16.10.2023

Netzintegration dezentraler Flexibilitätsoptionen mit Fokus auf ausgewählte Anwendungsfälle für bidirektionale Elektrofahrzeuge

Kurzfassung:

Die Energiewende und die Elektrifizierung des Wärme- und Mobilitätssektors sind zentrale Maßnahmen zur Erreichung der CO2-Reduktionsziele. Bis zum Jahr 2030 sollen nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung in Deutschland 15 Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen werden. Diese bieten mit ihren großen Speicherkapazitäten und hohen Ladeleistungen im Vergleich zu anderen Verbrauchern in der Niederspannungsebene ein großes Flexibilitätspotenzial. Diese Flexibilität steigt durch die Möglichkeit des gezielten Entladens (bidirektionales Laden) weiter an und kann in unterschiedlichen Anwendungsfällen (Use Cases) genutzt werden. Neben der Optimierung der Energiekosten durch Zwischenspeicherung von selbsterzeugter PV-Energie oder durch Verlagerung des Strombezugs aus dem öffentlichen Netz in Zeiten mit geringen Strompreisen kann die Flexibilität auch an den Strommärkten durch Handelsgeschäfte monetarisiert werden. Zudem kann die Flexibilität zur Vermeidung von Netzengpässen eingesetzt werden.

Zur Bewertung der durch die unterschiedlichen Use Cases resultierenden Anforderungen an die Stromnetze werden über 1.200 reale Niederspannungsnetze verwendet. Diese werden ausgehend von der heutigen Belastung mit räumlich hochaufgelösten Szenarien für die Entwicklung der Flexibilitätsoptionen bis zum Jahr 2050 verknüpft. Als Grundlage für das Energiesystemmodell für Verteilnetze GridSim werden konsistente aktivitätsabhängige Lastgänge für Haushaltsverbräuche, Mobilitäts- und Warmwasserbedarfe erstellt. Zudem wird GridSim um ein lineares Optimierungsmodell erweitert, das den Flexibilitätseinsatz auf Gebäudeebene je nach Use Case mit oder ohne Berücksichtigung der Netzauslastung bestimmt.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Anforderungen an die Stromnetze zunehmen und bei bedarfsorientiertem Einsatz der Flexibilitätsoptionen in 43 % der Netze bis zum Jahr 2040 Ausbaubedarf entsteht. Dieser wird nahezu vollständig durch die zusätzlichen Verbraucher verursacht, woran auch Wärmepumpen einen maßgeblichen Anteil haben, da diese im Winter über lange Zeiträume hohe Gleichzeitigkeiten aufweisen. Die Nutzung der Flexibilität in den unterschiedlichen Use Cases hat große Auswirkungen auf die resultierende Netzbelastung. Lokale Optimierungen (PV-Eigenverbrauchserhöhung und Spitzenlastkappung) senken jedoch den Netzausbaubedarf nur gering (2 %). Marktliche Optimierungen hingegen erhöhen die Ladegleichzeitigkeiten von 20 – 30 % auf 90 % und es entsteht in 71 % der Netze Ausbaubedarf (+66 %). Eine realistische Durchmischung der Use Cases verursacht in 41 % der Netze leicht geringere Ausbaubedarfe als der rein bedarfs-
orientierte Betrieb. Zusätzliche netzdienliche Anreize, wie variable Netzentgelte, reduzieren den Ausbaubedarf um 9 % auf 37 % der Netzgebiete. Durch kuratives Netzengpassmanagement (Modell der Spitzenglättung) kann im realistischen Szenario in 21 % der Netze der Ausbaubedarf vermieden werden. Der Netzausbau kann jedoch meist nicht ersetzt,sondern nur zeitlich verzögert werden. Die Ursachen sind überwiegend Transformatorüberlastungen und zu niedrige Spannungen an Hausanschlüssen.

Im Rahmen dieser Arbeit wird gezeigt, dass die Flexibilität im Verteilnetz zukünftig stark ansteigt und die Art und Weise der Nutzung großen Einfluss auf die Netzbelastung hat.

Hier geht es zur Dissertation!

Die Dissertation von Mathias Müller wurde am 15.11.2023 mit dem Hochschulpreis des Solarenergiefördervereins Bayern ausgezeichnet!

Wir gratulieren!

Dr.-Ing. Mathias Müller nimmt den Hochschulpreis des Solarenergiefördervereins Bayern für seine Dissertation entgegen
  • Dr.-Ing. Mathias Müller
    Ehemaliger Leiter Verteilnetze und Elektromobilität