19.02.2024

Beitragsreihe Carbon Management: Wie kann CO2 abgeschieden werden?

Mit der festen Verankerung der europäischen Klimaneutralitätsziele bis 2050 rückt die Thematik des Carbon Managements in den Fokus nachhaltiger Umweltpraktiken. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, die Emissionen zu reduzieren, sondern auch unvermeidbare Emissionen effektiv zu managen. Dies erfordert den Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung, die entweder eine unterirdische Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) oder die Integration in einen geschlossenen Kohlenstoffkreislauf (Carbon Capture and Utilization – CCU) ermöglichen. Diese Beitragsreihe gibt einen Überblick über Abscheidungstechnologien, Verwendungsmöglichkeiten des CO2, Speicherverfahren, sowie Transportoptionen und politische Bestrebungen im Kontext Carbon Management.

CO2-Abscheidung: Welche Pfade kommen in Frage?

Grundsätzlich gibt es folgende zwei Vorgehensweisen zur CO2-Abscheidung (siehe Abbildung 1): Zum einen kann CO2 an Punktquellen, wie beispielsweise Verbrennungsprozessen der Industrie, vor dem Entweichen der Abgase in die Atmosphäre abgetrennt werden, zum anderen kann bereits in der Atmosphäre enthaltenes CO2 wieder aus dieser entnommen werden. Einen Sonderfall zwischen diesen beiden Pfaden stellt die Biomassenutzung da. Während des Wachstums nehmen Pflanzen CO2 aus der Atmosphäre auf und binden dieses. Bei der Verbrennung von Biomasse wird dieses CO2 wieder freigesetzt, kann jedoch vor der Freisetzung in die Atmosphäre an der Punktquelle abgeschieden werden.

Abbildung 1: Pfade der CO2-Entnahme direkt aus der Atmosphäre (links) oder aus Punktquellen (rechts).

Prinzipiell gilt: Der energetische Aufwand für die CO2-Entnahme ist umso geringer, je höher die CO2-Konzentration im Gasstrom ist, sodass hochkonzentrierte Punktquellen zu bevorzugen sind. Weitere Zielgrößen der Abscheidung sind sowohl eine möglichst hohe CO2-Ausbeute, als auch eine hohe Reinheit zu erreichen. Insbesondere für die Reinheit des abgetrennten CO2-Stromes gilt jedoch, dass mit zunehmenden Reinheitsanforderungen auch der Energieaufwand zur CO2-Aufbereitung überproportional ansteigt.

CO2-Abscheidung an Punktquellen: Industrie, Energiewirtschaft, Müllverbrennung

Die Einteilung der CO2-Abscheideverfahren an Punktquellen erfolgt in der Regel anhand der zu Grunde liegenden Funktionsprinzipien in drei Gruppen (siehe Abbildung 2): Pre-Combustion, Oxyfuel-Combustion- und Post-Combustion-Verfahren ([1], [2], [3]). Für jede Gruppe sind dann wiederum diverse technische Ausgestaltungen bekannt.

Abbildung 2: Die Einteilung der CO2-Abscheideverfahren in Pre-Combustion, Oxyfuel-Combustion und Post-Combustion.

Pre-Combustion-Verfahren trennen bereits vor der Verbrennung kohlenstoffhaltige Bestandteile aus dem Brennstoff ab, so dass bei der Verbrennung selber kein CO2 entsteht. Dazu werden die Brennstoffe zu Synthesegas, bestehend aus hauptsächlich CO, CO2, H2 und H2O, vergast. Mittels Wassergas-Shift wird der Kohlendioxid (CO2)- und Wasserstoff (H2)-Anteil im Gasgemisch erhöht:

Das CO2 kann dann durch physikalische oder chemische Absorption abgetrennt werden. Nach der Entfernung weiterer Verunreinigungen, bleibt nahezu reiner Wasserstoff zurück, welcher dann ohne weitere CO2-Emissionen verbrennt. Diese Verfahrensgruppe ist damit ungeeignet für Prozesse, bei denen neben energetisch bedingten auch stofflich- bzw. prozessbedingte Emissionen entstehen.

Oxyfuel-Combustion bezeichnet die Verbrennung unter nahezu reiner Sauerstoffatmosphäre und unter teilweiser Abgasrückführung. Dadurch wird eine (annähernd) vollständige Verbrennung der Kohlenwasserstoffe zu Wasser und CO2 erreicht, sodass nach Auskondensation des Wasserdampfs ein konzentrierter CO2-Gasstrom zurückbleibt.

Post-Combustion-Verfahren sind die bisher technologisch am weitesten fortgeschrittenen CO2-Abscheideverfahren. Nach der Verbrennung und der Rauchgasreinigung wird das CO2 aus dem verbleibenden Rauchgas abgetrennt. Dies geschieht typischerweise durch chemische Absorption (z.B. bei der Aminwäsche), physikalische Absorption (z.B. an Selexol) oder Adsorption (z.B. an Zeolithen). Bei diesen Verfahren müssen die beladenen Sorptionsmittel anschließend unter Energieaufwand regeneriert werden, beispielsweise durch Temperaturerhöhung oder Druckabsenkung. Ebenso sind selektive Membranverfahren oder kryogene Verflüssigung .

Die CO2-Abscheidung kommt für diverse Prozesse der Industrie und Energiewirtschaft in Frage. Es gilt jedoch der Grundsatz, dass der Einsatz von CO2-Abscheidung so gering wie möglich gehalten werden sollte und keinen Ersatz für sonstige tiefergreifende Treibhausgasverminderungsmaßnahmen darstellt.

Diesem Grundsatz folgend, ist die CO2-Abscheidung insbesondere für Industrieprozesse mit prozessbedingten Emissionen sinnvoll. Prozessbedingte Emissionen entstehen aus den verwendeten Rohstoffen und können somit nicht durch Energieträgerwechsel vermieden werden. So entsteht beispielsweise bei der Herstellung von Branntkalk (CaO) aus Kalkstein (CaCO3) notwendigerweise CO2:

Damit gehört das Kalkbrennen genauso wie die Produktion von Zementklinkern zu den für CO2-Abscheidung prädestinierten Industrieprozessen.
Weitere Prozesse, wie beispielsweise die Glas- oder Ziegelherstellung, verursachen ebenfalls rohstofflich bedingte CO2-Emissionen und kommen damit ebenfalls für die CO2-Abscheidung in Frage. Aufgrund der an den einzelnen Standorten anfallenden zu geringen absoluten Emissionsmengen und CO2-Konzentrationen ist die CO2-Abscheidung derzeit jedoch noch keine wirtschaftliche Option.

In der Energiewirtschaft sind Müllverbrennungsanlagen im Sinne eines geschlossenen Kohlenstoffkreislaufs potenzielle Kandidaten für die CO2-Abscheidung. Insbesondere bei der Herstellung von Kunststoffen aus synthetischen Kohlenwasserstoffen (CCU) muss der enthaltene Kohlenstoff bei der Abfallverbrennung wieder abgetrennt werden um Treibhausgasneutralität über die gesamte Produktlebensdauer zu erreichen.
Weiterhin stellen Biomassekraftwerke eine Möglichkeit dar, negative Emissionen zu erreichen. Dazu wird das durch die Biomasse, wie oben beschrieben, während des Wachstums aufgenommene und durch die Verbrennung freigesetzte CO2 abgetrennt und dauerhaft gespeichert (BECCS: Bioenergy Carbon Capture and Storage). Gleiches gilt auch, wenn bei Industrieprozessen mit energetisch genutzter Biomasse eine CO2-Abscheidung nachgelagert ist.
Für andere thermische Kraftwerke, z.B. Gas- oder Kohlekraftwerke, ist die CO2-Abscheidung theoretisch ebenfalls möglich, allerdings aus Sicht der notwendigen Abkehr von fossilen Brennstoffen keine nachhaltige Lösung und birgt die Gefahr von Lock-In-Effekten.

CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre

Als natürliche CO2-Senken werden die im LULUCF-Sektor zusammengefassten CO2-Aufnahmen bezeichnet. Dazu gehören unter anderem die Kohlenstoffbindung von Biomasse in der Wachstumsphase oder die CO2-Aufnahme und Bindung von Mooren. Auf diesen Wegen wird der Atmosphäre auf natürliche Art und Weise CO2 entnommen.

Zusätzlich kann die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre auch auf technischem Weg erfolgen. Das sogenannte Direct Air Capture (DAC)-Verfahren saugt Umgebungsluft an und ein Sorptionsmittel nimmt das darin enthaltene CO2 auf. Das Sorptionsmittel muss in einem weiteren Schritt regeneriert werden, um das reine CO2 zu erhalten. Auch wenn derzeit noch keine Technologie kommerzielle Marktreife aufweist, bilden sich zwei Verfahren heraus: Beim Niedertemperatur-DAC-Verfahren regeneriert das Sorptionsmittel bei ca. 100°C, bei der Hochtemperatur-DAC-Variante bei ca. 850°C [4].

Weitere Informationen

Literatur

[1] Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG). Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), 2022.

[2] Lübbers, Sebastian: Technische CO2-Senken – Techno-ökonomische Analyse ausgewählter CO2-Negativemissionstechnologien – Kurzgutachten zur dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität. Berlin: Prognos AG, 2021.

[3] The ECRA Technology Papers 2022 – State of the Art Cement Manufacturing – Current Technologies and their Future Development. Duesseldorf, Germany: European Cement Research Academy, 2022.

[4] Block, Simon: Direct Air Capture in Deutschland: Kosten und Ressourcenbedarf eines möglichen Rollouts im Jahr 2045. Wuppertal: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, 2022.