20.01.2023

Deutsche Strompreise im Jahr 2022 an der Börse EPEX Spot

  • Deutscher Base Strompreis verdoppelt sich im Jahr 2022 gegenüber 2021 auf 235 €/MWh
  • Strompreisniveau am Day-Ahead-Markt stark geprägt durch den aktuellen Gaspreis
  • Energiepreiskrise bewirkt neben sehr hohem Strompreisniveau auch starken Anstieg der Preisvolatilität
  • Ein bidirektionales Elektrofahrzeug hätte durch den Handel am Strommarkt 3.000 € im Jahr 2022 verdienen können

Deutscher Base Strompreis steigt auf 235 €/MWh im Jahr 2022 

Das deutsche Strompreisniveau im Jahr 2022 hat sich gegenüber 2021 noch einmal um mehr als das Doppelte gesteigert, nachdem sich die Preise schon im Jahr 2021 gegenüber 2020 verdreifacht hatten. Dies resultierte in einem durchschnittlichen 2022er Preis der Grundlast (Base Preis) von 235 €/MWh. Die Preise der Spitzenlast (Peak load; durchschnittlicher Preis an den Werktagen Montag bis Freitag von 8 – 20 Uhr) und der Schwachlast (Offpeak load; durchschnittlicher Preis aller Stunden, die nicht im Peak sind) stiegen analog an. Der Preis für die Spitzenlast lag damit bei 267 €/MWh und der Preis der Schwachlast bei 218 €/MWh. Abbildung 1 stellt die Entwicklung der Strompreise für Base, Peak und Offpeak für die Jahre 2017 bis 2022 dar. Das Verhältnis von Peak zu Base liegt bei 1,1 bis 1,2 und hat sich in den letzten Jahren dabei nicht wesentlich verändert.

Abbildung 1: Entwicklung des Base-, Peak- und Offpeak-Preises am deutschen Day-Ahead-Markt der letzten sechs Jahre basierend auf Daten der EPEX Spot [1]

Der starke Anstieg der Strompreise, der schon im 4. Quartal 2021 begann, ist im Jahr 2022 durch politische Einflussfaktoren noch einmal deutlich verschärft worden. Abbildung 2 stellt hierzu die Brennstoffpreise und CO2-Preise für das Jahr 2022 im Vergleich zum täglichen Base-Strompreis am Day-Ahead-Markt dar. Genau wie im 4. Quartal 2021 erklärt sich der Strompreisanstieg im Jahr 2022 durch den Anstieg des Gaspreises, da Gaskraftwerke im Strommarkt oft preissetzend sind. Im Jahr 2021 war der Gaspreisanstieg auf den hohen globalen Gasbedarf aufgrund von Corona-Nachholeffekten, verminderte russische Liefermengen sowie geringe Gasspeicherfüllstände zurückzuführen (siehe Analyse der Strompreise 2021).

Die Problematiken der verminderten Liefermengen und der geringen Gasspeicherfüllstände spitzten sich im Jahr 2022 zu, nachdem Russland seine Invasion in die Ukraine startete. So kam es am 05.03. zu einem ersten Peak des Gaspreises bei 220 €/MWh. Gegenüber dem mittleren Preis der Jahre 2019 – 2021 von gut 24 €/MWh ist dies fast eine Verzehnfachung des Preises. In den folgenden Monaten wurden insbesondere ab Juni 2022 Lieferungen russischen Gases vielfach gedrosselt und letztlich Anfang September 2022 vollständig eingestellt. Daraus resultierte ein Gaspreispeak von 316 €/MWh am deutschen Day-Ahead-Markt, was auch zu den höchsten Strompreisen des Jahres führte. Die geringen Gasspeicherfüllstände sorgten dabei im ersten Halbjahr 2022 für eine zusätzliche Unsicherheit. Im zweiten Halbjahr konnten sich die Gasspeicherfüllstände aber aufgrund von Einsparmaßnahmen und mildem Wetter erholen. Mitte November 2022 wurde so ein Füllstand von 100 % erreicht, so dass die Zielwerte der deutschen Bundesregierung sogar übertroffen werden konnten.

Abbildung 2: Brennstoffpreise und CO2-Preis im Jahr 2022 im Vergleich zum täglichen Base-Strompreis am Day-Ahead-Markt basierend auf Marktdaten aus [1], [2], [3], [4] und [5]

Die Kopplung von kurzfristig gehandeltem Strom- und Gaspreis lässt sich aus Abbildung 2 vermuten, aber nicht direkt nachweisen, da die Grenzkosten von Gaskraftwerken sich aus Brennstoffkosten und CO2-Kosten zusammensetzen, die wiederum auf der jeweiligen Effizienz der Gaskraftwerke basieren. Abbildung 3 zeigt hierzu für einen typischen Wirkungsgradbereich von 40-60 % von Gaskraftwerken deren tägliche Grenzkosten im Jahr 2022 im Vergleich zum Strompreis auf. Ergänzt sind in der Abbildung zusätzlich die Grenzkosten von Steinkohlekraftwerken. Die Abhängigkeit des Strompreises vom Gaspreis wird in dieser Abbildung noch stärker ersichtlich. Der Strompreis liegt nicht zu jedem Zeitpunkt im Bereich der Grenzkosten von Gaskraftwerken, da auch andere Technologien zeitweilig preissetzend sind. Insbesondere der Einfluss von Wind- und PV-Energie, die mit sehr geringen oder sogar negativen Preisen am Markt anbieten, nimmt hier zu. So stellte sich beispielsweise Ende Dezember bei starker Windenergieeinspeisung und geringer Last ein mittlerer täglicher Strompreis am Day-Ahead-Markt ein, der deutlich unter den Grenzkosten von Gaskraftwerken lag.

Abbildung 3: Aus Brennstoffpreisen und CO2-Preis resultierende Grenzkosten-Bereiche von Gaskraftwerken (Wirkungsgrad 40-60%) und Steinkohlekraftwerken (Wirkungsgrad 35-45%) im Vergleich zum täglichen Base-Strompreis in 2022

Für eine detaillierte Analyse der Charakteristik des Strompreises bildet Abbildung 4 die stündlichen (Day-Ahead-Markt) bzw. viertelstündlichen (kontinuierlicher Intraday-Handel) Strompreise des Jahres 2022 ab. Das regelmäßige tägliche und wöchentliche Profil der Strompreise, das in den letzten Jahren beobachtet werden konnte (2019, 2020 und 2021), ist auch im Jahr 2022 noch erkennbar, wobei das politisch beeinflusste, schwankende Strompreisniveau über das Jahr deutlich prägnanter auffällt. Auch in den Monaten Juli und August mit den höchsten Strompreisen konnten aber geringe und teils auch negative Strompreise zur Mittagszeit beobachtet werden, was auch hier den positiven, preisdämpfenden Einfluss der PV-Energie herausstellt. Im Vergleich zu der oft hohen Anzahl an negativen Preisen in den vergangenen Jahren gab es im Jahr 2022 nur 69 Stunden mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt. In diesen Stunden war der mittlere negative Preis mit -2 €/MWh betragsmäßig deutlich geringer als in den Vorjahren, in denen er um die -15 €/MWh lag. Dies spricht für weniger Erzeugungsanlagen, die tief negative Preise in Kauf nehmen, wie in einem vorherigen Beitrag bereits diskutiert.

Abbildung 4: Strompreise am Day-Ahead-Markt und im kontinuierlichen Intraday-Handel im Jahr 2022 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Auswirkung des Strompreisniveaus auf Preisspreads und damit Erlöspotenziale von Flexibilitäten

Da die Strompreisschwankungen aufgrund des höheren Strompreisniveaus im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich größer sind, stellt sich die Frage, wie sich die Spreads und damit die Erlösmöglichkeiten von Flexibilitäten im Jahr 2022 entwickelt haben. Tabelle 1 zeigt hierzu den maximalen stündlichen und täglichen Preisspread sowie die innerstündliche und innertägliche Standardabweichung der Strompreise am Day-Ahead- und am Intraday-Markt für das Jahr 2022 im Vergleich zu den vorherigen Jahren auf. Die mittleren Standardabweichungen werden berechnet durch die Berechnung des jährlichen Mittelwerts der Standardabweichungen des Strompreises je Tag bzw. Stunde. Sowohl der maximale Preisspread als auch die mittleren Standardabweichungen der Strompreise als Maß der Volatilität stiegen im Jahr 2022 um auf mehr als das Doppelte der Werte von 2021. Der Handel am Strommarkt war im Jahr 2022 dadurch für Flexibilitäten sehr attraktiv, was z.B. in einer zunehmenden Anzahl an Großbatteriespeicherprojekten und dem Bestreben des bidirektionalen Ladens von Elektrofahrzeugen resultiert ist.

In einer vorhergehenden Veröffentlichung [6] diskutierten wir bereits die Erlöspotenziale bidirektionaler Elektrofahrzeuge am Strommarkt. In darauf aufbauenden Simulationen wurden dabei für ein bidirektionales Elektrofahrzeug (60 kWh Batteriekapazität, 11 kW Lade-/Entladeleistung), im Jahr 2021 Erlöspotenziale von 1.000 €/MWh herausgestellt. Parametriert hierfür wurde eine Befreiung des Fahrzeuges von Abgaben und Umlagen auf zwischengespeicherten Strom. Die Erlöspotenziale beziehen sich dabei auf die Differenz gegenüber dem Referenzfall des Direktladens mit einer kombinierten Vermarktung an Day-Ahead und Intraday-Markt. Diese Erlöspotenziale konnten im Jahr 2022 noch einmal verdreifacht werden auf 3.000 €/MWh, was den Anwendungsfall „Handel am Strommarkt“ für bidirektionale Fahrzeuge stark anreizen sollte.

Jahr Day-Ahead-Markt
(stündlich)
Intraday-Auktion
(viertelstündlich)
Viertelstündlicher kontinuierlicher Intraday-Handel
(mittlerer Preis)
  täglich täglich stündlich täglich stündlich
Maximaler Preisspread
in €/MWh
(gemittelt über das Jahr)
2022 187,0 292,7 81,6 322,4 71,3
2021 80,3 138,2 37,4 143,5 33,8
2020 32,5 70,0 20,2 79,1 18,0
2019 30,1 53,3 16,3 62,7 14,3
2018 32,2 58,8 17,5 68,2 16,1
 
Standardabweichung
in €/MWh
(gemittelt über das Jahr)
2022 57,3 67,2 35,9 69,2 31,5
2021 24,5 29,7 16,4 30,1 14,8
2020 9,4 13,8 8,9 14,9 8,0
2019 9,0 11,7 7,2 13,0 6,4
2018 9,8 12,9 7,7 14,1 7,2

Tabelle 1: Analyse des Preisspreads und der Standardabweichung der Strompreise an den deutschen Spotmärkten in den Jahren 2018 bis 2022 nach Daten der EPEX SPOT [1]

Eine Analyse der europäischen Day-Ahead-Preise kann an dieser Stelle gefunden werden.

Weitere Informationen

 

Literatur

[1] EPEX SPOT. 2022. “Market data“, https://www.epexspot.com/en/market-data

[2] EEX European Energy Exchange. 2022. „Spot market data – THE“, https://www.eex.com/en/market-data/natural-gas/spot

[3]   ICE. 2022. „API2 Rotterdam Coal Futures Feb23“, https://www.theice.com/products/243/API2-Rotterdam-Coal-Futures/data?marketId=5467846

[4]   OPEC Organisation erdölexportierender Länder. 2022. „OPEC Basket Price“, https://www.opec.org/opec_web/en/data_graphs/40.htm

[5]   EEX European Energy Exchange. 2022. “EU CO2 Emission Allowances 2023”, https://www.eex.com/en/market-data/environmentals/futures

[6] Kern, Timo; Dossow, Patrick; von Roon, Serafin. 2020. „Integrating Bidirectionally Chargeable Electric Vehicles into the Electricity Markets“ Energies 13, no. 21: 5812, https://www.mdpi.com/1996-1073/13/21/5812/htm