Nutzung ohne chemische Umwandlung

Die direkte Nutzung von CO2 findet vorwiegend in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie statt, beispielsweise zur nachträglichen Herstellung kohlensäurehaltiger Getränke, zur Förderung von Getränken an Zapfanlagen, beim Schockfrosten von Lebensmitteln und als Schutzgas zur Verlängerung der Haltbarkeit von Lebensmitteln. [1] Die Nutzung in der Lebensmittel-/Getränkeindustrie macht etwa die Hälfte des heutigen Bedarfs an CO2 aus, ist durch sehr hohe Anforderungen an Reinheit und Rückverfolgbarkeit [2] geprägt und wird dadurch nur chargenweise per Trailer (Lkw) versorgt.

Die andere Hälfte des heutigen Bedarfs stammt aus der direkten Nutzung in Gewächshäusern zur Beschleunigung des Pflanzenwachstums, zur Brandbekämpfung sowie der Nutzung als Trockeneis. Hinzu kommen bereits heute etablierte Anwendungen mit chemischer Umwandlung, bspw. die Harnstoffherstellung (s.u.).

Für diese gegenwärtigen Anwendungen wird ein konstant bleibender Bedarf erwartet.

Nutzung als chemischer Rohstoff

Das perspektivisch größere Einsatzgebiet ist die Nutzung von CO2 als Rohstoff vor allem in der Chemieindustrie zur Umwandlung in neue Produkte. Heutige Einsatzgebiete von CO2 unter chemischer Umwandlung sind bereits beispielsweise die Synthese von Harnstoff aus Ammoniak zur Herstellung von Düngemitteln und AdBlue, sowie die Fällung von Kalkmilch zu gefälltem Calciumcarbonat, einem Zusatzstoff in der Papierindustrie sowie Farbpigment. Bei beiden Anwendungen wird jedoch kein externes CO2 zugeführt, sondern aus vorherigen Prozessschritten aufgefangen und eingesetzt (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Bisherige Prozesse, die CO2 als chemischen Rohstoff nutzen (beispielhaft).

Zukünftig kann das CO2 auch als Rohstoff in der Grundstoffchemie zum Einsatz kommen, um bisherige fossile, kohlenstoffbasierte Rohstoffe zu ersetzen. Zur Herstellung sogenannter Olefine (z.B. Ethylen, Propylen, Buten/Butadien) und Aromaten (z.B. Benzol, Toluol, Xylol) wird zwischen zwei CO2-basierten Verfahren unterschieden. Die Produkte werden als High Value Chemicals (HVC) zusammengefasst. [3] [4]

Beim Fischer-Tropsch-Verfahren wird aus CO2 und Wasserstoff (Synthesegas) synthetisches Naphtha hergestellt. Damit kann das heutzutage aus Erdöl gewonnene fossile Naphtha ersetzt werden. Die Weiterverarbeitung erfolgt dann in Crackern, um das gewünschte HVC-Gemisch zu erhalten.

Die sogenannte MtO/MtA-Routen basiert auf der Synthese von CO2 und Wasserstoff zu Methanol. Mit entsprechenden Katalysatoren und Reaktionsbedingungen können aus Methanol anschließend diverse Olefine (Methanol-to-Olefines, MtO) bzw. Aromaten (Methanol-to-Aromates, MtA) synthetisiert werden.

Abbildung 2: Prozesse zur Herstellung von Grundstoffchemikalien auf CO2-Basis.

Diese HVCs stehen anschließend am Beginn der chemischen Wertschöpfungskette, beispielswiese der Kunststoffherstellung.

Neben der Herstellung von HVCs für die Grundstoffchemie, können auch synthetische Brenn- und Kraftstoffe (SynFuels, E-Fuels) CO2-basiert produziert werden. Methanol kann beispielsweise auch direkt als Brennstoff fungieren. Auch aus der Fischer-Tropsch-Synthese können verschiedene Kraftstoffe gewonnen werden, die erdölbasierten Kraftstoffen gleichen und diese ersetzen können, wie beispielsweise Fischer-Tropsch-Kerosin für den Flugverkehr. Die sogenannte Methanisierung zur Herstellung von Methan aus Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid ist eine weitere Möglichkeit, um mit diesem synthetisch hergestellten Methan konventionelles Erdgas z. B. im Straßen- oder Schiffsverkehr zu ersetzen.. Das synthetisch hergestellte Methan entspricht etwa dem von natürlichem Erdgas und kommt sowohl im Straßenverkehr als auch in flüssiger Form als Treibstoff in der Schifffahrt in Frage. Als nachhaltiger Treibstoff für den Flugverkehr kann synthetisches Kerosin beispielsweise aus der Fischer-Tropsch-Synthese hergestellt werden.

Zu beachten ist, dass die Herstellung von grünem Wasserstoff als notwendigem Edukt zu einem Mehrbedarf an erneuerbarer Stromerzeugung führt. Hinzu kommt, dass sowohl synthetische Kraftstoffe als auch Kunststoffe in der Regel am Ende der Nutzungsdauer verbrannt werden. Das zuvor gebundene CO2 entweicht dann erneut in die Atmosphäre. Im Sinne einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft ist somit für Kunststoffe eine CO2-Abscheidung an den Müllverbrennungsanlagen notwendig. Die Emissionen der synthetischen Kraftstoffe müssen anderweitig, beispielsweise via DAC oder BECCS aus der Atmosphäre entfernt werden.

Für die chemische Industrie zeichnet sich noch kein klarer Transformationspfad ab. Die Nutzung von CO2 (CCU) ist nur eine von mehreren Möglichkeiten für den Umstieg weg von fossilen Kohlenstoffquellen. Neben CCU sind verstärktes mechanisches und chemisches Recycling sowie die verstärkte stoffliche Nutzung von Biomasse die aussichtsreichsten Optionen. In welchem Umfang sich diese drei Varianten zur Kohlenstoffbereitstellung durchsetzen werden, hängt maßgeblich von den Kosten bei Marktreife der Verfahrensrouten sowie den regulatorischen Rahmenbedingungen (bspw. zur Bilanzierung von CCU-Produkten oder den Nachhaltigkeitsanforderungen für Biomasse) ab.

Weitere Informationen

 

Literatur

[1] Pleier A., Kracht H., Guminski A.: Analyse CO2-Infrastrukturbedarf in Bayern – Eine vbw Studie, erstellt von der FfE – Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH. München: FfE GmbH, 2023.

[2] MINIMUM SPECIFICATIONS FOR  FOOD GAS APPLICATIONS (MINIMUM SPECIFICATIONS FOR  FOOD GAS APPLICATIONS). Ausgefertigt am 2020-01-01; Brüssel, Belgien: EIGA, 2020.

[3] Roadmap Chemie 2050 – Auf dem Weg zu einer treibhausgasneutralen chemischen Industrie in Deutschland. München, Frankfurt: Dechema, 2019.

[4] Chemistry4Climate – Wie die Transformation der Chemie gelingen kann. Frankfurt am Main, Düsseldorf: Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI), 2023.