FfE-Wärmetransformationstool

Das Python-basierte Stock-and-Flow-Modell „FfE-Wärmetransformationstool“ dient der Modellierung von Szenarien zur regionalisierten Entwicklung der Wärmeversorgung und der hiermit einhergehenden systemischen Effekte sowie der entstehenden Kosten für das betrachtete Gebiet. Eine unterjährige Simulation von Wärmenetzen mit unterschiedlichen Betriebsstrategien (wärmgeführt, kostenoptimiert und emissionsoptimiert) kann ebenfalls simuliert werden (Wärmenetz-Transformationstool). Mit den Ergebnissen des Tools können gezielte Maßnahmen abgeleitet werden, welche die Transformation hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung fördern. Darüber hinaus kann durch die Variabilität des Tools der Effekt von unterschiedlichen Annahmen zu Sanierungsraten und -tiefen sowie Heizsystemwechsel auf das Gesamtgebiet sichtbar gemacht werden. Das Tool arbeitet auf Gebäude- oder Flurstücksebene und die Ergebnisse können kartographisch (GIS-basiert) und differenziert aggregiert ausgegeben werden. Die Kernergebnisse des Modells sind u.a.

  • Wärmebereitstellung je Technologie
  • Endenergiebedarf
  • Treibhausgasemissionen
  • Fixe und variable Kosten und
  • Förderungen.

Aus diesen lassen sich beispielweise der Ausbau der Wärmenetze und die Verbreitung von Wärmepumpen direkt ableiten. Damit wiederrum können auch Rückwirkungen auf die Stromnetzbelastung identifiziert werden.

Hintergrund

Die klimaneutrale Bereitstellung von Wärme für den Gebäudesektor spielt eine elementare Rolle zum Erreichen der deutschen Klimaziele und der gesamten Transformation des Energiesystems. Der Wärmesektor (Raumwärme, Warmwasser, sonstige Prozesswärme, Klimakälte und sonstige Prozesskälte) macht mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschlands aus [1]. Gleichzeitig liegt der Anteil klimaneutraler Wärmequellen an der Erzeugung bei unter 20 % und ist dennoch in den letzten Jahren kaum angestiegen [2]. Dem steht das Ziel eines Anteils erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung von 50 % im Jahr 2030 gegenüber [3]. Daher ist die kurzfristige aber auch nachhaltig systemisch sinnvolle Steigerung des Anteils klimaneutraler Wärmequellen auf zentraler und dezentraler Ebene der Wärmeerzeugung notwendig. Um Städten und Stadtwerken ein Planungstool an die Hand zu geben, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Zukunftsstrategie Fernwärme“ und weiteren Praxisprojekten das FfE-Wärmetransformationstool entwickelt.

Das zum 01. Januar 2024 bundesweite in Kraft getretene Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung (FfE-Artikel zur kommunalen Wärmeplanung) gibt einen rechtlichen standardisierten Rahmen vor, um in den kommenden Jahren effiziente, nachhaltige und zukunftsorientierte Lösungen im Bereich der Wärmeversorgung zu fördern. Der kommunale Wärmeplan ist ein Grundpfeiler der Energiewende und somit entscheidend für das Erreichen der Klimaneutralität. Im Rahmen dieses Gesetzes werden auch die Modellierung eines Zielszenarios und diverse Kartendarstellungen gefordert. An diese Stelle tritt das FfE-Wärmetransformationstool. Eine geeignete und projektspezifische Parametrisierung ist hierbei unabdingbar.

Mit dem kommunalen Wärmeplan wird unter anderem ermittelt, welche Gebiete sich für die Versorgung mit neuen Wärmenetzen eignen und welche Gebiete voraussichtlich weiterhin mit eigenen Heizsystemen ausgestattet werden müssen. Der Wärmeplan ist damit ein wichtiges Werkzeug für alle Gebäudeeigentümerinnen und ‐eigentümer beim Umstieg auf eine nachhaltige Wärmeversorgung.

Hierbei ist es nicht Anspruch des FfE-Wärmetransformationstools, für jedes Gebäude eine abschließende Entscheidung über die Wärmeversorgungsart und bauteilweiser Sanierungsmaßnahmen zu geben. Dies ist Aufgabe einer Vor-Ort-Energieberatung. Vielmehr soll geprüft werden, welche Effekte resultieren, wenn die Wärmeversorgungsarten entsprechend der festgelegten regionalisierten Priorisierung angewendet werden.

Beispielergebnis einer Szenarienberechnung

Das Modell kann die Ergebnisse kartographisch oder wie In Abbildung 1 beispielsweise aggregiert in einem Graphen ausgeben. In Abbildung 1 sind zwei beispielhafte Szenarienpfade für die energetische Entwicklung der Wärmebereitstellung für dasselbe Gebiet gezeigt. Das Gebiet selbst besteht aus fast 70.000 einzelnen Flurstücken, die wiederrum in 56 Cluster eingeteilt wurden. Die Graphen aus Abbildung 1 zeigen die aggregierte Wärmebereitstellung in GWh pro Technologie je Jahr. Der Vergleich des links gezeigten Zielszenarios mit dem rechts gezeigten Trendszenario verdeutlicht, dass durch eine unterschiedle Festlegung der Umsetzungsparameter im Tool, wie die Sanierungsraten und -tiefen sowie die Heizsystemwechselraten, die Entwicklung und der Endzustand sich deutlich unterscheiden können. Ebenso können sämtliche Ergebnisse auch kartographisch visualisiert werden, wie in Abbildung 2 beispielhaft gezeigt ist.

Abbildung 1: Gegenüberstellung zweier Szenarien für die Transformation der Wärmeversorgung und unterschiedlichen Annahmen zur Energieeinsparungen.
GIS FfE-Wärmetransformationstools
Abbildung 2: Kartographische Visualisierung des spezifischen Wärmebedarfs im Ist-Zustand und im Zieljahr.

Wie funktioniert das FfE-Wärmetransformationstool?

Abbildung 3 zeigt den schematischen Aufbau des FfE-Wärmetransformationstools mit Einbezug der Input- und Outputdaten. Ergänzend ist in Abbildung 4 eine detaillierte schematische Ansicht der Hauptsimulation gezeigt. Das Tool verarbeitet die Inputdaten, die aus der Bestands- und Potenzialanalyse einer kommunalen Wärmeplanung aufbereitet wurden. Dazu berücksichtigt es die projektspezifische Einteilung des Gebietes in verschiedene Cluster. Mit dem auf Flurstück- oder Gebäudeebene aufbereitetem Datensatz wird dann in der Hauptsimulation pro Jahr innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne, zum Beispiel 2024 bis 2035 oder bis 2045 gerechnet. Dabei wird je Gebäude und Jahr aktualisiert, ob das derzeitige Heizsystem beibehalten, erneuert oder ausgetauscht wird. Darüber hinaus werden über Auswahllogiken die Gebäude identifiziert, die priorisiert für eine Sanierung in Frage kommen. Abschließend liegt ein umfassender Datensatz vor, bei dem für verschiedene Aggregationslevel automatisch die Entwicklung des Wärmebedarfs, der Endenergie, der Treibhausgasemissionen sowie Kosten und Förderungen ausgegeben werden.

Abbildung 3: Schematische Darstellung des FfE-Wärmetransformationstools mit Einbezug des Input und Output.

Im Zuge der Entwicklung des FfE-Wärmetransformationstools wurde reflektiert, das Modell auch als Optimierung aufzusetzen. Es wurde jedoch festgehalten, dass eine komplexe und rechenintensive Optimierung zum einen eine langsamere oder keine Bestimmung der Sensitivitäten von einzelnen Parametern ermöglicht und zum anderen so eine Scheingenauigkeit des optimalen Ergebnisses vorgetäuscht wird, welches potenziell nicht mit geeigneten Maßnahmen unterstützt werden kann. Daher wurde das FfE-Wärmetransformationstool nicht als Optimierung formuliert und konnte bereits aktiv in Workshops verwendet werden, um bereits durchgeführte Simulationen mit neuen Einstellungen von Parametern abzugleichen bzw. zu wiederholen. Dies war in der Diskussion sehr hilfreich und kann vor allem auch Diskussionsprozesse zur Relevanz einzelner Parameter verkürzen.

Hauptsimulation des FfE-Wärmetransformationstools
Abbildung 4: Schematische Darstellung der Logik der Hauptsimulation des FfE-Wärmetransformationstools. Der Durchlauf findet für alle Jahre statt und die Raten werden pro Denkmalschutz-Status, Gebäudetyp und Cluster vorgegeben.

Eine detaillierte Beschreibung der Simulationslogik und dessen Annahmen geben wir im Beitrag Kommunale Wärmeplanung Stuttgart. Weitere Beschreibungen zu den Herausforderungen der Modellerstellung und dessen Lösungsansätze, einen Ausblick zur Weiterentwicklung und aus der Modellierung gewonnene Erkenntnisse für die Wärmetransformation sind in dem veröffentlichen Abschlussbericht des Forschungsprojektes „Zukunftsstrategie Fernwärme“ dargelegt.

Erweiterung: Wärmenetz-Transformationstool

Wärmenetzen kommt in der Wärmewende eine entscheidende Rolle zu. Um diese näher zu analysieren, wurde eine Erweiterung des Modells vorgenommen, welche auch unabhängig in Form des „Wärmenetz-Transformationstools“ genutzt werden kann. Es dient dazu, den Effekt zweier Wärmenetz-Transformationsmaßnahmen (Absenkung von Wärmenetztemperaturen und prädiktive bzw. systemoptimierte Steuerung eines Wärmespeichers und des entsprechenden Erzeugerparks) auf einzelne Erzeuger, kombinierte Erzeuger sowie den Netzbetrieb zu vergleichen.

Abbildung 5 zeigt eine beispielhafte Gegenüberstellung verschiedener Durchläufe für das gleiche Wärmenetzgebiet. Das links dargestellte Ergebnis „ohne FW-Tool“ zeigt das Ergebnis der Berechnung für ein Wärmenetz, wenn ausschließlich das FfE-Wärmetransformationstool verwendet wird. Es ist zu sehen, dass der Endenergiebedarf nach Fernwärme nicht weiter auf die einzelnen zentralen Erzeugungsanlagen aufgeteilt ist. Die weiteren Ergebnisse entstammen der Analysen im Wärmenetz-Transformationsmodell für verschiedene Zusammensetzungen: Temperatur im Vorlauf von 95 °C bzw. nach Absenkung auf 75°C, mit entsprechender Reduktion der Rücklauftemperaturen sowie jeweils für eine wärmegeführte bzw. kostenoptimierte Steuerung des Systems. Zusammenfassend verdeutlicht diese Analyse, dass eine stundenscharfe Abbildung der Bereitstellung der Fernwärme von Nöten ist, um den Effekt einzelner Maßnahmen auf den Einsatz der Technologien sichtbar zu machen.

Ergebnis des Wärmenetz-Transformationstools
Abbildung 5: Gegenüberstellung der Endenergiebedarfe aus verschiedene Durchläufe eines Gebietes mit Unterscheidungen in der Wärmenetzsimulation

In der praktischen Anwendung

Das Modell kam bereits für die Erstellung des ENP in Köln sowie für die kommunale Wärmeplanung der Stadt Stuttgart zum Einsatz. Besonders im Rahmen der Modellierung für die Stadt Stuttgart wurde das Modell erweitert und für die Berechnung unterschiedlicher Szenarien angewendet.

Literatur

[1] Umweltbundesamt (2024): Energieverbrauch für fossile und erneuerbare Wärme https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-fuer-fossile-erneuerbare-waerme (abgerufen am 04.01.2024)

[2] Umweltbundesamt (2023), Fachgebiet V 1.8 – Geschäftsstelle der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE- Stat): Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland – unter Verwendung von Daten der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (AGEE-Stat). Dessau-Roßlau: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

[3] Wissenschaftliche Dienste 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung und Landwirtschaft (2023), Sachstand: Die Wärmewende in Deutschland – Bedeutung, Ziele und Umsetzbarkeit. WD 5 – 3000 – 010/23 Berlin. Deutscher Bundestag