02.2024 - 08.2024

Industrielle Flexibilität in Bayern – Grundlagenwissen und Praxisleitfaden

Im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. erstellt die FfE im Rahmen dieses Projekts eine Studie und einen Praxisleitfaden zum Thema industrielle Flexibilität in Bayern. Hauptziel des Projekts ist die praxisnahe Wissensvermittlung zur Rolle und Nutzung verschiedener Flexibilisierungsmöglichkeiten im Industriesektor.

Motivation

Vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils von Erneuerbaren Energien im Strommix stehen sowohl die Unternehmen, als auch das Energiesystem vor der Herausforderung, die Schwankungen in der Energieerzeugung effizient zu managen. Industrielle Flexibilität kann dabei eine wichtige, ergänzende Rolle zu anderen Flexibilitätsoptionen wie z.B. Batteriespeichern oder bidirektionalem Laden spielen. Mit den sich stark verändernden Rahmenbedingungen müssen sich Unternehmen zwangsweise mit den Umbrüchen im Energiesystem beschäftigen. Durch eine Auseinandersetzung mit dem Thema wird es ihnen jedoch ermöglicht, sich frühzeitig an die veränderten Marktbedingungen anzupassen, effizient auf dynamische Umwelteinflüsse zu reagieren und neue Geschäftsbereiche zu erschließen.

Zielsetzung

Im ersten Teil dieses Projekts wird eine kompakte Studie zur Vermittlung von Grundlagenwissen erstellt. Ziel ist es, Flexibilitätspotenziale und -bedarfe in  Bayern zu erheben, wobei sowohl die System- als auch die Akteursperspektive betrachtet wird. Im zweiten Teil entsteht ein Praxisleitfaden, der Unternehmen dabei helfen soll, Schritt für Schritt mögliche Flexibilitätspotenziale im eigenen Betrieb zu quantifizieren. Mit Hilfe des Praxisleitfadens sollen Unternehmen befähigt werden, die Relevanz von Flexibilitätserbringung im eigenen Betrieb besser abschätzen und bewerten zu können, und gegebenenfalls eine tiefgreifendere Auseinandersetzung mit diesem Thema anstoßen.

Methodik

Aufbauend auf existierenden FfE Transformationsszenarien werden Flexibilitätsbedarfe im bayerischen Energiesystem quantifiziert und den Flexibilitätspotenzialen der Industrie in Bayern gegenübergestellt. Die systemische Betrachtung wird anschließend um die Sicht der Akteure erweitert. Hierfür werden Vermarktungsmöglichkeit für industrielle Flexibilität vorgestellt. Zusätzlich beschäftigt die Studie sich mit aktuellen Herausforderungen und Hemmnissen, welche derzeit der Erschließung von industrieller Flexibilität im Weg steht. Darauf basierend werden Handlungsempfehlungen diskutiert, welche die Hemmnisse adressieren.

Im zweiten Teil wird ein Praxisleitfaden entwickelt, der sich vor allem an Unternehmen richtet, die bisher wenig Berührungspunkte mit dem Thema Flexibilität haben. Der Leitfaden soll diesen Unternehmen die Grundlagen von Energieflexibilität in der Industrie nahebringen. Neben einer Übersicht von typischen Flexibilitätsmaßnahmen und flexibilisierbaren Anlagen beinhaltet der Leitfaden eine Methodik zur Identifikation und Bewertung von Flexibilität im Betrieb, die Unternehmen bei der Hebung von Flexibilität im eigenen Unternehmen unterstützen soll. Die einzelnen Schritte werden dabei von einem konkreten Beispiel begleitet, welches das Vorgehen veranschaulicht. Zusätzlich wird die Methodik um
Praxis-Tipps sowie beispielhaften Erfahrungen aus der bayerischen Industrie ergänzt, um den Bezug zur Praxis zu ergänzen.

Ergebnisse

In der Studie wurden verschiedene Aspekte von industrieller Flexibilität in Bayern sowohl aus System- als auch aus Akteurssicht untersucht. Hieraus lassen sich folgende Aussagen ableiten:

  • Der Flexibilitätsbedarf in Bayern wird stark ansteigen.
    Im Jahr 2040 werden im betrachteten Szenario 30 GW an elektrischer Flexibilität zum Ausgleich zwischen volatiler Erzeugung durch Erneuerbare Energien und dem Stromverbrauch benötigt. Die Spitzenlast der Endenergiesektoren liegt im Vergleich dazu bei 33 GW in 2040.
  • Industriebetrieben stehen verschiedene Flexibilitätsmaßnahmen und Vermarktungsmöglichkeiten zur Verfügung.
    Je nach Branche kommen verschiedene Anlagen für eine Flexibilisierung in Frage. Außerdem finden sich in jeder Branche Querschnittstechnologien, für die eine Flexibilisierung geprüft werden kann. Werden Flexibilitätspotenziale gehoben, kommt neben einer Optimierung des Eigenverbrauchs auch eine Vermarktung in Betracht.
  • 15 Prozent der deutschen Flexibilitätspotenziale sind in Bayern verortet.
    Für Deutschland werden im betrachteten Szenario bis 2045 Potenziale in Höhe von 7,5 GW für eine Lastverschiebung von industriellen Prozessen und Querschnittstechnologien erschlossen. Davon können entfallen 1,1 GW im Jahr 2045 auf Bayern. Industrielle Flexibilität ist jedoch nur eine von vielen möglichen Flexibilitätsoptionen und alleine ist nicht ausreichend, um den Flexibilitätsbedarf im bayerischen Energiesystem zu decken. Zusätzlich werden weitere Flexibilitätsoptionen wie Großbatteriespeicher und bidirektional ladende Elektrofahrzeuge benötigt.
  • Verschiedene Einflussfaktoren beschränken das heute umsetzbare Flexibilitätspotenzial. Unterschiedliche Einflussfaktoren, die in die Kategorien regulatorisch, technologisch, organisatorisch und sozioökonomisch unterteilt werden können, hemmen aktuell die Bereitstellung von Flexibilität. Um das Potenzial auszuschöpfen, müssen unter anderem Fehlanreizen in der Netzentgeltsystematik abgebaut und Zugangsbarrieren abgesenkt werden.

Abbildung 1 zeigt die im Praxisleitfaden entworfene Methodik für die Identifikation und Bewertung von Flexibilität im Unternehmen. Diese soll Unternehmen dabei Schritt für Schritt von der Planung bis zu Umsetzung von Flexibilität im Unternehmen unterstützen. Jeder der Schritte ist dabei anhand von Leitfragen aufgebaut, die von den Unternehmen beantwortet werden sollen, um die Flexibilitätspotenziale im Betrieb abzuschätzen. Eine wirtschaftliche Bewertung sowie die Abschätzung von Risiken und Wechselwirkung soll letztendlich aufzeigen, für welche Anlagen und Maßnahmen sich eine Umsetzung lohnt.

Abbildung 1: Übersicht über die Vorgehensweise zur Identifikation und Bewertung von Flexibilitätspotenzialen in Industrieunternehmen