11.2023 - 10.2026

BDL Next – Bidirektionales Lademanagement der nächsten Generation im massenfähigen Realbetrieb

Der Umstieg auf elektrische Antriebe im Mobilitätssektor ist integrales Element der Energiewende und fordert eine gesamtheitliche Betrachtung von Energiewirtschaft und Mobilität. Wie das Projekt „Bidirektionales Lademanagement“ (BDL) gezeigt hat, bieten Elektrofahrzeuge, die sowohl Strom beziehen als auch rückspeisen können, ein vielfältiges Potenzial für markt-, netz- und systemdienliche Zwecke sowie auch für Anwendungen im Interesse der Letztverbrauchenden, wie z. B. die Eigenverbrauchsoptimierung bei PV-Anwendungen. Die technische Umsetzung der Anwendungsfälle konnte bereits im geschützten Projektumfeld gezeigt werden. Jedoch bleiben einige Lücken sowie weiterführende Entwicklungen für die Heranführung an den Realbetrieb bislang noch offen. Diese Lücken betreffen sowohl die Technologie als auch die rechtlichen, regulatorischen und prozesstechnischen Grundlagen und sollen in BDL Next geschlossen werden.

Motivation

Die Bundesregierung hat mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes, das zum 31.08.2021 in Kraft getreten ist, die Ziele zum Erreichen der Klimaneutralität verschärft. Bis zum Jahr 2045 muss in Deutschland die Klimaneutralität erreicht sein und bis dahin gelten für jeden Sektor jährliche Minderungsziele. Im Verkehrssektor bedeutet dies insbesondere ein Umstieg auf elektrische Antriebe, um die jährlichen Emissionen zu reduzieren. Einhergehen muss dies mit dem weiteren Ausbau erneuerbarer Energien (EE), um den Stromsektor unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen und um auch hier Klimaneutralität zu erreichen.

Der Umstieg auf elektrische Antriebe sowie der EE-Ausbau bringen sowohl auf Seiten des Energiesystems und der Stromnetze als auch auf Seiten der Automobilwirtschaft und der Nutzer:innen vielschichtige Herausforderungen mit sich. Einige davon lassen sich lösen, indem sektorübergreifend gedacht und gemeinschaftlich Lösungen entwickelt werden. Benötigt werden hier neue Komponenten sowie softwaretechnische Lösungen und Prozesse für deren Vernetzung und die Definition des Zusammenspiels der verschiedenen Marktteilnehmer und Hersteller.

Zielsetzung

Ziel des Projekts BDL Next ist es, massentaugliche Technologien und Prozesse für das bidirektionale Laden zu gestalten. Dafür ist es zunächst nötig, Schwachstellen entlang der im Vorgängerprojekt BDL implementierten Wirkkette zu beheben. Anschließend sollen die Systeme stärker mit dem Ökosystem der Kund:innen und etablierten Prozessen der Energiewirtschaft verzahnt werden. Dazu zählt auch der netzdienliche Betrieb der Fahrzeuge, bspw. über den Einsatz dynamischer Netzentgelte oder anderer Koordinationsmechanismen auf Niederspannungsebene, um den zügigen Hochlauf der Elektromobilität durch Engpässe im Stromnetz nicht zu gefährden. Nur so können bidirektionale Elektrofahrzeuge als Bestandteil eines robusten und sicheren Stromnetzes vollumfänglich in die Energiemärkte integriert werden.

Auf der anderen Seite müssen auch die Fahrzeugnutzenden durch einfache Systeminteraktion, monetäre Mehrwerte und CO2-Einsparpotenziale überzeugt werden. Dazu wird ein umfassender mehrstufiger Pilotbetrieb angestrebt, dessen Ziel es ist eine nahtlose Integration auch komplexerer Multi-Use Anwendungen sicherzustellen. Darin sollen zunächst einige Fahrzeuge des Vorgängerprojekts zum Einsatz kommen, um neue Prozesse zu implementieren, bestehende Prozesse zu härten und verschiedene Systeme weiter zu optimieren, bevor ein Wechsel auf bidirektionale Serienfahrzeuge stattfindet, um die Massentauglichkeit der Technologie zu demonstrieren.

Projektstruktur

Das Projekt gliedert sich in 10 Arbeitspakete (APs), welche in Abbildung 1 aufgeführt sind. In AP 1 werden unter der Leitung der FfE zunächst die gemeinsamen Grundlagen möglicher Anwendungsfälle mit der detaillierten Use Case Definition erarbeitet. Im Folgenden (AP 2 und 3) werden die Systeme, zur technischen Aggregation weiterentwickelt und die notwendige interoperable Kommunikation zwischen den Systemen definiert und umgesetzt. Hierzu wird zu Beginn in AP 3 Stakeholder-übergreifend eine gemeinsame Gesamtsystemarchitektur entwickelt. Aufbauend darauf wird in den APs 4 – 6 an der Netz-, System- und Marktintegration gearbeitet. Zwischen den beschriebenen APs 2 – 6 bestehen somit laufend Abstimmung- und Austauschbedarfe. Die praktischen Umsetzungen und Entwicklungen münden im gemeinsamen Feldversuch zur Demonstration und Verbesserung der entwickelten Lösungen.  Die APs 8 bis 10 bilden die wissenschaftliche Begleitung und Synthese.

Arbeitspakete BDL Next
Abbildung 1: Struktur der Arbeitspakete in BDL Next

FfE-Inhalte im Projekt

  • Erweiterung Use Case Methodik um Multi-Use
  • Implementierung von Netzzustandsschätzungen und Vorhersagen
  • Aufbereitung der Messdaten
  • Netzausbaukosten in Szenarien mit unterschiedlichen Use Case Kombinationen
  • Realitätsnahe Bewertung von Erlöspotenzialen in verschiedenen Use Cases und Multi Use
  • Analyse der systemischen Rückwirkungen durch bidirektionales Laden
  • Wechselwirkungen zwischen Netz-Markt-System zur Identifikation optimaler Use Case Kombinationen

Methodik

Die Inhalte der FfE als eine der vier Forschungseinrichtungen im Projekt BDL Next sind vorwiegend im Arbeitspaket zur Begleitforschung Netzrückwirkungen, System-, und Marktintegration verortet.

Als Konsortialführer wird die FfE zudem auch ihre methodische Expertise in der Use Case Entwicklung zu Beginn des Projekts einbringen. Verglichen mit dem Vorgängerprojekt oder auch dem Projekt unIT-e² werden in diesem Zusammenhang methodische Weiterentwicklungen zur Abbildung von Use Case Kombinationen auch auf technischer Ebene geschaffen, um die Synergien und Interferenzen zwischen verschiedenen Anwendungsfällen herauszustellen. Die resultierenden Systemschaubilder und Sequenzdiagramme sollen das Verständnis für die Problematik schärfen und eine strukturierte Grundlage für die nachfolgende technische Entwicklungsphase zu schaffen.

Die FfE wird Prognosen für die Netzintegration der Elektromobilität erarbeiten, die eine umfassende Planung der Netzauslastung ermöglichen. Dabei werden Machine-Learning-Methoden entwickelt, evaluiert und angewendet. Diese Prognosen sollen es ermöglichen den Netzzustand zu bestimmen und vorherzusagen, um netzdienliche Use Cases zu erlauben. Darüber hinaus sollen die Prognosen des Kundenverhaltens es ermöglichen, sowohl die Flexibilität der Elektrofahrzeuge zu nutzen als auch die Kunden nicht einzuschränken.

Des Weiteren wird die FfE Analysen zu resultierenden Netzausbaubedarfe für verschiedene Szenarien mit dem FfE-Modell GridSim untersuchen. Hierzu werden die unterschiedlichen Use Cases in repräsentativen Modellen von Niederspannungsnetzen simuliert und deren Auswirkungen analysiert. Die Modellerweiterung wird die Berechnung der Netzausbaubedarfe für die verschiedenen Netzmodelle ermöglichen. Hierzu werden relevante Indikatoren und Grenzwertverletzungen untersucht und klassifiziert.

Um eine realitätsnahe Einschätzung der Erlöse bidirektionalen Ladens aus Nutzerperspektive zu erreichen, wird eine erlösorientierte Optimierung in dem Akteursmodell eFlame unter der Annahme eines rollierenden Prognosehorizonts durchgeführt, wobei sich die Akteure hinsichtlich Prognosen statt hinsichtlich historischer Daten optimieren. Neben einer Bewertung einzelner Use Cases soll hierdurch insbesondere auch eine realitätsnähere Bewertung von Multi-Use, sowie die Erlöspotenziale von Energiegemeinschaften erreicht werden.

Zur Untersuchung der systemischen Rückwirkungen von bidirektionalem Laden wird ein realitätsnahes Szenario mit Einbindung von Ressourcenknappheit in dem Energiesystemmodell ISAaR modelliert. Dabei soll insbesondere die Wechselwirkung der zukünftigen Wasserstoffproduktion und -bereitstellung im Energiesystem analysiert und mit dem Mehrwert der Flexibilität von bidirektionalem Laden verglichen werden.

Zudem wird die FfE die zentralen Forschungsfragen beantworten, die sich aus der umfassenden Integration bidirektionaler Fahrzeuge in die drei verschiedenen Domänen Netz, Markt und System ergeben. Insbesondere erfordert dieses Integrationsvorhaben, die Domänen nicht weiter isoliert zu betrachten, sondern auch in Bezug auf die modellhafte Abbildung an der FfE durch die Modelle eFlame, GridSim und ISAaR eine stärkere Verzahnung vorzusehen.

Das Konsortium

Förderung

Das Forschungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert (Förderkennzeichen: 01MV23013A, 01MV23013F). Träger des auf drei Jahre angelegten Pilotprojekts ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).