Wie läuft Nutzen statt Abregeln? – Eine erste Zwischenbilanz zur Erprobungsphase von § 13k EnWG
Ausgangslage
Der Ausbau der erneuerbaren Energien boomt. Die jährlichen Kosten für Redispatch und Einspeisemanagement haben sich allerdings in den zehn Jahren von 2013 bis 2023 auf über 2,6 Mrd. verzehnfacht. Mit einer abgeregelten Energiemenge von über 10 GWh trägt die Abregelung von Erneuerbaren an diesen Kosten einen erheblichen Anteil. Davon wiederum sind über 90 % auf die Abregelung von On- und Offshore-Windenergieanlagen zurückzuführen. Durch den neu eingeführten § 13k EnWG sollen die abgeregelten EE-Strommengen deutlich reduziert werden. Die Idee ist es, diese Strommengen stattdessen vergünstigt an zuschaltbare Lasten zuzuteilen: „Nutzen statt Abregeln“
Konzept
Auf Basis historischer Abregelungsstrommengen haben die ÜNB für den windstarken Norden Deutschlands daher sogenannte Entlastungsregionen ausgewiesen. Nur Lasten in diesen Gebieten kommen grundsätzlich für eine Teilnahme an „Nutzen statt Abregeln“ in Frage. Die ÜNB weisen täglich um 10:00 Uhr auf netztransparenz.de die verfügbaren Abregelungsstrommengen in den Entlastungsregionen für den Folgetag aus. Die Zuteilung an berechtigte Lasten erfolgt in der Erprobungsphase zunächst durch ein vereinfachtes pauschaliertes Verfahren (d.h. keine wettbewerbliche Ausschreibung). Bei einer Überzeichnung werden Strommengen an berechtigte Lasten prozentual zugeteilt. Die bezuschlagten Lasten beschaffen sich diese Energiemengen dann selbstständig am Day-Ahead-Markt und nicht bei den ÜNBs. Ein zusätzliches Instrument für den Ausgleich ist damit nicht notwendig.
Jedoch müssen die Lasten in den wenigsten Fällen den vollen Großhandelspreis bezahlen. Die tatsächliche Preisreferenz ist ein einheitlich festgelegter 13k-Preis. Liegt der Day-Ahead-Preis, zu dem sich die Last eingedeckt hat, darüber, wird die Preisdifferenz durch die ÜNB erstattet. Der 13k-Preis orientiert sich dabei an den Kosten fossiler Wärmeerzeugung, und liegt unter Berücksichtigung des aktuellen Gas- und CO2-Preises bei ca. 40€/MWh. Die Preisreferenz wurde gewählt, da zum Beispiel PtH Anlagen mit Gaskesseln in Konkurrenz stehen (mehr dazu im Abschnitt Zusätzlichkeitskriterien). Da neben dem reinen Börsenstrompreis für Lasten i.d.R. auch Stromebenkosten (SNK) wie Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte fällig werden, sieht das Konzept hier ebenfalls einen Kompensationsmechanismus vor. Jedoch darf die Summe aus Differenzerstattung zum 13k-Preis und der SNK-Kompensation nicht die Kosten für eine alternative Redispatch-Maßnahme übersteigen.

Haben berechtigte Lasten Abregelungsstrommengen bezogen und können keinen tatsächlichen Verbrauch nachweisen, werden Pönalen fällig. Damit soll verhindert werden, dass Abregelungsstrommengen über 13k günstig erworben und anschließend am Intraday-Markt gewinnbringend veräußert werden, da dies keine Netzentlastung zur Folge hätte.
Zusätzlichkeitskriterien
In den ausgewiesenen Entastungsregionen kommen jedoch nicht alle zuschaltbaren Lasten in den Genuss dieser vergünstigten Strommengen. Generell können nur Anlagen aus den folgenden Segmenten für das Instrument registrieren:
- Segment 1 – Substitution fossiler Wärmeerzeugung
In dieses Segment fallen Anlagen, die im operativen Betrieb eine fossile Wärmeerzeugung ersetzen können. Dies setzt voraus, dass fossile und strombasierte Wärmeerzeugung redundant ausgeführt sind. Beispiele dafür können Heizstäbe in Fernwärmenetzen und industriellen Prozessen oder Hybridwärmepumpen sein. - Segment 2 – Netzgekoppelte Stromspeicher
- Segment 3 – Elektrolyseure und Großwärmepumpen > 100 kW Anschlussleistung
Zudem hat die BNetzA strenge Zusätzlichkeitskriterien erlassen, um bspw. Mitnahmeeffekte zu verhindern. So müssen Anlagen aus Segment 1 und 2 im Vormonat einen Verbrauch nachweisen, der höchstens 2 % Vollaststunden entspricht. Ausnahmen werden nur für den Bezug von 13k-Strommengen, die Erbringung von Regelarbeit und Primärregelleistung sowie Testfahrten auf Anweisung der Netzbetreiber gewährt. Für netzgekoppelte Batteriespeicher, die sich überwiegend durch den Arbitragehandel refinanzieren, bedeutet dies signifikante Einbußen, da sie bei einer Teilnahme an 13k für den regulären Handel an den Strombörsen de facto gesperrt wären.
Für Großwärmepumpen und Elektrolyseure gilt dieses Vormonatskriterium nicht. Sie können statt einer operativen Zusätzlichkeit auch eine investive Zusätzlichkeit belegen. Dafür müssen sie lediglich nach dem 29.12.2023 in Betrieb gegangen sein.
Debatte
Insbesondere aus der Speicherbranche gab es Kritik an diesen strengen Zusätzlichkeitskriterien. Dadurch wird nach Meinung vieler eine Chance vertan, in den ausgewiesenen Abregelungsregionen im windstarken Norden Speicher zu nutzen, um EE-Überschüsse aufzunehmen. Ein Blick auf die ausgewiesenen und tatsächlich zugeilten Strommengen seit Beginn der Erprobungsphase im Oktober 2024 scheint den Kritikern Recht zu geben: Das Instrument wird trotz des vorhandenen Angebots bis dato noch nicht genutzt.

Die BNetzA hält dagegen und argumentiert, dass eine Aufweichung der Kriterien im Endeffekt einem Gebotszonensplit gleichkäme, da somit Lasten in den Abregelungsregionen flächendeckend von diesen günstigen Energiemengen profitieren würden, während sich Lasten im Süden weiterhin zu den regulären Großhandelspreisen eindecken müssten. Ebenso würden durch zu laxe Regelungen Mitnahmeeffekte und Fehlanreize zu engpassverstärkendem Verhalten (insb. Inc-Dec-Gaming) gefördert.
Die BNetzA muss also folgenden Spagat schaffen: Die Kriterien sollen möglichst weich sein, um eine ausreichende Teilnahme anzureizen, andererseits müssen sie den Stromverbrauch auf eine echte Zusätzlichkeit beschränken. Wir sind gespannt, was die zweijährige Erprobungsphase bringt und ob wir beim Blick auf die zugeteilten Strommengen demnächst ein ganz anderes Bild sehen.