29.03.2022

Was ist der Regelarbeitsmarkt (RAM)?

Der Regelarbeitsmarkt (RAM) für Sekundärregelleistung (SRL) und Minutenreserve (MRL) wurde in Deutschland im November 2020 eingeführt und ergänzt seitdem den Regelleistungsmarkt (RLM). Zuvor wurde Regelenergie allein auf dem RLM vermarktet. Mit der Einführung des RAMs wird die Leistungsvorhaltung von der Arbeitserbringung getrennt. Präqualifizierte Regelenergieanbieter 1 haben nunmehr die Möglichkeit, sehr viel kurzfristiger leistungsfreie Gebote für Regelenergie anzubieten. Mit diesem Webseitenbeitrag und der zugehörigen Infografik soll ein allgemeiner Überblick über die Entstehung und die Ausgestaltung des RAMs gegeben werden.

Einige Informationen zur Infografik sind inzwischen nicht mehr aktuell, hier bitte auf diesen Artikel zurückgreifen.

Infografik was ist der Regelleistungsmarkt

Wie kam es zur Einführung des Regelarbeitsmarkts (RAMs)?

Im November 2017 hat die EU die Electricity Balancing Guideline für die Harmonisierung der Regelenergie in Europa beschlossen. Diese beinhaltet unter anderem die Einführung eines RAMs für SRL und MRL. Für Primärregelleistung (PRL) ist hingegen kein RAM geplant. Weitere Punkte der Electricity Balancing Guideline sind die Einführung der transnationalen PICASSO und MARI-Plattformen für eine gemeinsame europäische Sekundär- und Minutenreserveerbringung.

Die Gründe für die Einführung eines RAMs waren neben der Harmonisierung der europäischen Regelenergiebereitstellung die Erwartung eines größeren Wettbewerbs und damit effizienteren Markts und reduzierter Wettbewerbsnachteile von flexiblen Anlagen und Anlagen erneuerbarer Energien durch kürzere Planungszeiten. Die seit 2017 beobachteten stark erhöhten Arbeitspreise am Regelleistungsmarkt in Deutschland sollten durch die Einführung adressiert werden.

Wie funktionierte der Regelleistungsmarkt (RLM) für Sekundärregelleistung (SRL) und Minutenreserve (MRL) vor der Einführung des Regelarbeitsmarktes (RAMs)?

Vor der Einführung des RAMs boten die präqualifizierten Regelenergieanbieter allein am RLM mit einem Leistungs- und einem Arbeitspreis an. Die Anbieter wurden zum einen über den Leistungspreis für die Vorhaltung von Leistung und zum anderen über den Arbeitspreis für die mögliche Erbringung von Regelenergie zur Frequenzstabilisierung vergütet. Die Entscheidung, welches Angebot den Zuschlag erhält, wurde anhand einer Merit Order getroffen. Abgesehen von Oktober 2018 bis Juli 2019 wurde diese Merit Order nur anhand der Leistungspreise erstellt (Leistungspreisauktion), was niedrige Leistungspreise aber hohe Arbeitspreise zur Folge hatte. In dem ausgeklammerten Zeitraum wurde zwischenzeitlich ein Mischpreisverfahren eingeführt, welches sowohl Leistungs- als auch Arbeitspreis bei der Merit Order mit Faktoren berücksichtigte, allerdings wurde dieses Verfahren nach einer Klage gerichtlich gekippt.

Was hat sich mit der Einführung des Regelarbeitsmarkts (RAMs) für Sekundärregelleistung (SRL) und Minutenreserve (MRL) geändert?

Seit der Einführung des RAMs ist die Leistungspreisauktion und die Arbeitspreisauktion und somit die Entscheidung der Vorhaltung und Erbringung getrennt. Die Vermarktung der Vorhaltung wird über die Leistungspreisauktion des RLMs durchgeführt, während die Vermarktung der Erbringung durch eine Arbeitspreisauktion am RAM erfolgt.

Auf dem RLM stellen präqualifizierte Regelenergieanbieter Angebote (mit Leistungspreis und optional Arbeitspreis) am Vortag ein, und der Zuschlag der Vorhaltung erfolgt anhand der Merit Order der Leistungspreise (bei SRL um 9:00 Uhr am Vortag, bei MRL um 10:00 Uhr am Vortag). Alle bezuschlagten Angebote (in der Infografik die blauen Angebote) müssen automatisch beim RAM, welcher nach der Ergebnisveröffentlichung des RLMs startet, partizipieren. Allerdings dürfen auch weitere präqualifizierte Regelenergieanbieter (in der Infografik die orangenen Angebote) an der Arbeitspreisauktion des RAMs teilnehmen, ohne vorher bei dem RLM teilgenommen oder bezuschlagt worden zu sein. Diese Angebote haben nur einen Arbeitspreis. Angebote am RAM können – anders als beim RLM – bis eine Stunde vor Erbringung angepasst oder sogar gelöscht werden. Bei der Arbeitspreisauktion des RAMs werden die Pflichtangebote aus dem RLM und die zusätzlichen reinen Arbeitspreisangebote in einer Merit Order der Arbeitspreise sortiert. Den Zuschlag für die Erbringung erhalten die geringsten Arbeitspreisangebote. So kann es passieren, dass Angebote zwar einen Zuschlag für die Vorhaltung bekommen, aber nicht für die Erbringung.

Abgesehen von den Zeiträumen der Auktion und der Art des Produkts (Energie in Arbeitspreisauktion gegenüber Leistung in Leistungspreisauktion) haben RLM und RAM ähnliche Rahmenbedingungen. In beiden Auktionen werden Angebote nach pay-as-bid vergütet, es können Angebote für jeweils 6 Zeitscheiben pro Tag à 4 h eingestellt werden, die Mindestangebotsgröße ist normalerweise 5 MW (1 MW bei Einzelangeboten) und nur präqualifizierte Regelenergieanbieter können teilnehmen.

Exkurs Preisobergrenze

Ein sehr kontroverses Thema bei der Ausgestaltung der Vermarktung von Regelenergie sind Preisobergrenzen für den Arbeitspreis.

Aufgrund steigender Arbeitspreise Ende 2017 wurde erstmalig eine Preisobergrenze für den Arbeitspreis von 9.999,99 €/MWh eingeführt. Diese Preisobergrenze wurde mit der Einführung des Mischpreisverfahren im Oktober 2018 aufgehoben. Nach dem Urteil gegen das Mischpreisverfahren und der Rückkehr zum Leistungspreisverfahren im Juli 2019 forderte die BNetzA die erneute Einführung einer Preisobergrenze bis zur Einführung des RAMs im November 2020. Da die Problematik der hohen Arbeitspreise sich auch durch die Einführung des RAMs nicht änderte, führte die BNetzA die Preisobergrenze von 9.999,99€/MWh Ende 2020 wieder ein. Gegen diese Preisobergrenze wurde Anfang 2021 geklagt und es erfolgte eine Aussetzung der Preisobergrenze bzw. eine Anhebung dieser auf 99.999,99 €/MWh bis November 2021. Die Preisobergrenze von 9.999,99 €/MWh war dann bis Januar 2022 wieder aktiv, woraufhin sie vom Bundesgerichtshof wieder ausgesetzt wurde. Aktuell gilt daher eine Preisobergrenze von 99.999,99 €/MWh. Die neuesten Entwicklungen sind auf europäischer Ebene geschehen: Die ACER (Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden in Europa) hat den Änderungsvorschlag aller europäischer ÜNBs zur Preisbildungsmethode für Regelarbeit – eine übergangsweise reduzierte, auf europäischer Ebene gültige Preisobergrenze für Regelarbeit in Höhe von 15.000 EUR/MWh – genehmigt. Die Einführung der Preisobergrenze erfolgt nach der finalen Einführung des Zielmarktdesigns der Electricity Balancing Guideline, welche in Deutschland am 22.06.2022 geplant ist.

Und das Zwischenfazit zur Einführung des Regelarbeitsmarkts?

Bis jetzt wurden viele Erwartungen, wie z. B. viele kurzfristige leistungsfreie Gebote auf dem RAM nicht erfüllt. Aktuell liegt die angebotene Kapazität nur geringfügig über dem Bedarf. Dies bedeutet – unter Berücksichtigung der verpflichtenden Partizipation der bezuschlagten RLM-Angebote -, dass wenig reine RAM-Angebote vorliegen, sodass eine Nutzung des RAMs nur schwer erkennbar ist.

Insgesamt ist eine große Unruhe bei der Vermarktung von Regelenergie seit 2017 mit vielen Klagen, Marktdesignanapassungen, Preisobergrenzen etc. zu erkennen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies mit der endgültigen Umsetzung der Electricity Balancing Guideline (mit allen geplanten Marktdesignanpassungen und Plattformstarts) beruhigen wird.