15.04.2024

V2X Monitor

Bidirektionales Laden, ermöglicht es Elektrofahrzeugen nicht nur, Strom aufzunehmen, sondern auch zurück ins Netz zu speisen oder für andere Zwecke wie die Hausstromversorgung zu nutzen. Vehicle-to-everything kurz V2X fasst alle möglichen Anwendungsfälle des bidirektionalen Ladens von vehicle-to-home (V2H) über vehicle-to-load (V2L) bis hin zu vehicle-to-grid (V2G) zusammen. Bidirektionale Elektrofahrzeuge können somit auf der Systemseite zur Integration erneuerbarer Energien, zur Flexibilität des Stromnetzes und zur Stabilisierung des Netzbetriebs beitragen, während die Kund:innen gleichzeitig Kosten einsparen können.

Das Ziel des V2X-Monitors besteht darin, durch die Zusammenführung relevanter Daten und Indikatoren, den Fortschritt der V2X-Technologie in Deutschland darzustellen. Hierzu betrachtet der Monitor die drei Kategorien Fahrzeuge & Ladesäulen, Markt und Standards & Regulatorik. Die Kategorien sind anhand der Stufen rot, gelb und grün eingeordnet. Für die Bewertung der Kategorien hat die FfE verschiedene Kriterien festgelegt, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden.

V2X Monitor

Fahrzeuge und Ladesäulen

Angebot von bidirektionalen Fahrzeugen

Bisher gibt es fast keine V2X-fähigen bidirektionale Elektrofahrzeuge auf dem deutschen Markt, die schon heute über den vollen Funktionsumfang an Anwendungsfällen verfügen. Einige Hersteller bieten bisher lediglich vehicle-to-load (V2L) an, wobei ein externes elektronisches Gerät geladen werden kann, oder bezeichnen ihre Fahrzeuge als „bidi-ready“, wodurch die Funktion in Zukunft per Update zur Verfügung stehen soll. Einzelne V2X-Fahrzeuge, wie bspw. der Renault 5 sind frühestens Ende 2024, Anfang 2025 zu erwarten.

Tabelle 1: Übersicht bidirektionaler Elektrofahrzeuge (Quelle: ADAC)

Modell Stecker AC / DC Art
Cupra Born (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) CSS DC V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet)
Genesis Electrified G80 / GV70 Schuko AC (1-phasig) V2L, Einführung von V2H und V2G voraussichtlich in der nächsten Generation
Nissan Leaf CHAdeMO DC V2H / V2G (vorbereitet)
Nissan eNV200 ¹ CHAdeMO DC V2H / V2G (vorbereitet)
Mitsubishi ¹ Outlander / iMIEV¹ CHAdeMO DC V2H / V2G (vorbereitet)
Hyundai Ioniq 5 / 6 Schuko AC (1-phasig) V2L
Kia EV6 / Niro EV Schuko AC (1-phasig) V2L
MG 4 / 5 / Marvel Schuko AC (1-phasig) V2L
Skoda Enyaq (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) CCS DC V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet)
Volvo EX90 Schuko / Typ 2 / CCS AC (1/3-phasig) / DC V2L / V2H / V2G (vorbereitet)
VW ID.3ID.4ID.5ID Buzz (mit 77 kWh und VW-Konzern-Software 3.5) CSS DC V2H: lt. VW ab Anfang 2024 mit Wallbox und Hauskraftwerk S10 E Compact von E3/DC / V2G (vorbereitet)
Polestar 3 Schuko / Typ 2 / CCS AC (1/3-phasig) / DC V2L / V2H / V2G (vorbereitet)

Verbreitung von bidirektionalen Fahrzeugen

Wie zuvor beschrieben, gibt es fast keine V2X fähigen bidirektionale Elektrofahrzeuge, daher ist die Verbreitung nahe null. Im Folgenden werden jedoch die aktuellen zugelassenen Zahlen der Modellreihen, welche bereits V2H oder V2L unterstützen und potenzial zukünftig durch z.B. Softwareupdates für V2X freigeschalten werden können. Datengrundlage sind die Daten des KBA.

Tabelle 2: Zugelassene bidirektional fähige Fahrzeuge auf Basis von KBA-Daten

Modellreihe Hersteller Anzahl
BORN Cupra 1193
ENYAQ Skoda 29350
ID. BUZZ VW 2344
ID.3 VW 57314
ID.4 VW 14663
LEAF Nissan 9107
Gesamt 11.3971

Angebot von bidirektionalen Ladesäulen

Um das Angebot an bidirektionalen Ladesäulen steht es ähnlich wie das der Fahrzeuge. Hier sind bidirektionale Ladesäulen bzw. Wallboxen erhältlich, diese kosten jedoch deutlich mehr als die unidirektionalen. Es ist davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres 2024 viele weitere Hersteller ihre bidirektionale Wallboxen zum Verkauf anbieten.

Tabelle 3: Übersicht bidirektionaler Wallboxen

Hersteller Bezeichnung Firmensitz Steckertyp Max. Leistung Preis (brutto)
Wallbox Quasar 1 Spanien CHAdeMO 7,4 kW 3.538 €
Wallbox Quasar 2 Spanien CCS 2 12,8 kW vsl. 4.000 €
EATON Green Motion DC 22 Irland CCS 2 / CHAdeMO 22 kW Auf Anfrage
EATON Green Motion DC 44/66 Irland CCS 2 / CHAdeMO 44/66 kW Auf Anfrage
Sun2wheel / EVTEC two-way-digital / sospeso&charge Schweiz CCS 2 / CHAdeMO 10 kW Ab13.518,65 € [1]
Webasto DC Wallbox Deutschland CCS 1 / 2 / CHAdeMO 22 kW Auf Anfrage
Ambibox ambiCharge Deutschland CCS 1 / 2 11 kW Auf Anfrage
Ford/Siemens Charge Station Pro [2] USA CCS 1 19,2 kW Ab 1.193,49 € [3]
Lucid Connected Home Charging Station USA CCS 1 / 2 19,2 kW 1.093,27 € [4]
dcbel r16 [3] UK CCS 1 15,2 kW 6.969,10 € [4]

[1] 0,9613 EUR/CHF (01.08.23), [2] Nur US-Markt, [3] 1,0976 EUR/USD (01.08.23), [4] 0,8605 EUR/GBP (01.08.23)

Verbreitung von bidirektionalen Ladesäulen

Da es bisher fast keine V2X-fähigen bidirektionale Elektrofahrzeuge gibt und die Anschaffung einer bidirektionalen Ladesäule bzw. Wallbox mit sehr hohen Zusatzkosten verbunden ist, ist die Verbreitung von bidirektionalen Ladesäulen ebenfalls nahe Null.

Bestehende Hemmnisse/Fazit

Noch gibt es wenig Anbieter von bidirektionalen Elektrofahrzeugen und Ladesäulen, wobei die Fahrzeuge bisher oftmals nur V2L fähig sind. Bei Ladesäulen fallen aktuell noch hohe Zusatzkosten bei der Anschaffung an. Viele Marken haben für 2025/2026 bidirektionale Serienfahrzeuge angekündigt. Daher ist davon auszugehen, dass in den nächsten 2 Jahren die Anzahl auf deutschen Straßen deutlich ansteigen wird.

Markt

Marktzugang für bidirektionale Elektrofahrzeuge

Vermarktung von bidirektionalen Elektrofahrzeugen an Strommärkten ist über Aggregatoren problemlos möglich. Lediglich der Zugang zu Primärregeleistungsmarkt ist noch nicht gegeben, da die Präqualifizierung aussteht. Verschiedene Pilotprojekte wie zum Beispiel das Forschungsprojekt unIT-e² haben den Anwendungsfall bereits erfolgreich demonstriert. Es wird daher erwartet, dass dies bald im Realbetrieb möglich ist.

Mögliche Erlöse

Nach den extremen Preisanstiegen im Jahr 2022, insbesondere ausgelöst durch eine Reduktion und schließlich ein vollständiges Aussetzen der russischen Gasimporte nach Deutschland, sind die Preise im Jahr 2023 wieder deutlich gesunken. Trotz des insgesamt wieder stark gesunkenen Preisniveaus wies das Jahr 2023 aufgrund der hohen Anzahl negativer Preise auf der einen und deutlich dreistelliger Preise auf der anderen Seite deutliche Preisspreads auf, wenn auch geringere Spreads als im Vorjahr 2022. Es ist davon auszugehen, dass die Preisspreads auch im Jahr 2024 erhebliche Erlöspotenziale bieten.

Verbreitung von zeitvariablen Tarifen

Bisher gibt es in Deutschland noch keine für bidirektionales Laden. Zwar existieren Insellösungen von z.B. E3/DC & VW für vehicle-to-home (V2H) Anwendung, jedoch gibt es keine V2X-Angebote. In Großbritannien gibt es einen ersten Bidi-Tarif von Oktopus Energy, allerdings mit starken Einschränkungen, was die technischen Voraussetzungen und das Nutzerverhalten angeht, ähnlich wie bei der E3/DC & VW Lösung. Generell sind bisher auch dynamische Stromtarife in Deutschland noch wenig verbreitet, die für bidirektionale Elektrofahrzeuge in Frage kommen. Das hängt letztendlich auch mit dem stark verzögertem Smart-Meter Rollout in Deutschland stark verzögert zusammen. Ab dem 1. Januar 2025 sind Energieversorger verpflichtet, zeitvariable oder dynamische Tarife einzuführen. Aktuell wird hier das Angebot durch neue Player wie beispielsweise Tibber, 1KOMMA5°, Oststrom oder Octopus bestimmt, während große Energieversorger meist noch auf sich warten lassen.

Bestehende Hemmnisse/Fazit

Die Marktbedingungen sind insgesamt positiv zu bewerten, jedoch sind Angebote von Tarifen für bidirektionales Laden infolge der geringen Verbreitung von Fahrzeugen und Ladesäulen noch nicht existent. Zusätzlich ist der verzögerte Smart-Metergateway Ausbau ein bestehendes Hemmnis. Kurzfristig werden V2H/V2B Lösungen den Markt prägen, während mittelfristig die V2G-Anwendungsfälle Angeboten durch bspw. Aggregatoren dazu kommen.

Standards & Regulatorik

Etablierung relevanter Standards

Die ISO 15118-20 ist der Standard für die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule bzw. Wallbox und ermöglicht bidirektionales Laden. Trotz des Release vor über 2 Jahren gibt es weiterhin Interpretationsspielraum bei der Implementierung, wodurch auch in naher Zukunft bei weitem nicht alle bidirektionalen Fahrzeuge mit jeder beliebigen bidirektionalen Wallboxen kompatibel sein werden.

Für die Ansteuerung einer Ladesäule über eine Backend-Verbindung ist das Open Charge Point Protocol sehr weit verbreitet. Die neueste Version OCPP 2.1 unterstützt bidirektionales Laden, jedoch wird schon seit langer Zeit auf die Veröffentlichung gewartet. Zwar ist auch ein bidirektionales Laden über OCPP 2.0.1 möglich, jedoch nur mit Hilfe von proprietären Anpassungen im Protokoll.

Eine Integration von bidirektionalen Elektrofahrzeugen in ein Home Energy Managementsystem kann beispielsweise auch über die VDE-AR-E 2829-6, auch als EEBus bekannt, erfolgen. Auch hier sind die bidirektionalen Use Cases zwar in finaler Ausgestaltung, jedoch noch nicht veröffentlicht.

Aktuelle Regulatorische Entwicklungen

In der derzeitigen Regulatorik werden bidirektional ladende Elektrofahrzeuge sowohl als Stromerzeuger als auch als Letztverbraucher eingeordnet. Strom, der in der Batterie eines Fahrzeugs zwischengespeichert wird, unterliegt in der Regel nicht der Befreiung von Steuern, Abgaben und Umlagen. Dies liegt daran, dass beim bidirektionalen Laden oft nicht alle Ausnahmebestände erfüllt sind, die eine Doppelbelastung bei der Zwischenspeicherung vermeiden sollen. Das hat zur Folge, dass zweimal gezahlt werden müssen und somit die zusätzlichen Einnahmen fast vollständig aufgebraucht werden. Denn gemäß dem Stromsteuergesetz und der Stromnetzentgeltverordnung sind derzeit nur die „stationären“ Speicher von dieser Doppelbesteuerung ausgenommen. Hier soll es demnächst eine Überarbeitung geben, eine Gleichstellung etwa mit stationären Batteriespeichern, wird von der Branche erhofft. Weiterhin sollten dann auch bei bidirektionalen Fahrzeugen Speicherverluste mitberücksichtigt werden. Mess- und Abrechnungskonzepte sollten dahingehend überarbeitet und vereinfacht werden. Ein positives Beispiel ist die Abschaffung der EEG-Umlage, die sich vereinfachend auf die Abrechnungskonzepte auswirkt.

Seitens VDE FNN sollte definiert sein, welche Nachweise des Gesamtsystem aus Fahrzeug und Ladeinfrastruktur für eine Qualifikation erbringen muss. Dies ist insbesondere für Bidi Lösungen wichtig, die auf einen DC/AC-Wandlers direkt im OnBoard-Charger setzen. Diese wird mit einer Novellierung der VDE-AR-N 4105 erwartet.

Weiterhin ist das Zertifizierungssystem für erneuerbare Energien (Grünstrom) ist hinsichtlich des aus Traktionsbatterien entnommenen Stroms zu überarbeiten. Heute ist dies kein Grünstrom, auch wenn ausschließlich aus regenerativen Quellen geladen wurde.

Bestehende Hemmnisse/Fazit

Interpretationsspielräume bei bestehenden Normen sollten branchenübergreifend geschlossen werden, um interoperable Plug & Play Lösungen zu ermöglichen. Das einwandfreie Zusammenspiel von Elektrofahrzeug und Ladesäule (und weiterer Komponenten) verschiedener Hersteller erhöht letztendlich die Kund:innen Akzeptanz. Eine Überarbeitung der Doppelbesteuerung ist zwar Aussicht, es braucht jedoch zeitnah zuverlässige Planungssicherheiten für die Akteure.