Welchen Strom „tanken“ Elektroautos in Zukunft?
Nachdem in der Wissenschaft im Laufe der letzten Monate viele Erkenntnisse bezüglich des sogenannten Emissionsrucksacks von batterieelektrischen Fahrzeugen gesammelt wurden, herrscht in diesem Forschungsgebiet mittlerweile weitestgehend Einigkeit. Sogar die viel zitierte „Schweden-Studie“ hat eine Aktualisierung erfahren und so können die Emissionen des Herstellungsprozesses von Batterien auf einen Wert von 61 bis 106 kg CO2-Äq./kWh eingegrenzt werden. Ein in der Vergangenheit weniger diskutierter Punkt, der jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind die Emissionen des „getankten“ Stroms. Denn auch wenn der Anteil der betriebsbedingten Emissionen an der Gesamtbilanz im Falle eines Elektrofahrzeugs sinkt, stellen diese weiterhin einen entscheidenden Faktor für den Fahrzeuglebenszyklus dar.
Als Indikator für die Emissionsintensität des geladenen Stroms dient der Emissionsfaktor des geladenen Strommixes. Stammt ein Großteil der Erzeugung aus Kohlekraftwerken, so liegt dieser im Bereich von 600 g CO2/kWh, an windigen, sonnigen Tagen hingegen liegt dieser Wert in Deutschland bereits heute oftmals unter 200 g CO2/kWh. Für das Jahr 2019 ist nach Agora Energiewende im Mittel von einem Wert von knapp über 400 g CO2/kWh auszugehen.
Den Ankündigungen der Automobilhersteller und der Politik zufolge wird der Anteil der Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen zukünftig stark zunehmen. Zudem steigt gleichzeitig der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Daher ist es aus heutiger Sicht besonders interessant, wie sich die Emissionsintensität des Strommixes über den Lebenszyklus eines Elektrofahrzeugs entwickelt. Im Projekt Dynamis wurde, unter Verwendung der in der Fachzeitschrift Energies beschriebenen Methodik, für die beiden Szenarien „fuEL“ und „Start“ der zukünftige CO2-Emissionsfaktor von Strom errechnet (vgl. Abbildung 1). Während es sich bei „Start“ um ein Trendszenario handelt, werden im „fuEL“-Szenario mit einem deutlich erhöhten Ausbau Erneuerbarer Energien die Emissionen in 2050 um 95 % gegenüber 1990 reduziert.
Wie die auf der 4. Internationalen ATZ-Fachtagung „Grid Integration of Electric Mobility“ in Mannheim vorgestellte Analyse zeigt, führt die Berücksichtigung der zunehmenden Dekarbonisierung des Energiesystems nach dem „Start“-Szenario zu einer deutlichen Verbesserung der Klimabilanz eines Elektrofahrzeugs gegenüber einem benzin- oder dieselbetriebenen Fahrzeug (vgl. Abbildung 2). So reduziert sich die sogenannte Amortisationsdauer eines Elektrofahrzeugs der Kompaktklasse gegenüber einem Benziner beispielsweise von 3,3 auf 2,9 Jahre, wenn nicht der gleichbleibende Emissionsfaktor aus dem Jahr 2020, sondern die Reduktion des Emissionsfaktors über die Betriebsdauer berücksichtigt wird. Ein Elektrofahrzeug im Jahr 2030 rentiert sich unter den getroffenen Annahmen sogar bereits nach zwei Jahren.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen im Energiesystem für die Bewertung von anwendungsseitigen Klimaschutzmaßnahmen von besonderer Bedeutung ist. Damit sektorkoppelnde Maßnahmen in den Verbrauchssektoren (z. B. die Elektromobilität) ihr volles Emissionsreduktionspotenzial ausschöpfen können, ist der ambitionierte Ausbau von Erneuerbaren Energien eine Grundvoraussetzung.