Lohnt sich das Laden von Elektrofahrzeugen mit variablen Tarifen?
Attraktivität für Elektrofahrzeugfahrer:innen und Geschäftsmodellpotenzial für Stromanbieter und Aggregatoren
Das spotmarktoptimierte Laden von Elektrofahrzeugen (EFZ) unterstützt die Integration der erneuerbaren Stromerzeugung in das Energiesystem. Gleichzeitig bietet es den Fahrer:innen die Möglichkeit, durch die Verschiebung von Ladevorgängen Ladekosten zu sparen. Doch ist der Use Case für sie attraktiv? Zwar können durch die Verschiebung von Ladevorgängen in günstige Strompreiszeiten Ladekosten eingespart werden, aber gleichzeitig wird dadurch auch die Flexibilität zur Fahrzeugnutzung eingeschränkt und das Risiko, extrem hohen Preisen am Spotmarkt ausgesetzt zu sein, steigt.
Ob das spotmarktoptimierte Laden für Elektrofahrzeugfahrer:innen attraktiv ist, beeinflusst stark das Potenzial für damit einhergehende Geschäftsmodelle für Stromversorger und Aggregatoren. Dazu zählt das Anbieten von variablen Stromtarifen und die Vermarktung von aggregierter Fahrzeug-Flexibilität.
Die FfE hat diese Fragestellung im Paper „Attractiveness and Business Model Potential of the Spot Market Optimized Charging of Electric Vehicles“ untersucht.
Wie wird die Attraktivität des Use Cases gemessen?
Die Methodik besteht aus drei Schritten. Unter der Annahme, dass finanzielle Faktoren ein Hauptmotivator zur Nutzung von variablen Stromtarifen sind, wurde im ersten Schritt eine Literaturrecherche zu Akzeptanzstudien für variable Stromtarife durchgeführt und ein Mittelwert gebildet. Dieser Wert sagt aus, welche Ersparnis pro Jahr mindestens benötigt wird, damit Haushalte einen variablen Stromtarif nutzen.
Im zweiten Schritt wurde mit dem FfE-Modell eFLAME das jährliche Einsparpotenzial durch das Laden mit variablen Tarifen simuliert. Konkret wurden dabei statisch variable und dynamische Tarife mit den Strompreisen von 2021 und 2022 untersucht.
Im dritten Schritt wurde eine Erlösmarge berechnet. Sie ist die Differenz aus simulierter Ladekosteneinsparung und erforderlicher Einsparung aus den Akzeptanzstudien. Ist die Erlösmarge positiv, lohnt sich das spotmarktoptimierte Laden für Elektrofahrzeugfahrer:innen; sie sparen mehr Geld als sie erwarten. Bei einer positiven Erlösmarge bleibt auch Spielraum für wirtschaftliche Geschäftsmodelle von Stromlieferanten und Aggregatoren. Dagegen deutet eine negative Erlösmarge darauf hin, dass die negativen Auswirkungen von variablen Stromtarifen durch die Ladekosteneinsparung nicht gedeckt werden können.
Ergebnisse
Tabelle 1 zeigt die betrachteten Akzeptanzstudien. Durchschnittlich erwarten die Befragten bei der Nutzung eines variablen Stromtarifs eine Kosteneinsparung von 183,3 € pro Jahr. Investitionen in technische Ausrüstung, wie z. B. eine Wallbox, ein Smart Meter oder ein Energiemanagementsystem, sind dabei nicht berücksichtigt.
Autor:innen | Methode | Zielgruppe | Stichprobe | Tarif | Erforderliche Ladekostenreduktion Studie |
Erforderliche Ladekostenreduktion Umgerechnet [€ / a]a |
Dütschke und Paetz (2013) | Feldversuch mit Testbewohner:innen, die in einem Smart-Home-Labor leben | Verbraucher:innen sind bereits mit dynamischer Preisgestaltung bekannt | 4 | Statisch-variabel & dynamisch | 50 – 150b | 50 – 150b |
Ensslen et al. (2014) | Umfrage | Französische und Deutsche EFZ-Fahrer:innen und Teilnehmende ohne EFZ Erfahrung | 70 | Zweistufiger intelligenter Ladetarif | 28,5 %a | 252,1a |
Will und Schuller (2016) | Umfrage | Frühe Anwender:innen von EFZ Technologie | 237 | Rabatt auf monatlichen Basispreis | 21,4 % | 189,3 |
Hinterstocker et al. (2018) | Umfrage | Private Stromkund:innen | 130 | Statisch variabel | 110 | 110 |
Scherrer et al. (2019) | Umfrage | EFZ-Fahrer:innen (frühe Anwender:innen) | 432 | Variabler Tarif im Allgemeinen | 30 % | 265,3 |
a Durchschnittlicher Haushaltsstrompreis 32,16 ct/kWh, jährlicher Fahrzeugenergieverbrauch 2.750 kWh
b Ein intelligenter Ladedienstleister steuert den Ladevorgang. |
Tabelle 1: Übersicht der Akzeptanzstudien und erforderliche Kosteneinsparung durch einen variablen Stromtarif
Tabelle 2 stellt das simulierte Erlöspotenzial durch das Laden mit einem variablen Stromtarif nach Spotmarktpreisen gegenüber. Um die Bandbreite der Ergebnisse zu verdeutlichen, sind neben dem Durchschnittswert auch die Minima und Maxima aufgeführt. Mit einem dynamischen Tarif kann eine optimierte Ladung durchschnittliche Einsparungen von 197,5 € pro EFZ im Jahr 2021 und 421,6 € pro EFZ erzielen. Die Einsparungen mit einem statisch variablen Tarif sind mit 68,7 € im Jahr 2021 und 122,8 € im Jahr 2022 deutlich geringer.
Jahr | Tarif | Min | Ersparnis € Max. | Ersparnis € Durchschnitt |
2021 | statisch variabel | 4,3 | 194,5 | 69,7 |
2021 | dynamisch | 30,6 | 386,3 | 197,5 |
2022 | statisch variabel | 7,6 | 343,5 | 122,8 |
2022 | dynamisch | 54 | 813,1 | 421,6 |
Das höhere Einsparungspotenzial durch Nutzung des dynamischen Tarifs lässt sich durch eine bessere Möglichkeit der Lastverschiebung in Zeiten mit niedriger Preissignalen erklären. Je stärker die Dynamisierung des Tarifs, desto höher ist das Preisrisiko für die Stromkund:innen.
Im letzten Schritt wurde die Erlösmarge berechnet, indem die erforderliche Kompensation für die Nutzer:innen von den simulierten Einsparpotenzialen durch das Laden mit einem variablen Tarif abgezogen wurde. Für einen dynamischen Tarif ergibt sich eine Erlösmarge von durchschnittlich 14,2 € pro Jahr im Jahr 2021 und 238,3 € pro Jahr im Jahr 2022. Für einen ToU-Tarif ist die Gewinnspanne negativ und liegt bei -113,6 € pro Jahr im Jahr 2021 und -60,5 € pro Jahr im Jahr 2022.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Laden von Elektrofahrzeugen mit einem dynamischen Tarif attraktiv ist, während das für einen statisch variablen Tarif nicht der Fall ist. Das Geschäftsmodellpotenzial für Stromversorger und Aggregatoren ist bei Kund:innen, die einen dynamischen Tarif nutzen, höher, da in diesem Fall die Erlösmarge einen höheren Erlösanteil ermöglicht.
Die beschriebenen Inhalte wurden von der FfE in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekt „Trade-EVs II“ entwickelt und auf der 8th Electric Vehicle Conference in Edinburgh (EVC 23) vorgestellt (Förderkennzeichen: 01MV20006E).
Weitere Informationen:
- Trade-EVs II – Trade of Renewable, Aggregated and Distributed Energy by Elektric Vehicles
- eFlame – electric Flexibility assessment modeling environment
- Use Case Spotmarktoptimiertes Laden
- Was ist ein Aggregator in Trade-EVs II?
Literatur:
Dütschke, E., Paetz, A.-G., 2013. Dynamic electricity pricing – Which programs do consumers prefer? Energy Policy, 59, 226-234.
Ensslen, A., Ringler, P., Jochem, P., Keles, D., Fichtner, W., 2014. About business model specifications of a smart charging manager to integrate electric vehicles into the German electricity market, 14th IAEE European Conference. Rom, Italien.
Will, C., Schuller, A., 2016. Understanding user acceptance factors of electric vehicle smart charging. Transportation Research Part C 71.
Hinterstocker, M., Beck, F., von Roon, S., 2018. Effects of Variable Electricity Rates on the Behavior of Residential Customers, 12th International Renewable Energy Storage Conference. Düsseldorf, Deutschland.
Scherrer, A., Burghard, U., Wietschel, M., Dütschke, E., 2019. Early Adopter von E-Fahrzeugen: Ladeleistungen, Eigenerzeugung und Einstellungen zum Lademanagement. Energiewirtschaftliche Tagesfragen 69. 11, 23-26.