20.02.2023

Wie ist grüner Wasserstoff laut dem Delegated Act der EU definiert?

Der Delegierte Rechtsakt (engl. delegated act, DA) zur Definition von grünem Wasserstoff der Renewable Energy Directive (RED) beschreibt, welche Kriterien elektrischer Strom erfüllen muss, damit aus ihm hergestellter Wasserstoff rechtlich als erneuerbar bezeichnet werden kann. Nach einer kurzen Einordnung des DA in die europäische Klima-Gesetzgebung fassen wir hier die möglichen Strombezugsoptionen zusammen.

Lang erwartete Richtlinie zu grünem Wasserstoff

Die RED gibt auf europäischer Ebene Ziele zur Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor vor [1]. Zur Erfüllung dieser Ziele werden mehrere alternative Antriebsarten genannt. Neben Biokraftstoffen und direkter Stromnutzung in Elektroautos zählen dazu auch aus erneuerbarem Strom hergestellte synthetische Kraftstoffe, sogenannte RFNBOs (Renewable Fuels of Non-Biological Origin).

Auch Wasserstoff fällt, wenn er mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellt wird, in diese Kategorie. Die Kriterien, unter denen Strom für diesen Zweck als erneuerbar gilt, wurden jedoch nicht direkt in der letzten Fassung der RED II im Jahr 2018 festgeschrieben, sondern werden in einem Delegierten Rechtsakt durch die EU-Kommission definiert.

Die Veröffentlichung eines ersten Vorschlags, an die sich eine öffentliche Konsultation anschloss, erfolgte im Sommer 2022 [2]. Im Zuge der Revision der RED legte im September 2022 auch das EU-Parlament einen Vorschlag vor [3].

Nun, am 13.02.2023, hat die EU-Kommission die beabsichtigte finale Version des DA veröffentlicht. Nach der noch ausstehenden (Stand 16.02.2023) Zustimmung von EU-Parlament und Rat der EU wäre dann die Definition von grünem Wasserstoff in geltendes Recht gegossen [4].

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Abbildung 1: Übersicht über die Strombezugsoptionen für die Herstellung von grünem Wasserstoff

Vier Optionen für vollständig erneuerbaren Strom

Der DA beschreibt vier Arten des Strombezugs für die „vollständig erneuerbare“ Herstellung von grünem Wasserstoff:

  1. Direktbezug von Strom aus einer Erneuerbaren Energie (EE) Anlage: Strom, der aus einer EE-Anlage ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes an den Elektrolyseur geleitet wird, zählt als vollständig erneuerbar. Ein Anschluss von Elektrolyseur und EE-Anlage an das Stromnetz ist zwar möglich, muss aber über ein Smart Metering System erfolgen, damit der Strombezug nachvollzogen werden kann. Ab dem 01.01.2028 muss die EE-Anlage zudem die Bedingung der Zusätzlichkeit erfüllen, also extra für den Elektrolyseur-Betrieb gebaut werden (s.u.). Dies soll vermeiden, dass bereits vorhandene EE-Kapazität für die Produktion von Wasserstoff aufgebraucht wird und fossile Kraftwerke dadurch mittelbar stärker für die Strombereitstellung gefordert werden.
  2. Bezug von Netzstrom in einer Gebotszone mit mehr als 90% EE-Anteil: In Ländern oder Regionen, in denen bereits ein Großteil des Strommixes aus erneuerbaren Quellen stammt, darf dieser ohne weitere Einschränkungen zur Produktion von erneuerbarem Wasserstoff verwendet werden. Dabei reicht es aus, wenn der EE-Anteil in der Gebotszone die 90%-Schwelle in einem der letzten fünf Kalenderjahre überschritten hat. Jedoch darf der Elektrolyseur eine maximale Anzahl von Betriebsstunden, welche sich aus Multiplikation des EE-Anteils im Strommix mit der Anzahl der Stunden im Jahr ergibt, nicht überschreiten.
  3. Bezug von EE-Strom über ein Power Purchase Agreement (PPA): Hierbei wird ein Vertrag zwischen EE-Betreiber (oder einem Aggregator) und dem Wasserstoff-Hersteller abgeschlossen, der die Lieferung des produzierten Stroms über das öffentliche Netz an den Elektrolyseur regelt. Damit der produzierte Wasserstoff als erneuerbar gilt, müssen die Prinzipien der Gleichzeitigkeit und des räumlichen Zusammenhangs erfüllt sein: Für die Gleichzeitigkeit muss der Strom vom Elektrolyseur in der gleichen Stunde verbraucht werden, wie er eingespeist wurde (bis 31.12.2029: gleicher Monat), oder in einer Stunde mit Day-Ahead-Strompreis unterhalb einer bestimmten Schwelle (geringer als 20€/MWh oder 0,36*Preis pro Tonne CO2 für eine MWh). Das Kriterium des räumlichen Zusammenhangs erfordert, dass die EE-Anlage sich in der gleichen Gebotszone wie der Elektrolyseur befindet, oder in einer angrenzenden Zone mit höherem Strompreis oder einer Offshore-Gebotszone. Weiterhin ist auch für den PPA-Bezug, wie im Fall des Direktbezugs, das Prinzip der Zusätzlichkeit erforderlich, es sei denn, die Emissionen des Netzstroms liegen bei unter 18g CO2 CO­­2e je MJ bzw. 64,8 g CO­­2e je kWh.
  4. Stromverbrauch, der das ein Herunterfahren einer EE-Anlage im Zuge einer Redispatch-Maßnahme vermeidet: Wenn die aktuelle Situation am Strommarkt die Übertragungskapazität des Stromnetzes überlastet, kann der Netzbetreiber eine Redispatch- oder Engpassmanagement-Maßnahme anordnen. Dabei wird vor dem Netzengpass ein Kraftwerk heruntergeregelt, wohingegen ein anderes Kraftwerk hinter dem Netzengpass eine höhere Leistung aufbringen muss. Falls dafür eine EE-Anlage heruntergeregelt werden würde, kann die entsprechende Menge Strom stattdessen von einem Elektrolyseur verbraucht werden, und zählt für die Herstellung von RFNBOs als vollständig erneuerbar. Dies soll für die bestmögliche Ausnutzung der bestehenden EE-Kapazität sorgen.

Im Sinne der Zusätzlichkeit dürfen – nach einer Übergangsphase- bis zum 01.01.2028 EE-Anlagen, deren Strom über Direktleitung oder PPA verwendet wird, nicht länger als drei Jahre vor dem Elektrolyseur in Betrieb genommen worden sein, ein Zeitraum, der Unsicherheiten im Planungs- und Genehmigungsprozess von Elektrolyseuren Rechnung tragen soll. Darüber hinaus dürfen sie keine staatlichen Subventionen für Bau oder Betrieb erhalten haben, es sei denn, es fand seit dem Subventionsbezug ein Repowering der EE-Anlage statt. Elektrolysekapazität, die weniger als drei Jahre nach Inbetriebnahme zu einem Elektrolyseurstandort hinzugefügt wird, gilt für diese Zwecke als gleichzeitig mit dem Standort in Betrieb gegangen.

Zusätzlich zu den oben beschriebenen Varianten ist es möglich, Wasserstoff aus Netzstrom zu erzeugen. In diesem Fall gilt der Strom anteilig mit dem EE-Anteil im Strommix als erneuerbar. Auch die Kombination von mehreren Bezugsoptionen ist möglich, was ebenfalls eine anteilige Bilanzierung zur Folge hat.

Eine graphische Übersicht über die Optionen und die daran geknüpften Bedingungen sind in Abbildung 1 aufgeführt.