Wie kann eine Transformation der Fernwärme erreicht werden?
Im Folgenden wird zunächst die Rolle der Wärmeversorgung zur Erreichung der Klimaziele dargestellt, basierend darauf die Relevanz der Fernwärme und deren Transformation, um dann auf ein geeignetes Vorgehen zur Erstellung einer Transformationsstrategie sowie geeignete Transformationsmaßnahmen einzugehen.
Notwendigkeit einer schnellen Transformation der Wärmebereitstellung
Das aktuelle Klimaschutzgesetz sieht eine Verminderung der Emissionen bis 2030 um 65 % vor. Für den Gebäudesektor wird eine Jahresemissionsmenge von 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent veranschlagt [1]. Das entspricht einer Reduktion von knapp 68 % gegenüber 1990 bzw. 43 % gegenüber 2020. Daher ist die kurzfristige Erreichung der Einbindung klimaneutraler Wärmequellen auf zentraler und dezentraler Ebene notwendig.
Aktuell erfolgt die Bereitstellung von Wärme, also Raum- und Prozesswärme sowie die Bereitung von Trinkwarmwasser, in Deutschland hingegen immer noch überwiegend (zu etwa 85 %) über fossile Energieträger [2]. Etwa 14 % der Wohnungen werden mit Fernwärme versorgt, welche vor allem im innerstädtischen Bereich verfügbar ist. Auch die Fernwärmeversorgung basiert zu großen Teilen auf nicht-erneuerbaren Brennstoffen. Hier werden 19 % der Wärmemenge durch erneuerbare Energien erzeugt (siehe Abbildung 1).
Künftige Rolle der Fernwärme und Herausforderung zur Umsetzung
Die zukünftige Rolle der Fernwärmeversorgung an der Wärmebereitstellung wird in Studien unterschiedlich bewertet, meist wird jedoch von einem steigenden Anteil der Fernwärme an der insgesamt bereitgestellten Wärme ausgegangen (siehe Abbildung 2). Besonders in städtischen Gebieten kann die leitungsgebundenen Wärmeversorgung das Erreichen der Wärmewende stützen, da sie eine Integration von Abwärme in die Wärmeversorgung ermöglicht und auch die Integration weiterer klimaneutraler Wärmequellen besser umsetzbar sein kann als bei der dezentralen Versorgung.
Damit die bestehende Versorgung diese Wärmequellen integrieren und somit dekarbonisiert werden kann, ist jedoch eine Anpassung der vorhandenen Infrastruktur essenziell. Die aktuelle Wärmenetzinfrastruktur ist darauf ausgelegt, Wärme aus Verbrennungsanlagen zu verteilen, welche zumeist mit hohen Temperaturniveaus (90 – 140 °C [4]) einhergehen. Da viele regenerative Wärmequellen eine geringere Netztemperatur verlangen, ist oft die Transformation des vorliegenden Fernwärmeversorgungssystems eine Voraussetzung für die Einbindung dieser Wärmequellen. Zudem erfordert die Nutzung vieler einzelner Wärmeerzeuger in einem Gesamtsystem, eine besonders gute Abstimmung von Verbrauchern und Erzeugern. Da bei der Fernwärmeversorgung Erzeugung, Verteilung und Vertrieb meist in einer Hand liegen, kann eine ganzheitlich optimierte Strategieentwicklung und -planung vorgenommen werden. Transformation und Dekarbonisierung haben somit Verknüpfungspunkte, beschreiben aber nicht denselben Vorgang.
Abgrenzung von Dekarbonisierung und Transformation
Während in Diskussionen zur Energiewende häufig von einer Dekarbonisierung gesprochen wird, ist für die Fernwärme eine Transformation des bestehenden Systems notwendig. Der hier zugrundeliegende Bedeutungsunterschied ist folgender:
Unter Dekarbonisierung wird die Senkung des Kohlenstoffdioxidausstoßes verstanden, welche durch die Einbindung von klimaneutralen Energiequellen, z.B.: Wärmepumpen mit EE-Strom oder Solarthermie, welche die Nutzung von fossilen Brennstoffen ersetzen, erreicht wird.
Die Transformation beinhaltet die Umwandlung des gesamten Versorgungssystem, in diesem Fall, um die Dekarbonisierung zu ermöglichen. Diese konkreten Schritte beinhalten häufig sowohl Eingriffe in die bestehende Infrastruktur alsu auch in organisatorische Abläufe, sodass diese als Transformationsmaßnahmen zu bezeichnen sind. Sie lassen sich somit folgendermaßen definieren: Unter Transformationsmaßnahmen sind jegliche baulichen, strukturellen oder organisatorischen Maßnahmen zu verstehen, die das bestehende Wärmenetz zukunftsfähig machen.
Alle Schritte die notwendig sind, um eine ganzheitliche Transformationsstrategie der Wärmeversorgung (inkl. der Fernwärmeversorgung) zu erarbeiten, sind in der nachfolgenden Abbildung 3 dargestellt. Eine Erläuterung der Schritte kann der Studie „Grüne Fernwärme für Deutschland – Potenziale, Kosten, Umsetzung“ entnommen werden.
Strukturierung von Transformationsmaßnahmen
Transformationsmaßnahmen setzen an unterschiedlichen Punkten eines Wärmenetzes an. Um viele mögliche Transformationsmaßnahmen gesammelt und geordnet darzustellen, können sie in eine Matrix sortiert werden. Diese schlüsselt sich in zwei Dimensionen auf:
- Ziel mit Unterteilung in: Kostenoptimierung, Effizienzsteigerung, Einbindung klimaneutraler Wärme, Flexibilisierung
- Wirkungsort der Transformationsmaßnahme mit Unterteilung in: Erzeugung, Monitoring & Steuerung, Verteilung, innerbetrieblich/organisatorisch, Verbindung zum Verbraucher, Verbraucherverhalten, rechtlich-politischer Rahmen, ökonomischer Rahmen
Auch wenn eine solche Strukturierung der Maßnahmen sinnvoll für eine Übersicht ist, ist zu beachten dass diese teilweise stark interdependent sind. Diese Strukturierung inklusive vier beispielhafter Maßnahmen ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Hier wird bereits ersichtlich, dass Maßnahmen auch zur Erreichung mehrer Ziele eingesetzt werden können.
Kurzbeschreibungen von Transformationsmaßnahmen
Die Ausgestaltung und Umsetzbarkeit jeder einzelnen Maßnahme müssen genau untersucht und an das vorliegende Wärmenetz angepasst werden. Die individuelle praktische Ausgestaltung erfordert daher umfassendes Wissen zur vorliegenden Fernwärmeinfrastruktur und Kommunikation.
Als Unterstützung zur individuellen Bewertung von Transformationsmaßnahmen sind hier für einzelne Maßnahmen bereits Steckbriefe hinterlegt. Diese werden im Laufe des FfE Forschungsprojektes „Zukunftsstrategie Fernwärme “ vertieft und erweitert.
Tabelle 1: Auswahl von Wärmenetz-Trannsformationsmaßnahmen
Maßnahme | Kurzbeschreibung |
Temperaturabsenkung | Absenkung der Systemtemperatur im Bestandsnetz in Vor- und/oder Rücklauf u.a. zur besseren Einbindung erneuerbarer Energien und Abwärme |
Optimierte Anschlussstation | Ermöglichung der Temperaturabsenkung und der damit verbundenen Vorteile |
Optimierte Gebäudetechnik | Nutzung von Heizsystemen, die in der Lage sind, geringere Vorlauftemperaturen zu nutzen und geringere Rücklauftemperaturen zurückzuliefern |
Variation von Temperaturniveaus | Bedarfsgerechte Wärmebereitstellung bei hohen Temperaturen u.a. zur Einbindung saisonal verfügbarer Quellen |
Einbindung großer Wärmespeicher | Entkopplung von Erzeugung von Verbrauch zur Erhöhung der Einbindung von Wärme aus klimaneutralen Quellen und Steigerung der Versorgungssicherheit |
Kaskadenschaltung von Verbrauchern | Temperaturweise Reihenschaltung von Verbrauchern zur Auskühlung des Rücklaufs im Gesamtnetz |
Kopplung des Wärmenetzes mit Kälte | Steigerung der Gesamteffizienz der Versorgung |
Abstimmung zwischen Fernwärmeversorgern und lokalen Akteuren | Das Gelingen der Transformation der Wärmeversorgung als Multi-Akteurs-Prozess kann durch eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten vereinfacht werden |
Gestaltung der Fernwärmebepreisung | Steuerung des Nutzerverhaltens durch eine angepasste Fernwärmebepreisung |
Optimiertes Monitoring und Steuerung | Das Wissen über die Kenngrößen des Netzes ermöglicht eine zielgerichtete Steuerung der Anlagen |
Priorisierung von Tranformationsmaßnahmen
Die Untersuchung der Maßnahmen, um einen ganzheitlichen Vergleich und hieraus abgeleitet eine fundierte Priorisierung zu erreichen, ist ein Kern-Bestandteil der Erstellung der Transformationsstrategie. Eine beispielhafte Visualisierung eines solchen Vergleichs ist in Abbildung 5 enthalten. Basierend auf den Ergebnissen einer Nutzwertanalyse werden hier Maßnahmen miteinander verglichen. Da die zeitliche Dringlichkeit zur Maßnahmenumsetzung und deren erwarteter wirtschaftlicher Effekt von besonderer Bedeutung sind, werden diese aus der insgesamten Bewertung heraus gerechnet.
Insgesamt stellt die Entwicklung dieser Tranformationsstrategie einen wichtigen Schritt zur Umstrukturierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung und damit zur Erreichung der Dekarbonisierungsziele dar, da so der vorbereitende Grundstein gelegt wird. Die Strategie definiert Ziele und arbeitet auf konkrete Maßnahmen zur Umsetzung hin.
Weitere Informationen:
- Impulsvortrag im Beteiligungsprozess Tiefstack – Vorgehen zur Erreichung der Fernwärme Transformation (Studie „Grüne Fernwärme“)
- WärmeNetzWerk
- Veröffentlichung der Kurzstudie „Grüne Fernwärme – Potenziale, Kosten und Umsetzung“
- Wärmewende erfolgreich gestalten – Impulsvortrag für den Strategieworkshop des Verwaltungsrates der Stadtwerke Landsberg
- Wärmenetze 4.0 – Machbarkeitsstudie für ein innovatives Wärmenetz der vierten Generation in Rosenheim
- Zukunftsstrategie Fernwärme – Vergleichende Analyse praxistauglicher Maßnahmen für die Fernwärmetransformation und Vorgehen zur Erstellung einer umsetzbaren Transformationsstrategie
Quellen: | |
[1] | Klimaschutzgesetz 2021. In: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/klimaschutzgesetz-2021-1913672. (Abruf am 2021-08-05); Berlin: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2021. |
[2] | Erneuerbare Energien in Deutschland – Daten zur Entwicklung im Jahr 2020. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt, 2021. |
[3] | Auswertungstabellen zur Energiebilanz Deutschland – Daten für die Jahre von 1990 bis 2018. Münster, Bergheim: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., 2020. |
[4] | IFEU; GEF: Transformationsstrategien Fernwärme – TRAFO – Ein Gemeinschaftsprojekt von ifeu-Institut, GEF Ingenieur AG und AGFW. Frankfurt am Main: Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. (AGFW), 2013 |
[5] | IFEU; GEF: Transformationsstrategien Fernwärme – TRAFO – Ein Gemeinschaftsprojekt von ifeu-Institut, GEF Ingenieur AG und AGFW. Frankfurt am Main: Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. (AGFW), 2013 |
[6] | Kleinertz, Britta et al.: Klimaneutrale Wärmeversorgung in München 2035. In: http://ffe.de/kompetenzen/dekarbonisierungsstrategien/982-klimaneutrale-waermeversorgung-in-muenchen-2035. (Abruf am 2020-10-05); München: Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH, 2020. |
[7] | Schmidt, Ralf-Roman et al.: Entwicklung von zukunftsfähigen Versorgungsstrategien für Fernwärmenetze – Tools und Methoden. Wien: AIT Austrian Institute of Technology GmbH, 2018. |
[8] | Riechel, Robert et al.: Kommunales Transformationsmanagement für die lokale Wärmewende – TransStadt-Leitfaden. Berlin: Deutsches Institut für Urbanistik, 2017. |
[9] | Fromm, Carina et al.: Climate smart Hyllie – Fallstudie im Rahmen des Projekts Evolution2Green – Transformationspfade zu einer Green Economy. Berlin: adelphi research gemeinnützige GmbH, 2018. |
[10] | Engelmann, Peter et al.: Eneff:Stadt – Weingarten 2020 Monitoring und Optimierung. Freiburg: Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, 2020. |
[11] | Aus Diskussionen mit verschiedenen Fernwärmeversorgern |