ISAaR – Integriertes Simulationsmodell zur Anlageneinsatz- und -ausbauplanung mit Regionalisierung

Wofür wird ISAaR verwendet?

Wenn wir untersuchen wollen, wie das Energiesystem der Zukunft und der Weg dorthin aussehen kann, nutzen wir unser Energiesystemmodell „ISAaR“.  

ISAaR („Integriertes Simulationsmodell zur Anlageneinsatz- und Ausbauplanung mit Regionalisierung“) ist ein lineares Optimierungsmodell, das das europäische Energiesystem mathematisch beschreibt. Im Modell werden unter anderem der konventionelle Kraftwerkspark, die Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Abhängigkeit der jeweiligen Erzeugungspotentiale, Verbrauchslasten der Endenergiesektoren sowie das Übertragungsnetz abgedeckt – und das für 28 europäische Länder. Folgende Fragestellungen spielen dabei eine wichtige Rolle: 

  • Wie wirken sich die Klimaschutzziele auf das Energiesystem aus?  
  • Welche Rolle spielen Speicher und sektorkoppelnde Technologien, bzw. welche Chancen bieten die Flexibilitäten der Technologien? 
  • Welche Relevanz hat Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem?  
  • Wie verändert sich die Exportposition Deutschlands im europäischen Verbund? 
  • Welche Rückwirkungen hat eine zunehmende Anzahl an Elektrofahrzeugen auf das Energiesystem? 
  • Welche Strompreise werden in Zukunft zu erwarten sein? 
  • Wie entwickeln sich die Volllaststunden verschiedener Anlagentypen in Zukunft?
  • Wie würde sich eine Umstellung des Marktdesigns auf nodale Preise auswirken?

Modellumfang

ISAaR bilanziert die Energieträger Strom, Methan, Wasserstoff, Fernwärme, flüssige Kohlenwasserstoffe, CO2 als Rohstoff und Biomasse auf den sogenannten Energieträgerschienen. Jeder Energieträgerschiene sind Verbrauchslasten, Erzeugungsanlagen und gegebenenfalls Speicher zugeordnet. Betrachtet wird jeweils ein Jahr in stündlicher Auflösung. Die Verbrauchslasten werden vorab in den Endenergiesektormodellen der Sektoren Industrie, Haushalte, GHD (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen) und Verkehr berechnet und an ISAaR übergeben. Umwandlungstechnologien wie Power-to-Heat, Power-to-Gas oder Elektrolyseure koppeln die Energieträgerschienen miteinander (Abbildung 1). Neben dem Anlageneinsatz kann auch der Ausbau verschiedener Technologien zeitgleich berechnet werden.

Abbildung 1: Systemgrenzen, Energieträgerschienen und sektorkoppelnde Umwandlungstechnologien in ISAaR

Die regionale Auflösung des Modells ist flexibel und hängt von den Eingangsdaten ab. Bei den Energieträgerschienen Strom und Wasserstoff kann Energie zwischen den Regionen (z. B. europäische Länder) über vorgegebene Handelskapazitäten transportiert werden. Neben Marktberechnungen (exemplarisch dargestellt in Abbildung 2) sind auch detailliertere Betrachtungen der Restriktionen des europäischen Stromübertragungsnetzes durch Netzberechnungen mittels des PTDF-Ansatzes (Power Transfer Distribution Faktors) möglich (siehe Abbildung 3). Hierdurch sind auch Berechnungen in einem Nodalpreissystem möglich.

Abbildung 2: Durchschnittliche Strompreise und Netzmodell auf Basis der Nettoübertragungskapazitäten der modellierten Länder für das Szenario solidEU, Jahr 2050 im Rahmen des Projekts eXtremOS
Abbildung 3: Netzmodell in ISAaR zur Modellierung des Lastflusses

Außereuropäische Länder sind nicht explizit in der Modellierung enthalten, allerdings besteht die Option, Wasserstoff oder flüssige Kohlenwasserstoffe nach Europa zu importieren.

Um Klimaschutzziele in ISAaR abzubilden, können jährliche Treibhausgas-Obergrenzen definiert und zudem unterschiedliche Pfade der CO2-Zertifikatskosten hinterlegt werden. Somit kann untersucht werden, wie sich verschiedene politische Vorgaben auf das betrachtete Energiesystem auswirken.

Hintergrund und Funktionsweise

ISAaR ist ein lineares Optimierungsmodell (LP), das den Anlageneinsatz und -ausbau hinsichtlich der Minimierung der Systemgesamtkosten optimiert. Das lineare Gleichungssystem wird in MATLAB aufgebaut und mit den Solvern CPLEX oder Gurobi gelöst. Die Eingangsdaten, wie beispielsweise Erzeugungsgänge erneuerbaren Erzeugungstechnologien oder techno-ökonomische Parameter, werden aus FREM, der internen Datenbank der FfE eingelesen. Nach erfolgreicher Lösung des Optimierungsproblems folgt die Aufbereitung der Ergebnisse in MATLAB. Die relevanten Optimierungsgrößen werden zur weiteren Verarbeitung und Visualisierung in FREM exportiert.

Der modulare Aufbau erlaubt einen einfachen Austausch der Eingangsparameter und so die unkomplizierte Betrachtung verschiedener Berechnungsvariationen. Die Eingangsdaten werden dazu in verschiedenen Szenarien zusammengestellt, die über eine grafische Benutzeroberfläche ausgewählt und gegebenenfalls zusätzlich parametriert werden können.

Zur Lösung des Optimierungsproblems stehen an der FfE zwei Hochleistungsserver zur Verfügung (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Grundlegende Zusammenhänge der technischen Umsetzung von ISAaR

Die zeitliche Auflösung wird in ISAaR für jede Energieträgerschiene separat definiert, die räumliche Auflösung kann je nach Anwendungsfall variiert werden. Möglich sind unter anderem Betrachtungen auf Netzknotenebene oder die Aggregation auf Länder- oder Landkreisebene.

Bei der Berechnung kommender Optimierungsjahre werden Annahmen bezüglich der Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Entwicklung der elektrischen und thermischen Last oder Kostenpfade für Erzeugungstechnologien, als Szenario vorgegeben. Die Modellierung umfasst sowohl die Einsatzplanung bestehender Anlagen, als auch eine Ausbauplanung für zukünftige Anlagen wie z. B. den Ausbau der Erneuerbaren Energien, von Elektrolyseuren oder Stromspeichern. Je nach Fokus des Forschungsprojekts werden einzelne Stützjahre bis zum Zieljahr berechnet, z. B. 5-Jahresschritte zwischen 2020 und 2050 im Projekt eXtremOS.

Die Visualisierung der Ergebnisse erfolgt mithilfe der Webanwendung „ISAaR Charts“. Durch die interaktiven Darstellungen ist es möglich, die Berechnungsergebnisse zügig und effizient zu validieren, zu vergleichen und zu analysieren. Damit kann ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge des modellierten Energiesystems gewonnen werden, auf dessen Basis Schlussfolgerungen für die untersuchten Fragestellungen gezogen werden.

Historie

Abbildung 5: Projekthistorie von ISAaR und deren Themenschwerpunkte

ISAaR wurde 2012 im Projekt MOS („Merit Order der Energiespeicher 2030“) an der FfE entwickelt. Seitdem wurde ISAaR in diversen Projekten verwendet und stets weiterentwickelt, um Antworten auf die sich ändernden Forschungsfragen zu finden und aktuelle Entwicklungen in der Energiewirtschaft abzubilden. Die zeitliche Einordnung der Projekte ist in Abbildung 5 dargestellt.

Im Projekt MOS wurden verschiedene Speicher- und Flexibilisierungstechnologien untersucht, um kostenoptimierte Speicherstrukturen in Deutschland und Österreich zu ermitteln. Das Folgeprojekt MONA („Merit Order Netzausbau 2030“) untersuchte netzoptimierende Maßnahmen, speziell bei hohen Anteilen Erneuerbarer Energien. Dazu wurde ISAaR für den Energieträger Strom auf Europa erweitert. Zu Abbildung von Netzrestriktionen wurde der PTDF-Ansatz zur Linearisierung der Lastflüsse implementiert.

In Dynamis wurde die Dekarbonisierung des deutschen Energiesystems analysiert. Der Fokus lag dabei insbesondere auf den Rückwirkungen der anwendungsseitigen Maßnahmen zur THG-Reduktion (THG: Treibhausgase) in den Endenergiesektoren auf das Energiesystem. Im Zuge des Projektes wurden die Energieträger Wasserstoff, Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe und Biomasse in das Modell aufgenommen (nur in Deutschland modelliert). Dazu erfolgte die Einführung der Bezeichnung „Energieträgerschiene“, um die Energiebilanzen der in ISAaR abgebildeten Energieträger bildlich zu beschreiben. Weiterhin wurden zusätzliche sektorkoppelnde Technologien implementiert. Der Zubau aller Erzeugungsanlagen war auf Deutschland beschränkt.

In C/sells wurde untersucht, welche Systemrückwirkungen zu beobachten sind, wenn Prosumer ihre Flexibilität für Netzoptimierungsmaßnahmen vermarkten.

Im Rahmen von eXtremOS wurden die Energieträgerschienen und der Anlagenausbau auf 28 europäische Länder ausgedehnt. Zusätzlich wurde die Energieträgerschiene „CO2 als Rohstoff“ eingeführt. Fokus des Projekts war die Bewertung von Flexibilität im Kontext der europäischen Strommarktkopplung bei extremen technologischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

In BDL wird das bidirektionale Lademanagement von Elektrofahrzeugen und deren Rückwirkungen auf das Energiesystem betrachtet.

In allen Projekten erfolgte eine stetige Weiterentwicklung des Modells, um die jeweils aktuellen Entwicklungen der Energiewirtschaft in ISAaR abzubilden. Die fortlaufende Erweiterung führt zu einem höheren Detaillierungsgrad und erlaubt eine umfassende Betrachtung des Energiesystems.

Aktuelle Projekte

Derzeit wird ISAaR in folgenden Großprojekten genutzt und weiterentwickelt:

  • TransHyDe: Im Projekt TransHyDe liegt der Fokus auf der Infrastrukturentwicklung im Energiesystem.
  • Trade-EVs II: In Trade-EVs II wird das preisoptimierte Elektrofahrzeugflottenmanagement näher beleuchtet.
  • Trans4Real: Trans4Real beschäftigt sich mit den Themen Wasserstoff im Energiesystem und die Kopplung von Energiesystemanalyse mit LCA.
  • unIT-e2:  Im Projekt unIT-e² erfolgt eine weitergehende Analyse des Energiesystem bei der Integration von Elektrofahrzeugen, wobei ein Schwerpunkt auf den Rückwirkungen unterschiedlicher emob-Use Cases auf das Energiesystem (sowohl marktlich aus auch netzseitig) liegt.