14.12.2022

Probabilistic Load Profile Model for Public Charging Infrastructure to Evaluate the Grid Load

Im Projekt „München elektrisiert“ stellte die Modellierung der Belastung öffentlicher Ladeinfrastruktur, neben dem „Laden zu Hause“ [1] und dem „Laden am Arbeitsplatz“ [2], einen zentralen Baustein zur Bewertung der durch Elektromobilität zukünftig resultierenden Netzbelastung dar. Im Rahmen einer Publikation wurde die Modellierung und Simulation öffentlicher Ladevorgänge umgesetzt und erprobt. Die Veröffentlichung ist vollumfänglich und frei zugänglich (Open-Access) unter folgendem Link verfügbar. Die Publikation wurde einem Peer-Review-Verfahren unterzogen, welches ebenfalls voll-transparent veröffentlicht wurde (Open-Review). Zusätzlich zur Publikation wurde auch ein Modell geschaffen, welches unter freier Lizenz veröffentlicht wurde.

Die mit der Verkehrswende verbundene, positive Entwicklung der Elektrofahrzeugzulassungen über die vergangenen Jahre erfordert den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Dieser Ausbau ist mit Herausforderungen verbunden, denn insbesondere in Ballungsräumen sind die Voraussetzungen für die Installation von Ladesäulen auf privaten Grundstücken oder am Arbeitsplatz z. B. aus Platzgründen häufig nicht gegeben. Eine Lösung für dieses Problem ist die Installation von Ladeinfrastruktur an verfügbaren öffentlichen Plätzen, was somit als Enabler für die Elektromobilität dienen kann. Für den Zuwachs an öffentlicher Ladeinfrastruktur werden in Deutschland bis 2030 zwischen 440.000 bis 843.000 Ladepunkten prognostiziert [3]. Diese Entwicklung ist jedoch mit verschiedenen Hürden verbunden, so kann öffentliche Ladeinfrastruktur derzeit nur wirtschaftlich betrieben werden, wenn eine hohe Frequentierung an ladenden Elektrofahrzeugen vorliegt. Eine weitere Herausforderung, welche sich in diesem Bereich ergibt, ist die Integration der Ladepunkte und der damit verbundenen Ladevorgänge in die Infrastruktur und den Betrieb der Verteilnetze. Um die Zuverlässigkeit und Stabilität des zukünftigen Energiesystems zu gewährleisten, ist eine kontinuierliche Untersuchung der Netzbelastung durch Ladevorgänge an öffentlichen Ladepunkten notwendig. Modellierung und Simulation öffentlicher Ladeinfrastruktur können als wichtige Prädiktoren zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen. Um die Perspektive der Verteilernetze zu bewerten, werden im Rahmen der Veröffentlichung die folgenden Forschungsfragen behandelt:

  • Welche Konzepte zur Modellierung der resultierenden Netzlast durch öffentliche Ladeinfrastruktur in Verteilnetzen gibt es und wie unterscheiden sie sich?
  • Welcher Ansatz ist geeignet, um die Lastprofile „allgemeingültig“ zu modellieren, und wo liegen dabei die Grenzen?
  • Wie hoch ist die zusätzliche Belastung des Verteilnetztes bei Integration einer „electric avenue“ aus öffentlichen Ladepunkten?

 

Modellierung von Ladevorgängen öffentlicher Ladeinfrastruktur

Der Inhalt des Papers umfasst die Einordnung in den Forschungskontext sowie den Stand der Wissenschaft und Technik, gefolgt von einer umfassenden Beschreibung der angewandten Methoden Strukturierung des Datensatzes und des Modells. Dies umfasst die Analyse und Aufbereitung der Eingangsdaten zur Kalkulation von Wahrscheinlichkeiten, sowie die im implementierten Modell umgesetzte Erzeugung von Ladelastgängen öffentlicher Ladeinfrastruktur. Es folgt die Anwendung des Modells in einer Fallstudie, sowie ein Exkurs zur Bewertung des Einflusses der COVID-19-Pandemie auf das Ladeverhalten. Abschließend erfolgt eine kritische Einordnung der Publikation und Methoden sowie die Beschreibung und der Verweis auf das veröffentlichte Modell.

Entsprechend des Literaturreviews wurde für die Grundstruktur der Modellierung der Lastgänge öffentlicher Ladeinfrastruktur ein stochastischer Ansatz gewählt. Diese Wahl wurde vor allem durch einen verfügbaren Datensatz öffentlicher Ladedaten aus ganz Deutschland unterstützt, der im Modell als Eingangsdaten dient [4]. Das Modell wurde modular implementiert, um dieses sowohl als Submodul im GridSim-Modell zu nutzen, als auch um dieses in einer Stand-alone-Variante der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Anforderungen führen zu dem in Abbildung 1 dargestellten Aufbau der Modellstruktur. Das Modell gliedert sich in zwei miteinander verbundene Module. Das Herzstück des Modells bildet dabei das „Modul zur Erzeugung der Wahrscheinlichkeiten“, mit welchem im übergeordneten „Modul zur Erzeugung elektrischer Lastprofile“ die elektrische Ladelastprofile erzeugt werden.

 

Modellstruktur, Wahrscheinlichkeit für Laden, Elektrische Lastgänge
Abbildung 1: Modellstruktur zur Erzeugung von Ladelastgängen öffentlicher Ladeinfrastruktur

Im „Modul zur Erzeugung der Wahrscheinlichkeiten“ werden ausgehend vom Basisdatensatz verschiedene Wahrscheinlichkeiten erzeugt, mit welchen über Zufallszahlen im umfassenden Framework individuelle Ladevorgänge erzeugt werden können. Grundlegend für die Modellierung dieser Ladevorgänge ist dabei zunächst der Beginn eines Ladevorgangs, welcher von diversen Parametern abhängt. Im Datensatz wurden verschiedene Kriterien (Tag der Woche, Saisonalität, Ort der Ladestation, Aufzeichnungszeitraum) untersucht und entsprechende Wahrscheinlichkeiten für den Start eines Ladevorgangs berechnet. In nächster Instanz wurde aus den Daten die Dauer, über welche die Fahrzeuge angesteckt waren, analysiert und erneut Wahrscheinlichkeiten berechnet. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Ansteckdauer erfolgte dabei in Abhängigkeit der Uhrzeit. Abbildung 2 verdeutlicht die Wahrscheinlichkeit für die Dauer eines Ladevorgangs in Abhängigkeit definierter Ansteck-Zeitfenster als Heatmap.

Ansteckdauer, Ladedauer, öffentliche Ladeinfrastruktur
Abbildung 2: Wahrscheinlichkeit für Ansteckdauer in Stunden in Abhängigkeit des Ansteckzeitpunks

Die Grafik zeigt ab Vormittag eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit für eine kurze Ansteckdauer, welche zum Abend erneut abnimmt. Diese Ausprägung repräsentiert das erwartete Muster des kurzzeitigen Zwischenladens im öffentlichen Raum untertags. Zeitgleich kann eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine lange Ansteckdauer ab Mittag identifiziert werden, welche bis in die Nacht andauert, wobei bei diesem Muster die Dauer für das Anstecken abnimmt je später es am Tag wird. Dies repräsentiert das ebenfalls erwartete Muster von Fahrzeugen welche über die gesamte Nacht einen öffentlichen Ladepunkt belegen. In der Simulation wird entsprechend dieser Wahrscheinlichkeiten, den gewählten Zeitintervallen und bei Start eines Ladevorgangs eine Ansteckdauer kalkuliert. In Abhängigkeit der berechneten Ansteckdauern werden dann geladene Energiemengen abgeleitet und respektive Ladelastgänge erzeugt.

Veröffentlichtes Modell zur Erzeugung von Ladelastgängen

Im Rahmen der Literaturarbeit wurde eine „Lücke“ an verfügbaren Modellen, welche die Berechnung und Betrachtung öffentlicher Ladeinfrastruktur aus elektro-/energietechnischer Perspektive ermöglichen, identifiziert. Um dieses Defizit zu mindern wurde das geschaffene Tool einschließlich kalkulierter Wahrscheinlichkeiten für Ladebeginn, Ansteckdauer und geladenen Energiemengen unter freier Lizenz publiziert (FfE Munich). Das Tool ermöglicht somit die wahrscheinlichkeitsbasierte Berechnung von Ladevorgängen respektive der resultierenden Ladelastgänge.

Wie die Publikation verdeutlicht, wird die Frequentierung und Ladecharakteristik an öffentlicher Ladeinfrastruktur durch viele Faktoren beeinflusst. Es ist zu beachten, dass die mit der Aufbereitung des Datensatzes verbundenen Restriktionen auch die berechneten Wahrscheinlichkeiten prägen. Diese dienen somit nur als erster Indikator zur Berechnung von Ladelastgängen, bilden jedoch nicht lokale Ausprägungen, wie z. B. räumliche Unterscheidungen (Ladepunkt in Gemeinde vs. Ladepunkt in Großstadt) ab. Sollten alternative, spezifischere Daten zu Ladevorgängen vorliegen, können entsprechend der im Paper beschriebenen Methoden die individuellen Wahrscheinlichkeiten berechnet werden, um diese anschließend im zur Verfügung gestellten MATLAB-Framework in Ladelastgänge zu konvertieren.

 

Literatur

[1] Müller, M.; Biedenbach, F.; Reinhard, J. Development of an integrated simulation model for load and mobility profiles of private households. Energies 2020, 13, 3843.

[2] Weiß, A.; Müller, M.; Franz, S. Spitzenlastkappung durch uni- und bidirektionales Laden von Elektrofahrzeugen und Analyse der resultierenden Netzbelastung in Verteilnetzen. Forsch. Ing. 2021, 85, 469–476.

[3] Windt A.; Arnhold, O. Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf; Study Commissioned by Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure; Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur: Berlin, Germany, 2020; p. 5.

[4] Zentrales Datenmonitoring des Förderprogramms Elektromobilität vor Ort. Available online: www.now-gmbh.de/aktuelles/pressemitteilungen/zentrales-datenmonitoring-legt-ergebnisse-vor/ (accessed on 4 January 2022).