25.03.2024

Info & Excel-Tool: Was ist die VALERI-Norm (DIN EN 17463)?

“Investitionen in Energieeffizienz sind in der Regel weniger risikoreich als Investitionen in Produktionsmittel.“ Dennoch scheitern Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen häufig an den geforderten, zu kurzen Amortisationszeiten. Zur Ermittlung des tatsächlichen Mehrwerts einer energiebezogenen Investition und damit zur verbesserten Priorisierung dieser Projekte wurde die VALERI-Norm (Valuation of Energy Related Investments, DIN EN 17463) entwickelt. Diese Norm zur Bewertung energiebezogener Investitionen enthält ein auf der Kapitalwertmethode basierendes Verfahren zur Beurteilung und Berichterstattung der finanziellen und nichtfinanziellen Wirkungen einer energiebezogenen Investition.

Methoden der Wirtschaftlichkeitsberechnung

Die einfachsten Berechnungsmethoden zur Wirtschaftlichkeitsbewertung sind die sogenannten statischen Verfahren (siehe Abbildung 1). Dabei berechnet sich eine Investitionsentscheidung anhand durchschnittlicher Werte einer Periode. Statische Verfahren lassen sich schnell und mit einem vergleichsweise geringen Informationsbedarf anwenden und sind somit sinnvoll zur Berechnung von Näherungswerten oder bei Investitionen mit geringen Volumen.

Abbildung 1: Statische Berechnungsverfahren zur Wirtschaftlichkeitsberechnung

Die dynamischen Verfahren (siehe Abbildung 2) betrachten die gesamte Investitionslaufzeit bzw. -lebensdauer und berücksichtigen dabei die Zeitpunkte der auftretenden Ein- und Auszahlungen, den sogenannten Zeitwert des Geldes. Es gilt: Je weiter eine Zahlung in der Zukunft liegt und je höher der angesetzte Zinssatz ist, desto niedriger ist der heutige Wert dieser Zahlung. Bzw. andersherum: Eine heutige getätigte Zahlung ist mehr wert als eine Zahlung in gleicher Größenordnung in der Zukunft.

Abbildung 2: Dynamische Berechnungsverfahren zur Wirtschaftlichkeitsberechnung

Die Barwertformel ist die Grundlage der dynamischen Berechnungsverfahren:

 

Damit lässt sich der Barwert (BW) einer zukünftigen Ein- bzw. Auszahlung zum Zeitpunkt t unter Berücksichtigung des Kalkulationszinssatzes r berechnen. Der Barwert, auch Gegenwartswert genannt, gibt den heutigen Wert dieser zukünftigen Zahlung an. Die Zahlung wird auf den aktuellen Wert auf- bzw. abgezinst.

Kapitalwertmethode

Die Kapitalwertmethode gibt den heutigen (Mehr-) Wert einer Investition an und betrachtet dabei die gesamte Lebensdauer inklusive aller anfallenden Ein- und Auszahlungen einer Investition. Die einzelnen Ein- und Auszahlungen werden dabei unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, zu welchem sie anfallen, auf den heutigen Wert umgerechnet. Die Summe der Barwerte aller Zahlungen ergibt den Kapitalwert der Investition. Ist der Kapitalwert positiv, so bedeutet das, dass die Investition über ihre gesamte Lebensdauer betrachtet und auf den heutigen Wert bezogen einen Mehrwert generiert.

Beispiel: Eine Investition von 8.000 € zum Zeitpunkt t = 0 generiert über ihre Lebensdauer von 10 Jahren hinweg jährlich zusätzliche Erlöse von 2.000 €. Zinst man diese Zahlungen auf ihren heutigen Wert ab und summiert sie über die gesamte Lebensdauer hinweg auf, so ergibt sich ein Kapitalwert der Investition von 4.289 € (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Berechnungsbeispiel der Kapitalwertmethode.

Im Gegensatz zur häufig genutzten Amortisationszeit, welche eine Risikobewertung darstellt und angibt, wann das eingesetzte Kapital zurückgeflossen ist, gibt die Kapitalwertmethode Auskunft über die Rentabilität einer Investition. In der Praxis scheitern hochrentable Energieeffizienzmaßnahmen häufig an den geforderten, zu kurzen Amortisationszeiten. Die Nutzung des Kapitalwerts unter Berücksichtigung der gesamten Lebensdauer ist für diese Maßnahmen aussagekräftiger. Die unterschiedliche Betrachtungsweise wird anhand des obigen Berechnungsbeispiels in Abbildung 4 verdeutlicht.

Abbildung 4: Graphische Darstellung der Amortisationszeit und des Kapitalwerts des Berechnungsbeispiels.

VALERI-Norm

Auf Basis der Kapitalwertmethode erweitert die VALERI-Norm (DIN EN 17463, VALuation of Energy Related Investments) die Betrachtung unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien und Parametervariationen. Sie bildet damit bedeutende Unsicherheiten und Risiken ab. Ihr Hauptziel ist die Ermittlung des tatsächlichen Mehrwertes einer energiebezogenen Investition und damit die verbesserte Priorisierung dieser Projekte für die Umsetzung. Die Norm enthält ein Verfahren zur Beurteilung und Berichterstattung über sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Wirkungen einer Investition. Dieses Verfahren soll die Grundlage einer ganzheitlichen Entscheidungsfindung bilden.

Die Norm ist schrittweise in vier aufeinanderfolgenden Säulen aufgebaut (siehe Abbildung 5):

  • dem Aufbau des Modells,
  • der Berechnung,
  • der Auswertung und
  • der Berichterstattung.
Abbildung 5: Schrittweiser Aufbau der VALERI-Norm.

Aufbau des Modells (A): Zum Aufbau des Modells und Bildung der Grundlage für die folgenden Berechnungen geht die Norm wie folgt vor: Zunächst werden alle Nutzen und Lasten, die mit der betrachteten Investition verbunden sind, identifiziert (1). Dies soll in den drei Unterkategorien Energieflusswirkungen, zusätzliche finanzielle Effekte und sonstige Wirkungen passieren und alle Nutzen/Lasten auch über die offensichtlichen finanziellen Wirkungen hinaus betrachten. Diese werden im folgenden Schritt zunächst soweit wie möglich quantifiziert (2) und schließlich monetarisiert (3). Sollte eine Quantifizierung und/oder Monetarisierung nicht möglich sein, müssen die jeweiligen Nutzen und Lasten dennoch beschrieben, nach Relevanz gewichtet und bewertet werden. Schritt (4) bestimmt die Laufzeiten und Zeitpunkte der Ein- und Auszahlungen, sowie die zu berücksichtigende Zeitspanne. Anschließend werden mögliche Risiken berücksichtigt (5), beispielsweise durch Risikozuschläge und abschließend der Bezugszinssatz als gewichteter Zinssatz aus Eigen- und Fremdkapitalanteil bzw. Eigen- und Fremdkaptialzinssatz bestimmt (6).

Die eigentliche Berechnung (B) erfolgt anhand einer Berechnungstabelle, welche auch in der Berichterstattung abgebildet werden muss. Die Berechnungstabelle enthält alle in Schritt (A) getätigten Annahmen, sowie alle Ein- und Auszahlungen mit Zuordnung zu den Zeitpunkten, an denen Sie auftreten. Die Summen der Ein- und Auszahlungen jeder Periode (z. B. jedes Jahres) werden schließlich entsprechend der Kapitalwertmethode auf ihren heutigen (Bar-)Wert abgezinst. Die Summe über alle dieser Barwerte ergibt dann den Kapitalwert der Investition in ihrem wahrscheinlichsten Fall (7). Nach gleicher Berechnungslogik erfolgt die Sensitivitätsanalyse (8). Dabei werden Parameter mit bedeutender Unsicherheit (z. B. Energiepreisschwankung, Kalkulationszinssatz, …) identifiziert, jeweils einzeln in einem gewählten Unsicherheitsintervall um ihren wahrscheinlichsten Wert herum variiert und die Auswirkung auf den berechneten Kapitalwert betrachtet. Darauf aufbauend zeigt die Szenarioanalyse (9), wie extreme (aber dennoch realistische) Ergebnisse im Vergleich zum wahrscheinlichsten Fall aussehen. Dazu werden alle (relevanten) Einstellparameter gleichzeitig variiert, um ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario abzubilden. Die für diese beiden Fälle erhaltenen Kapitalwerte geben den best- und den schlechtmöglichsten Mehrwert der Investition wieder.

Die Ergebnisse aus Schritt (B) werden anschließend ausgewertet (C) (10). Ein positiver Kapitalwert gibt dabei an, dass die betrachtete Investition einen Mehrwert generiert, welcher über die beste Alternative bzw. den Kreditzins hinausgeht und somit vorteilhaft ist. Anhand der Sensitivitätsanalyse kann gezeigt werden, welche(r) Parameter besonders starken Einfluss auf den Kapitalwert ausübt, während die Szenarioanalyse ganzheitliche Szenarien betrachtet. Hervorzuheben ist hierbei, dass ein negativer Kapitalwert im Worst-Case-Szenario nicht automatisch eine Entscheidung gegen die Investition bedeutet. Durch die Einbeziehung und Abwägung nicht-finanzieller Wirkungen kann auch das damit gezeigte monetäre Risiko bewusst in Kauf genommen werden. Die nicht monetarisierbaren Wirkungen werden ebenfalls herangezogen, sollten mehrere alternative Investitionsmöglichkeiten ähnliche Kapitalwerte erzielen. In einem solchen Fall können diese zusätzliche Nutzen den Ausschlag zu einer der beiden Alternativen geben.

Die abschließende Berichterstattung (D) soll transparent und nachvollziehbar (11) ablaufen. Sie soll daher mindestens vier Punkte enthalten:

  • Eine Übersicht über die Quantifizierung, die Monetarisierung und die qualitative Beschreibung aller identifizierten Nutzen und Lasten (inkl. erwartete Preisschwankungen, Relevanz der Wirkungen),
  • die Beschreibung der Bestimmung des Kalkulationszinssatzes und der Berücksichtigung des Risikos,
  • die Kalkulationstabellen für das wahrscheinlichste, schlechteste und beste Szenario
    (inkl. Darstellung der Parametereinstellungen, Beschreibung der nicht monetarisierbaren (Aus-) Wirkungen), und
  • einen Vorschlag für die Entscheidung auf der Grundlage der Auswertung des Kapitalwerts, der Szenarioanalyse und der Bewertung der nicht monetarisierbaren Wirkungen.

Zusätzlich ist es möglich, die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse mit in den Bericht aufzunehmen. Abbildung 6 gibt einen Überblick über die beschriebenen Methoden.

Abbildung 6: Überblick über die Methoden der VALERI-Norm.

EnSimiMaV und EnEfG: Praktische Bedeutung der VALERI-Norm

Relevanz erhält die VALERI-Norm durch die Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über mittelfristig wirksame Maßnahmen (EnSimiMaV) und das Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz (EnEfG). Beide berufen sich auf die VALERI-Norm zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von energiebezogenen Investitionen.

Die EnSimiMaV ist bis Ende September 2024 in Kraft und verpflichtet alle Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtenergieverbrauch (GEV) von >10 GWh, „[…] alle konkret identifizierten und als wirtschaftlich durchführbar bewerteten Maßnahmen umzusetzen […]“. Als wirtschaftlich ist eine Maßnahme dann zu bezeichnen, wenn sie nach Berechnung mittels VALERI-Norm „[…] nach maximal 20 Prozent der Nutzungsdauer einen positive[n] Kapitalwert […]“ erreicht. Die Betrachtung ist dabei begrenzt auf einen Bewertungszeitraum von maximal 15 Jahren.

Das EnEfG betrifft neben öffentlichen Stellen und Rechenzentren auch ausgewählte Industrieunternehmen. Alle Unternehmen mit einem GEV von >7,5 GWh sind verpflichtet, ein Energie- oder Umweltmanagementsystem einzurichten und die identifizierten Maßnahmen mittels VALERI-Norm auf Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Bei einem GEV von >2,5 GWh sind Unternehmen verpflichtet, konkret durchführbare Umsetzungspläne zu erstellen, wenn Endenergieeinsparmaßnahmen nach VALERI-Berechnung wirtschaftlich sind. Nach EnEfG ist eine Maßnahme dann wirtschaftlich, wenn sie „[…] nach maximal 50 Prozent der Nutzungsdauer einen positive[n] Kapitalwert […]“ erreicht, ebenfalls begrenzt auf maximal 15 Jahre.

Zu betonen ist der Unterschied zwischen der VALERI-Norm, welche die Berechnungsmethodik i.d.R. für die gesamte Lebensdauer beschreibt, und den jeweiligen Verordnungen und Gesetzen, die teilweise den Betrachtungszeitraum begrenzen, wie z. B. im Fall der EnSimiMaV und des EnEfG auf maximal 15 Jahre.

VALERI-Tool der FfE

Die FfE stellt zur Berechnung nach der VALERI-Norm ein leicht zu bedienendes, regelmäßig aktualisiertes Excel-Tool (s.u.) zur Verfügung. Dieses kann am Ende dieses Beitrages heruntergeladen und genutzt werden. Es ist durch den:die Nutzer:in individuell anpassbar und berechnet den Kapitalwert anhand der vorgegebenen Methodik.

Für eine tiefere Analyse nutzt die FfE ein erweitertes Berechnungstool, welches beispielsweise anstelle pauschaler Energiepreissteigerungen wissenschaftlich bestimmte Preiszeitreihen hinterlegt und somit robustere Ergebnisse liefert. Das FfE-interne Tool ist nicht frei zugänglich. Bei Fragen dazu kommen Sie gerne auf uns zu!