20.01.2023

Europäische Day-Ahead-Strompreise im Jahr 2022

  • Die durchschnittlichen europäischen Day-Ahead-Strompreise waren im Jahr 2022 mit 235 €/MWh mehr als doppelt so hoch wie in 2021
  • Am stärksten stiegen die Preise in Italien, am wenigsten in Skandinavien, Polen und auf der Iberischen Halbinsel
  • Die Strompreisvolatilität war 2022 im Durchschnitt sechsmal höher als 2020 und hat sich gegenüber 2021 mehr als verdoppelt
  • Die hohe Preisvolatilität reizt die Integration flexibler Anlagen an: Ein bidirektionales Elektrofahrzeug hätte im Jahr 2022 durch den Handel an den Spotmärkten in Deutschland 3.000 € erwirtschaften können

Die Strompreise an den Strombörsen sind im Jahr 2022 in allen europäischen Ländern stark gestiegen. Das durchschnittliche europäische Preisniveau (lastgewichteter Jahresbasispreis der untersuchten Länder) hat sich 2022 gegenüber 2020 auf ca. 235 €/MWh versiebenfacht. Selbst im Vergleich zu 2021, das zum Jahresende bereits ein sehr hohes Strompreisniveau aufwies, hat sich der Preis mehr als verdoppelt. Abbildung 1 vergleicht die Entwicklung des durchschnittlichen jährlichen Strompreises (Basispreis) von 2019 bis 2022 für 24 europäische Länder.

Abbildung 1: Durchschnittliche Day-Ahead-Strompreise in 24 europäischen Ländern für die Jahre 2019 bis 2022 basierend auf Daten von entso-e [2]

Die analysierten Länder umfassen alle europäischen Länder, für die auf der entso-e-Transparenzplattform entsprechende Daten verfügbar sind. Es wird deutlich, dass es länderspezifische Unterschiede in der Preisentwicklung gibt, auch wenn die Preise in allen Ländern stark angestiegen sind. Italien weist den höchsten Strompreis auf. Grund dafür ist die enge Kopplung des Strompreises zum Erdgaspreis, der im Rahmen der Energiepreiskrise im Zuge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine stark angestiegen ist (siehe FfE-Energiepreisgrafiken). Da die italienische Stromerzeugung stark von Gaskraftwerken geprägt ist, stieg auch der Strompreis dort deutlich an. Im Gegensatz dazu basiert die Stromerzeugung in Polen vor allem auf Kohlekraftwerken, so dass der starke Anstieg der Gaspreise hier weniger Einfluss hatte. Zwar stiegen 2022 auch die Kohlepreise und damit auch der Strompreis in Polen gegenüber den Vorjahren an, doch war der Preisanstieg deutlich geringer als in anderen europäischen Ländern. Neben Polen weisen Skandinavien, Portugal und Spanien die niedrigsten Strompreise im Jahr 2022 auf. In Skandinavien ist dies auf die billigere Stromproduktion, insbesondere aus Wasserkraftwerken, zurückzuführen. Spanien und Portugal haben die umstrittene, aber von der EU genehmigte Maßnahme eingeführt, den Preis des für die Stromerzeugung verwendeten Erdgases (durch Subventionierung der für die Stromerzeugung verwendeten Erdgasmengen) und damit indirekt auch den Strompreis ab Mitte 2022 zu deckeln. In der zweiten Jahreshälfte wurde der Preis für den Brennstoff Erdgas auf 40 €/MWh gedeckelt, was auch zu einem deutlich niedrigeren Strompreisniveau als im übrigen Kontinentaleuropa führte. Unser bereits veröffentlichter Artikel vom September 2022 fasst die Vor- und Nachteile dieser Maßnahme zusammen.

Ähnlich wie die gestiegenen absoluten Preisniveaus hat auch die Preisvolatilität in allen untersuchten europäischen Ländern stark zugenommen. Abbildung 2 veranschaulicht dies, indem sie die mittlere tägliche Standardabweichung des Strompreises pro Land für die Jahre 2019 bis 2022 zeigt. Im Vergleich zu 2020 hat sich die mittlere tägliche Standardabweichung im Jahr 2022 im europäischen Durchschnitt versechsfacht. Spanien und Portugal weisen die geringste Preisvolatilität auf, ebenso wie Norwegen, was wiederum auf die zuvor diskutierten Gaspreisobergrenzen bzw. die Wasserkrafterzeugung zurückzuführen ist. Italien weist im europäischen Vergleich eine mittlere Preisvolatilität auf, was in Kombination mit den zuvor diskutierten Preisniveaus auf ein konstant sehr hohes Strompreisniveau schließen lässt. Gaskraftwerke haben hier einen hohen Anteil an der Stromerzeugung und bestimmen oft den Strompreis. Die höchsten Preisschwankungen treten in kleineren Marktgebieten (baltische Staaten und Rumänien) auf, deren Anbindungen an das größere europäische Verbundnetz durch begrenzte Übertragungskapazitäten limitiert ist.

Abbildung 2: Tägliche Standardabweichungen des Day-Ahead-Strompreises in €/MWh in 24 Europäischen Löndern für die Jahre 2019 bis 2022 basierend auf die Daten der entso-e [2]

Die höhere Preisvolatilität reizt eindeutig die Integration von flexiblen Anlagen. In einer bereits veröffentlichten Studie wurden die Erlöspotenziale von bidirektionalen Elektrofahrzeugen an den deutschen Spotmärkten aufgezeigt. Die modellierten Erlöse ergeben sich aus den Stromkosten des optimierten bidirektionalen Ladens (Laden und Entladen des Stroms) abzüglich der Stromkosten von ungesteuert ladenden Elektrofahrzeugen. Ein bidirektionales Elektrofahrzeug (60 kWh Batteriekapazität, 11 kW Lade-/Entladeleistung) könnte bei kombinierter Vermarktung auf dem Day-Ahead- und Intraday-Markt in Deutschland und angenommener Befreiung von Abgaben und Umlagen auf zwischengespeicherte Energie die Erlöse von rund 1.000 €/a im Jahr 2021 auf über 3.000 €/a im Jahr 2022 steigern.

Die für die hier vorgestellten Analysen verwendeten Daten haben wir unter dem folgenden Link veröffentlicht. Die Daten beinhalten die Strompreisniveaus mit den Minimal- und Maximalpreisen sowie die Anzahl der negativen Preise der untersuchten Länder für die Jahre 2019 bis 2022. Außerdem wird die Strompreisvolatilität durch die jährliche Standardabweichung und die durchschnittliche tägliche Standardabweichung pro Land dargestellt.

Hier finden Sie die Datei European Price Data zum Download.

Eine detaillierte Analyse der deutschen Day-Ahead- und Intraday-Strompreise finden Sie hier.