26.01.2023

Beitragsreihe Use-Case- und Geschäftsmodellentwicklung an der FfE: Erfahrungen und Learnings in der Use-Case-Entwicklung

Das Standardvorgehen in vielen Forschungsprojekten ist es, zu Projektbeginn mit allen Projektpartnern gemeinsam das Vorhaben in sogenannten Use Cases festzuhalten. Diese werden über mehrere Workshops und Diskussionsrunden hinweg entwickelt. Doch warum ist dieser sehr methodische Prozess für die Projektarbeit so wichtig, wo doch in Umsetzungsprojekten alle Partner möglichst schnell in die technische Entwicklung und Feldversuch-Planung starten wollen? Warum ist die Erarbeitung von Use Cases so zentral? Wie können Use Cases zur Geschäftsmodellentwicklung beitragen? Und was ist ein Use Case überhaupt? Diese und weitere Fragen werden in der fünfteiligen Beitragsreihe zur Use-Case- und Geschäftsmodellentwicklung an der FfE beantwortet.

Der dritte Teil der Beitragsreihe zur Use-Case- und Geschäftsmodellentwicklung beschreibt die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren mit der Use-Case-Methodik in der realen Anwendung in großen Umsetzungsprojekten gemacht haben. Wie gut lässt sich der akademische Ansatz der Methodik wirklich in der Praxis umsetzen? Was funktioniert gut und wo muss die Methodik flexibel angepasst werden?

Chronologische Weiterentwicklung der Use-Case-Methodik

An der FfE hat in den vergangenen Jahren ein Entwicklungsprozess stattgefunden, aus dem der heutige Stand der Use-Case-Methodik entstanden ist. Ausgangspunkt für die Use-Case-Methodik war das Projekt „C/sells“, in dem nicht nur erstmalig die Use-Case-Entwicklung Bestandteil des Forschungsrahmens war, sondern auch die methodischen Schritte wissenschaftlich aufbereitet wurden (siehe Teil 2 der Beitragsreihe). Mit Anwendung der zunächst entwickelten ersten Version der Use-Case-Methodik hat sich im Projektverlauf der große Mehrwert der Methodik gezeigt. Dieser liegt nicht in den vielen einzelnen wissenschaftlichen Schritten der Use-Case-Entwicklung, sondern im grundlegend klar strukturierten, festgelegten Vorgehen, das zum Projektstart Struktur und Planungssicherheit bringt. Ineffiziente und häufig zeitintensive Diskussionen über Untersuchungsfokus und Umsetzungsrahmen im weiteren Projektfortschritt werden so minimiert oder sogar vermieden. Die kleinschrittigen, aufwendigen und teils stark theoretischen Vorgaben der ersten Version der Use-Case-Methodik haben jedoch einen Teil der Umsetzungspartner vor zeitliche und methodische Probleme gestellt.

Als nächste Entwicklungsstufe der Use-Case-Methodik wurde die umfangreiche erste Version der Methodik für das Projekt „Bidirektionales Lademanagement – BDL“ in eine stark verschlankte zweite Version umgewandelt. Grund für diese Anpassungen war, dass die Use-Case-Definition von vielen Partnerunternehmen aus unterschiedlichen Branchen verstanden und zeitnah angewendet werden musste. Diese zweite Version der Methodik stellt den entsprechenden Use Case auf einer einzigen PowerPoint-Folie dar und konnte so den grundlegenden Untersuchungs- und Umsetzungsrahmen für die im Projekt anstehenden Feldversuche ausreichend definieren. Allerdings waren zur Vorbereitung der Feldversuche und insbesondere für die Beantwortung weiterer im Projekt adressierter Forschungsfragen zusätzliche Diskussionen und methodische Schritte notwendig.

Im Projekt „InDEED“, welches sich mit Fragestellungen der Digitalisierung und der Etablierung digitaler Plattformen beschäftigt, haben wir uns für die Verwendung eines Zwischenwegs der bis dato verwendeten Ansätze entschieden: Weniger Komplexität als bei der ursprünglichen Methode aus C/sells, jedoch deutlich mehr grafische Modelldarstellungen und beschreibende Texte als im BDL-Projekt. Trotz des abstrakten Forschungsschwerpunktes im Projekt war es möglich, alle relevanten Use Cases auf neun PowerPoint-Folien inklusive vier verschiedener grafischer Darstellungen in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern zu definieren. Der Aufwand der Use-Case-Definition war in diesem Projekt nicht zu vernachlässigen, da viele Workshops mit den Projektpartnern zur Use-Case-Entwicklung durch die FfE ausgerichtet wurden. Wir beurteilen die Weiterentwicklung der Methodik durch die Arbeiten in InDEED dennoch als erfolgreich, da im weiteren Projektverlauf keinerlei Diskussionen zum Thema Use Cases geführt werden mussten. Ein wichtiges Learning aus diesem Projekt ist, dass ein bis zwei grafische Darstellungen zur Visualisierung der Use Cases für ein eindeutiges Verständnis ausreichen.

Auch im Projekt „Trade-EVs II“ wurde die Use-Case-Entwicklung auf Basis von bilateralen Workshops mit Projektpartnern durchgeführt. In den Workshops wurden zunächst alle für den Projektpartner relevanten Use Cases gesammelt und systematisiert sowie zwei Use Cases jeweils exemplarisch im Detail diskutiert. Die Erfahrungen aus diesem Projekt sowie aus dem Projekt InDEED zeigen, dass interaktive Workshopsformate, in denen Projektpartner eigenständig Use-Case-Ideen entwickeln sollen, ungemein wertvoll für ein gemeinsames Verständnis der geplanten Arbeiten im weiteren Projektverlauf sind. Das anschließende Konsolidieren der Diskussionen der Workshops in Form von Use-Case-Steckbriefen durch die FfE stellt einen enormen Mehrwert dar, weil bei späteren Diskussionen auf die Dokumente Bezug genommen werden kann. Falls im Projekt Geschäftsmodelle entwickelt oder diskutiert werden sollen, wird durch die Use-Case-Steckbriefe bereits ein wesentlicher Teil der Geschäftsmodellentwicklung abgedeckt. Ein Nachteil des Erarbeitens von Use Cases in bilateralen Workshops ist jedoch, dass Partner, die bereits eine konkrete Vorstellung ihrer im Projekt geplanten Use Cases haben, einen geringeren Mehrwert durch die Diskussionen im Workshop und die anschließende Aufbereitung in Steckbriefen erfahren als Partner, die keine genaue Vorstellung ihrer Use Cases haben.

Im großen Umsetzungsprojekt „unIT-e²“ sind die Erfahrungen aus den genannten Vorgängerprojekten schließlich in die in Teil 2 der Beitragsserie beschriebene Use-Case-Methodik eingeflossen. In unIT-e² wurde die Use-Case-Entwicklung erstmalig auf die zwei Ebenen der Business-Use-Cases und der Technical-Use-Cases aufgeteilt. Diese Aufteilung hat sich als sehr positiv herausgestellt, da so in großer Runde mit vielen Projektbeteiligten auf Ebene der Business-Use-Cases diskutiert werden kann und in kleinerer Runde mit ausgewählten Teilnehmenden technische Diskussionen auf Ebene der Technical-Use-Cases stattfinden können. Auch die Reduktion der Dokumentation auf insgesamt vier PowerPoint-Folien schafft Verständnis und Übersichtlichkeit im Bereich der Use-Case-Definition, die aufgrund der Größe des Projekts zwingend notwendig ist.

Fazit

Zusammenfassend lassen sich aus den Erfahrungen der verschiedenen Projekte, in denen Use Cases eine Rolle gespielt haben, drei wesentliche Erkenntnisse ableiten:

  1. In Projekten mit Umsetzungsabsicht sollten Use Cases in einer möglichst frühen Projektphase unter Einbezug aller relevanter Partner diskutiert und eindeutig definiert werden, um ein allgemeines Verständnis der geplanten Umsetzung zu schaffen und Diskussionen im weiteren Projektverlauf auf ein Minimum zu reduzieren.
  2. Eine eindeutige Dokumentation der Ergebnisse der Use-Case-Entwicklung ist unabdingbar. Wir empfehlen die Dokumentation in Form von möglichst einfach gehaltenen Steckbriefen.
  3. Die eingesetzte Use-Case-Methodik kann und sollte auf das jeweilige Projekt angepasst werden. Je nach Projektgröße, Projektpartnern und Forschungsschwerpunkt können unterschiedliche Bausteine der Use-Case-Methodik unterschiedlich stark fokussiert werden.

Inzwischen wurde klar, warum wir Use Cases in wissenschaftlichen Großprojekten benötigen und wie sie entwickelt werden können. Warum diese Forschungsprojekte überhaupt benötigt werden, wird im vierten Teil der Beitragsreihe deutlich, indem wir auf das sich transformierende Energiesystem und die darin neu entstehenden Geschäftsmodelle eingehen.