09.04.2025

Wie hoch wird die Wasserstoffnachfrage im Jahr 2030 sein? – Annäherung unter Berücksichtigung der Zahlungsbereitschaft

Um Treibhausgasneutralität zu erreichen, wird in vielen Industriezweigen eine Umstellung auf Wasserstoff notwendig sein. Unklar ist, welche Mengen die verschiedenen Sektoren zu welchen Preisen in Zukunft nachfragen werden. Die folgende Analyse nähert sich dieser Frage für Deutschland im Jahr 2030.

Methodik und Daten

Für das Jahr 2030 wurden potenziell nachgefragte Mengen sowie zugehörige Paritätspreise für Wasserstoff ermittelt. Es wurden die Anwendungen von synthetischem Kraftstoff im Schiffs- und Flugverkehr, LKW (> 12 t), die stoffliche Nutzung von Wasserstoff (bspw. zur Ammoniakproduktion), die (Rück-)Verstromung von Wasserstoff (Gasturbine und Gas- und Dampfkraftwerk) und die Nutzung von Wasserstoff zur Primärstahlherstellung betrachtet.

Der Paritätspreis gibt an, welchen Preis Wasserstoff im Jahr 2030 haben müsste, damit ein Sektor seine Prozesse ohne zusätzliche Kosten von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff umstellen kann. Seine Berechnung basiert auf einer Weiterentwicklung unserer noch unveröffentlichten Financial-Gap-Analyse. Dabei werden die annuitätischen Investitions- (CapEx) und Betriebskosten (OpEx) fossiler Technologien mit denen wasserstoffbasierter, emissionsneutraler Alternativen verglichen. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass andere emissionsneutrale Technologien möglicherweise kostengünstiger sein könnten. Diese Analyse betrachtet ausschließlich den Paritätspreis von Wasserstoff im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Im Vergleich zu alternativen emissionsfreien Technologien könnte der Paritätspreis in einigen Fällen erheblich niedriger oder sogar negativ ausfallen.

Ein Beispiel hierfür ist der Schwerlastverkehr (> 12 t). In diesem Sektor wurde der zweithöchste Paritätspreis unter allen untersuchten Sektoren ermittelt. Dies könnte darauf hindeuten, dass Brennstoffzellen-LKW (Fuel Cell Electric Trucks, FCET) im Jahr 2030 eine hohe Nachfrage nach Wasserstoff generieren. Allerdings zeigen Studien [1], dass batterieelektrische LKW (Battery Electric Trucks, BET) in vielen Fällen wirtschaftlich günstiger sein könnten. FCET werden daher vermutlich vor allem in Anwendungen eingesetzt, in denen BET technisch nicht realisierbar sind.

Bei der Berechnung der Paritätspreise wurden geltende nationale und europäische Regulierungen berücksichtigt. Im Flugverkehr schreiben die ReFuelEU-Aviation-Verordnung und §37 BImSchG gesetzliche Quoten für Mindestmengen verschiedener emissionsneutraler Kraftstoffe vor. Im Schiffsverkehr gelten ähnliche Vorgaben durch die FuelEU-Maritime-Verordnung. Außerdem unterscheidet das EU-Emissionshandelssystem (ETS) zwischen innereuropäischen und interkontinentalen Flügen und Schiffsrouten. Bei Nichterfüllung dieser Quoten drohen Strafzahlungen. In unserer Analyse wurden diese Strafzahlungen auf den Paritätspreis der entsprechenden Quotenmengen angerechnet. Dadurch ergeben sich innerhalb der Sektoren Flugverkehr und Schiffsverkehr unterschiedliche Zahlungsbereitschaften für verschieden Wasserstoffmengen.

Die potenziellen Nachfragemengen ergeben sich aus dem Endenergieverbrauch (EEV) 2030 aller Prozesse eines jeweiligen Sektors, die potenziell auf Wasserstoff umgestellt werden könnten. Dabei wird ausschließlich betrachtet, ob eine Umstellung auf Wasserstoff technisch möglich ist, ohne eine Einschätzung vorzunehmen, ob Wasserstoff im Vergleich zu alternativen Technologien die wahrscheinlichere Option darstellt. Die EEV-Daten stammen aus dem FfE-Energiesystemmodell ISAaR sowie den Sektormodellen, welche für unterschiedliche energetische und ökonomische Fragestellungen entwickelt wurden. Die EEV-Daten für die stoffliche Nutzung stammen aus einer externen Quelle [2].

 

Abbildung 1: Nachfragemengen für Wasserstoff in Deutschland im Jahr 2030 anhand der Paritätspreise verschiedener Sektoren.

 

Abbildung 2: Potenzielle Nachfrage Kurve für Wasserstoff in Deutschland im Jahr 2030 für den Schiffsverkehr.

Auch im Flugverkehr zeigen sich teilweise hohe Paritätspreise, die aus der Vermeidung von Strafzahlungen durch die ReFuelEU Aviation Regulation und §37 BImSchG resultieren (siehe Abb. 3). Wie im Schiffsverkehr resultiert die Unterscheidung des ETS in intra- und extra-europäische Flüge in einer weiteren Unterteilung der Mengen. Hier existieren explizite Unterquoten für den Einsatz von RFNBOs, die nicht mit Biokraftstoffen erfüllt werden können. Zudem müssen bei Nicht-Erfüllung der Quoten die fehlenden Mengen im darauffolgenden Jahr nachgeholt werden. Dies deutet auf eine Unterschätzung der Zahlungsbereitschaft in der vorliegenden Analyse hin.

 

Abbildung 3: Potenzielle Nachfragekurve für Wasserstoff in Deutschland im Jahr 2030 für den Flugverkehr.

 

Weiter ist auf den hohen Paritätspreis im LKW-Sektor hinzuweisen. Mit rund 11 €/kg H2 liegt dieser über den für 2030 erwartbaren Wasserstoffpreisen. Es ließe sich daher vermuten, dass FCET in Zukunft eine relevante Wasserstoffnachfrage generieren. Allerdings muss die hier gefundene potenzielle Nachfragemenge kritisch betrachtet werden, da BET voraussichtlich erhebliche Marktanteile in diesem Sektor übernehmen könnten [1].

Während Luft-, Schiffs- und Schwerlastverkehr in dieser Analyse die höchsten Paritätspreise aufweisen, zeigt sich bei der Primärstahlproduktion ein negativer Paritätspreis. Dieser resultiert vor allem aus deutlich höheren CapEx für die wasserstoffbasierte Primärstahlherstellung gegenüber der konventionellen Primärstahlherstellung mit Kohle. Somit wäre selbst bei kostenlosem Wasserstoff eine Umstellung auf Wasserstoff im Jahr 2030 mit Mehrkosten verbunden. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass viele Stahlerzeuger in Deutschland signifikante staatliche Förderungen erhalten für die Investition in Direktreduktionsanlagen. Wenn diese umgesetzt sind, wäre der Paritätspreis mit Erdgas an dieser Stelle anzusetzen, um die Zahlungsbereitschaft auszuweisen .

Literatur:

[1] NOW GmbH (2024): Marktentwicklung klimafreundlicher Technologien im schweren Straßengüterverkehr. Verfügbar unter: Marktentwicklung-klimafreundlicher-Technologien-im-schweren-Strassengueterverkehr-2024.pdf (Zugriff am 27. März 2025).

[2] EWI – Energiewirtschaftliches Institut (2024): Datengrundlage für die H₂-Bilanz 2024, 2. Halbjahr. Verfügbar unter: https://www.ewi.uni-koeln.de/de/publikationen/datengrundlage-fuer-die-h2bilanz-2024-2-halbjahr/ (Zugriff am 05. März 2025).

Weiterführende Links: