08.2023 - 07.2026

SPIRIT-E – Shared Private Charging Infrastructure and Reservation for Bidirectionally Integrated Truck Electrification

Ein vielfältig aufgestelltes Konsortium stellt sich im Projektvorhaben „SPIRIT-E“ den zentralen Herausforderungen bei der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugflotten und deren zukunftsgerichteter Einbindung in das Energiesystem. Die zentralen Forschungsschwerpunkte sind: Das bidirektionale Laden sowie die halböffentliche Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur. Dabei sollen skalierbare Lösungen entwickelt und im Reallabor erprobt werden, um den Hochlauf elektrischer Nutzfahrzeuge zu beschleunigen und damit einen zentralen Stellhebel zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors in Bewegung zu setzen.

Motivation

Das Gelingen der Verkehrs- und Energiewende erfordert einen Wandel in allen Sektoren der fossilen Mobilitätsnutzung. Während der Wandel im Sektor der privaten Mobilität mit zunehmender Geschwindigkeit voranschreitet, steht die Transformation im gewerblichen Kontext insbesondere in der Logistik noch am Anfang. Nichtdestotrotz macht der Gütertransport 38 % der Emissionen im Verkehrssektor aus, wodurch die Elektrifizierung in diesem Segment des Verkehrssektors erheblich zur Erreichung der Klimaziele beitragen kann [1]. Nutzlast-, Reichweiten- und Effizienzanforderungen gepaart mit einem hohen Kostendruck stellen sowohl Fahrzeughersteller als auch Spediteure vor große Herausforderungen in der Technologietransformation. Für den effizienten Betrieb batterieelektrischer Nutzfahrzeuge, die das höchste Potenzial zur Emissionsreduktion aufweisen [2], stellt die verlässliche Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur mit ausreichender Ladeleistung ein ausschlaggebendes Kriterium dar. Der Ausbau von privater Ladeinfrastruktur an Depotstandorten sowie der Öffentlichkeit ist unabdingbar. Die mit der Elektrifizierung einhergehende, steigende Anzahl neuer Elektrofahrzeuge mit hohen Ladeleistungen stellt auch das Energiesystem und darin agierende Stakeholder (Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber) vor neue Herausforderungen [3].

Äquivalent zum Segment elektrischer Pkw besteht auch im Segment der Nutzfahrzeuge und der dafür notwendigen Ladeinfrastruktur ein „Henne-Ei-Problem“. Für die Versorgung elektrischer Nutzfahrzeuge sind zukünftig sowohl Schnellladepunkte mit hoher Ladeleistung für Zwischenladung in z. B. Lenk- und Ruhezeitpausen als auch Ladeinfrastruktur mit moderater Ladeleistung für z. B. das Laden über Nacht notwendig. Die zur Zwischenladung notwendige Ladeinfrastruktur im Leistungsbereich > 500 kW ist heute nahezu nicht verfügbar. Die Entwicklung, Erprobung und Energiesystemintegration von Ladesystemen mit Ladeleistungen in der Größenordnung „Mega“ wird derzeit unter anderem im Forschungs- und Entwicklungsprojekt „NEFTON“ adressiert. Auch die Verfügbarkeit von Ladesystemen mit moderaten Ladeleistungen für z. B. das nächtliche Laden steht aktuell erst am Anfang. Hohe Investitionskosten für Ladeinfrastruktur und elektrische Nutzfahrzeuge, Unsicherheiten in der Planbarkeit und fehlendes „Know-How“ zur elektrischen Erschließung von Nutzfahrzeug-Depots stellen die zentralen Herausforderungen dar, welche den Hochlauf der Elektrifizierung im Segment der Nutzfahrzeuge bremsen.

Zielsetzung (Gesamtprojekt)

In SPIRIT-E werden zwei technologische Enabler erprobt, welche diese Herausforderungen adressieren und bei der Elektrifizierung in diesem Sektor zukünftig eine Schlüsselrolle einnehmen können: Das bidirektionale Laden sowie die halböffentliche Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur. Hinsichtlich der Umsetzungsreife zielt das Vorhaben auf die praktische Umsetzung und die Demonstration von technologischen Lösungen in Feldversuchen an Logistik-Depots ab (Reallabore).

Der erste Enabler, das bidirektionale Laden, wird im Segment elektrischer PKW bereits in verschiedenen Projekten wie „Bidirektionales Lademanagement“ (BDL) und „Reallabor für verNETZte E-Mobilität“ (unIT-e²) erprobt und erste kommerzielle Lösungen treten in den Markt. Im Segment elektrischer Nutzfahrzeuge steht die Technologie noch am Anfang. Besonders aufgrund der hohen Ladeleistungen sowie der Planbarkeit der Fahrten respektive der Planbarkeit von Lade-/Entladevorgängen verspricht die Technologie in diesem Segment ein hohes Potenzial zur Erwirtschaftung zusätzlicher Erlöse. Das bidirektionale Laden stellt somit einen wesentlichen Stellhebel dar, welcher die Amortisation der bei Nutzfahrzeugen besonders hohen Investitionskosten beschleunigen könnte.

Auch der zweite Enabler, die halböffentliche Bereitstellung privater Ladeinfrastruktur, zielt auf die Erwirtschaftung zusätzlicher Erlöse bzw. die beschleunigte Amortisation von Ladeinfrastruktur an Depot-Standorten ab. Durch das temporäre „Öffnen“ der Ladeinfrastruktur für Fremdfahrzeuge und deren Ladebedürfnis am privaten Depot-Standort können Spediteure/Logistiker perspektivisch die Rolle des Electro-Mobility Provider (EMP) einnehmen und dadurch ihre Ladeinfrastrukturauslastung respektive Erlöse optimieren („Energy as a Service“). Eine zentrale Rahmenbedingung ist hierbei jedoch die Priorität der Ladung eigener Nutzfahrzeuge, weshalb die Freigabe von Ladepunkten für den Fremdverkehr z. B. über ein Reservierungssystem geregelt werden muss.

Zur Realisierung und Demonstration dieser Enabler arbeitet ein vielfältiges Konsortium an der Weiterentwicklung wesentlicher Teilaspekte sowie deren interoperablen Verknüpfung zu einem funktionsfähigen Gesamtkonstrukt, welches sich in der Projektstruktur widerspiegelt.

Projektstruktur

Das Projekt gliedert sich in 13 interdisziplinäre Arbeitspakete (Abbildung 1). Dabei folgt das Verbundvorhaben dem Leitsatz: „Vom Use-Case, über die Komponentenentwicklung zur Demonstration“. Ausgehend von entwickelten Anwendungsfällen werden die technologischen Hardware- und Software-Komponenten weiterentwickelt und zusammengesetzt. Das Herzstück des Vorhabens ist die Demonstration identifizierter Anwendungsfälle im Feldversuch an Depotstandorten (Reallabor), welche einerseits den Beweis der Machbarkeit erbringt, andererseits einen wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zur Marktreife der technologischen Komponenten darstellt.

Abbildung 1: Projektstruktur

Zusätzlich wird das Projekt durch wissenschaftliche Analysen der Forschungspartner begleitet. Diese adressieren im Kontext der Nutzfahrzeuge ganzheitlich Fragestellungen rund um die Themenbereiche: Fahrzeug, Ladeinfrastruktur, Energiesystem, Wirtschaftlichkeit und Digitalisierung. Dabei werden z. B. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen energiewirtschaftlicher Use-Cases von Nutzfahrzeugen durchgeführt, um u. a. Potenziale zur Kostenreduktion zu identifizieren. Begleitend zu den Feldversuchen werden Fahrzeug- und standortbezogene Daten identifiziert und standardisiert in „Data Spaces” zu Verfügung gestellt. Auch werden Akteure, Prozesse, Schnittstellen und Hürden bei der elektrischen Erschließung von Nutzfahrzeugdepots identifiziert und bewertet. Im Rahmen der abschließenden Ergebnissynthese sollen die identifizierten Umsetzungshürden und mögliche Abhilfemaßnahmen in Handlungsempfehlungen für die Elektrifizierung des Nutzfahrzeugsektors münden.

Systemlandschaft

Das Projektvorhaben weist einen hohen Komplexitätsgrad auf und schließt diverse Akteure vom Fahrzeug bis ins Energiesystem ein. In Abbildung 2 sind die im Projekt relevanten Akteure/Rollen, Prozesse und Schnittstellen dargestellt.

Abbildung 2: Systemlandschaft SPIRIT-E

An einem Logistik-Standort/Depot (verantwortet durch Standortbetreiber/Spedition) werden bidirektionale Ladesysteme installiert, an welchen ausgewählte Nutzfahrzeuge, unter Berücksichtigung lokaler Bedingungen, bidirektional geladen werden, um energiewirtschaftliche Dienstleistungen zu erbringen. Zusätzlich soll das Ladesystem temporär auch für die Fremdfrequentierung mit Speditions-externen Fahrzeugen zur Verfügung stehen, wobei einzelne Ladeslots über ein Reservierungssystem gebucht werden sollen („Shared-Depot“). Im Kontext der Daten-Verwaltung und -Aggregation wird in SPIRIT-E eine Plattform weiterentwickelt, auf welcher Flottenbetreiber bzw. externe Fahrzeuge temporär (halb-)öffentliche Ladeslots reservieren können. Weitere Daten im Kontext der Ladevorgänge und potenziell verfügbarer Flexibilität werden über eine zweite Datenschnittstelle aggregiert. Über diese Schnittstelle wird die Flexibilität der Nutzfahrzeuge einzelner Depots erfasst und als Teil eines aggregierten Pools an der Strombörse und Märkten für Energiesystemdienstleistungen vermarktet. Im Fall bidirektionaler Fahrzeuge ist sowohl die Bereitstellung last-, als auch erzeugungsseitiger Flexibilitätsprodukte möglich. Die umgesetzten Datenhubs stellen die Schnittstelle zum Energiesystem dar, welches im Projekt primär durch theoretische Analysen der Forschungspartner abgebildet wird.

Zielsetzung (Teilvorhaben der FfE)

Als eines von drei Forschungsinstituten im Projekt ist die FfE vorwiegend in den Arbeitspaketen zur begleitenden Forschung verortet und adressiert die zentralen, energiewirtschaftlichen Forschungsfragen des Vorhabens. Das Teilvorhaben der FfE setzt an den Schnittstellen zwischen den verschiedenen Stakeholdern an und erfüllt somit eine Schnittstellenfunktion zwischen Automobilindustrie, der Energiewirtschaft und letztendlich auch den Endnutzern respektive den Spediteuren/Flottenbetreibern.

Das primäre Ziel der FfE im Vorhaben ist die ganzheitliche Untersuchung der Möglichkeiten und Auswirkungen bidirektional ladender, elektrifizierter Nutzfahrzeugflotten sowie die optimierte Energiesystemeinbindung von „Shared-Depot“-Standorten aus energiewirtschaftlicher Perspektive. Dies umfasst zum einen die Ermittlung von Use-Cases, auf welchen aufbauend energiewirtschaftliche und energietechnische Analysen zur Verteilnetz- und Energiesystemintegration durchgeführt werden. Dabei wird das Potenzial zur netzdienlichen Integration von Depots sowie verschiedene Arten der energiewirtschaftlichen Einbindung dieser Standorte analysiert und netztechnisch sowie systemisch bewertet. Zusätzlich werden regionale Potenziale beim Hochlauf der Nutzfahrzeugelektrifizierung identifiziert und eine Blaupause zur elektrischen Erschließung von Logistikstandorten, aufbauend auf den im Projekt gesammelten Erfahrungen, entwickelt.

Projektpartner

Das Konsortium setzt sich aus verschiedenen Unternehmen aus Industrie und Forschung zusammen und schließt alle relevanten Stakeholder von Fahrzeug bis in das Energiesystem ein. Auf industrieller Seite setzt sich das Projekt aus den Partnern: MAN Truck & Bus SE, SBRS GmbH, Tennet TSO GmbH, Hubject GmbH sowie Consolinno Energy GmbH zusammen. Ergänzt wird das Konsortium durch die Forschungspartner: Technische Universität München (Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik) als Konsortialführer, Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik sowie die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V..

Vervollständigt wird das Konsortium durch die assoziierten Partner: Metzger Spedition GmbH, Schmidt Transport und Spedition GmbH, CITYWATT GmbH, TB Digital Services GmbH, ANE GmbH & Co. KG sowie die Volkswagen AG.

Förderung

Das Innovationsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert (Förderkennzeichen: 01MV23015F). Träger des auf drei Jahre angelegten Pilotprojekts ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Literatur

[1] European Commission. Directorate General for Mobility and Transport, EU transport in figures: statistical pocketbook 2021: Publications Office, 2021

[2] S. Wolff, M. Seidenfus, M. Brönner und M. Lienkamp, Multi-disciplinary design optimization of life cycle eco-efficiency for heavy-duty vehicles using a genetic algorithm, Journal of Cleaner Production, 2021, Vol. 318.

[3] Blume, Yannic et al.: Einfluss des Hochlaufs batterieelektrischer Nutzfahrzeuge auf die Verteilnetzplanung – FfE Discussion Paper 2023-01. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V., 2023.