28.04.2025

V2G und §14a EnWG: Einsparpotenziale durch Modul 2 und 3 vs. Netzentgeltbefreiung

Im Rahmen unseres Vorhabens „V2G-Potenziale freisetzen: Von Hürden zu Lösungen“ analysieren wir die möglichen Mehrwerte und bestehenden Hürden des bidirektionalen Ladens. Ein wiederkehrender Faktor, der das Potenzial der Technologie in Deutschland bis dato einzuschränken scheint, ist die Unsicherheit, wie wirtschaftlich das bidirektionale Laden tatsächlich ist. Beispielsweise müssen an der vielversprechenden aber komplizierten Teilnahme am Spotmarkt (in der Folge stets als Vehicle-to-Grid, V2G, bezeichnet) viele beteiligte Akteure – vom Anbieter bis zur Kund:innen – profitieren können.

Was lässt sich also wirklich aktuell durch V2G verdienen? Um das zu untersuchen, simulieren wir das optimale bidirektionale Ladeverhalten mit unserem Modell eFlame für die Teilnahme am Stromhandel über den Verlauf eines Jahres (perfect foresight). In den Simulationen nutzen wird aktuellste Preiszeitreihen der Intraday Auktion sowie alle für Haushalte relevanten Preisbestandteile von 2023 und 2024. Dem Modell liegen Fahrprofile zugrunde, die ein realistisches Nutzer:innen-Verhalten widerspiegeln. So wird ermöglicht, dass wir je Ergebnis 100 unterschiedliche Fahrverhalten simulieren, die wir in die Nutzer:innen-Gruppen „Pendler“ und Nicht-Pendler“ unterteilen. Wir simulieren je Nutzer:in einen E-PKW mit 80 kWh Batteriekapazität, 11 kW Lade-/ Entladeleistung und 85 % Roundtrip-Wirkungsgrad. Wir berücksichtigen kein Asset-backed Trading, keinen Revenue Split und auch keine zusätzliche Kosten – bspw. verursacht durch die bidirektionale Ladestation oder zusätzliche Messtechnik – in diesen Auswertungen (zusätzliche Kosten haben wir in [1] und [2] analysiert).

Um die Ergebnisse zu vergleichen, beziehen wir uns auf die Referenz des ungesteuerten Direktladens. Wir berechnen die Stromkosten beim bidirektionalen Laden abzüglich der Erlöse aus dem Stromverkauf und vergleichen diese mit den Stromkosten des Direktladens. Dabei berücksichtigen wir alle relevanten Strompreisbestandteile. Genau diese Strompreisbestandteile stehen zu Teilen aktuell in der Diskussion oder fallen bei unterschiedlicher Betrachtungsweise unterschiedlich aus. Dadurch eröffnet sich ein vielversprechender Korridor an V2G-Einsparpotenzialen, den wir mit den folgenden Auswertungen beleuchten.

Inhalte der Beitragsreihe „V2G-Potenziale freisetzen: Von Hürden zu Lösungen“:

  1. V2G und §14a EnWG: Einsparpotenziale durch Steuervergünstigungen
  2. V2G und §14a EnWG: Einsparpotenziale durch Modul 1 und 2 vs. Netzentgeltbefreiung
  3. V2G und §14a EnWG: Einsparpotenziale durch Modul 2 und 3 vs. Netzentgeltbefreiung
  4. V2G und §14a EnWG: Einsparpotenziale durch eine reduzierte Konzessionsabgabe

Der § 14a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) stellt die gesetzliche Grundlage zur netzorientierten Steuerung sogenannter „steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“ dar, um diese kurzfristig und effizient ins Stromnetz integrieren zu können. Da unter anderem Ladestationen (Wallboxen) als steuerbare Verbrauchseinrichtungen gelten, müssen diese seit 1. Januar 2024 nach § 14a EnWG so installiert werden, dass sie vom zuständigen Netzbetreiber steuerbar sind, um Netzengpässe abzuwenden. Als Entschädigung dafür, dass der Netzbetreiber die Leistung der Ladestationen auf minimal 4,2 kW in Ausnahmefällen reduzieren darf, können die Fahrzeughalter:innen zwischen verschiedenen Modulen wählen, die jeweils eine Reduzierung der zu zahlenden Netzentgelte bedeuten:

  • Modul 1: Pauschaler Rabatt auf die jährlichen Netzentgeltkosten (umfasst eine Pauschale von 80 € zur Deckung der Kosten von iMSys und Steuerbox sowie eine Stabilitätsprämie abhängig vom jeweiligen lokalen Netzentgelt)
  • Modul 2: Reduktion des Netzentgelt-Arbeitspreises auf 40% für den Strom, der an der steuerbaren Verbrauchseinrichtung bezogen wird & Entfall des Grundpreises für das Netzentgelt (für dieses Modul ist ein zusätzlicher Zähler notwendig)
  • Modul 3: Zeitlich variable Netzentgelte pro Kilowattstunde (Netzbetreiber legt den variablen Tarif im Rahmen definierter Grenzen fest; nur als Ergänzung zu Modul 1; Tarifstufen der Netzbetreiber können hier eingesehen werden)

Durch die verschiedenen Module verringert sich auch die Netzentgeltbelastung für V2G-Anwendungen.

In dieser Analyse untersuchen wir die Einsparungen, die für bidirektionales Laden durch Modul 3 – den variablen Netzentgelten – in Kombination mit dem Handel am Intraday-Auktionsmarkt ermöglicht werden. Neben dem Vergleich der Kosten für Direktladen und gesteuertes Laden stellen wir die Einsparungen durch Modul 3 auch den Einsparungen durch Modul 2 aus Beitrag 2 gegenüber.

Für die Ausgestaltung der variablen Netzentgelte nach Modul 3 hat die BNetzA den Netzbetreibern folgende Vorgaben gemacht:

  • Der variable Netzentgelt-Tarif muss für mindestens zwei Quartale im Jahr gelten.
  • Es gibt nur die drei Stufen Niedrigtarif (NT), Standardtarif (ST) und Hochtarif (HT).
  • Alle Stufen (NT, ST und HT) müssen mindestens einmal täglich auftreten.
  • Die HT-Stufe muss täglich mindestens zwei Stunden gelten und darf maximal 200 % der ST-Stufe betragen.
  • Die NT-Stufe muss zwischen 10 % und 40 % der ST-Stufe liegen.
  • Für das Standardlastprofil H0 muss das variable Netzentgelt über ein Jahr gesehen kostengleich mit einem konstanten Netzentgelt, bestehend nur aus der ST-Stufe, sein.

Basierend auf einem Workshop mit Verteilnetzbetreibern wurden exemplarische variable Netzentgelt-Tarife entwickelt (siehe diese Veröffentlichung). Für die nachfolgenden Analysen haben wir die in Abbildung 1 dargestellten zwei Tarife ausgewählt. Tarif 1 (T1) stellt einen klassischen Tarif dar, dessen HT-Zeitfenster am Abend und NT-Zeitfenster in der Nacht liegt. Tarif 2 (T2) hat ebenfalls ein HT-Zeitfenster am Abend (allerdings mit höherem Netzentgelt) und ein NT-Zeitfenster tagsüber zu Zeiten von potenziell hoher PV-Erzeugung. Außerdem gilt T2 nur für die 2 Sommerquartale.

 

Abbildung 1: Exemplarische Modul-3-Tarife; T1 gilt ganzjährig, T2 nur für die Sommerquartale.

 

Die sich aus der Simulation mit unserem Modell eFlame im Durchschnitt ergebenen Netto-Kosten pro Fahrzeug und Jahr für unterschiedliche Ladestrategien und Module nach § 14a sind in Abbildung 2 und 3 für 2023 respektive 2024 dargestellt. Der Fokus liegt auf dem Vergleich der Kostenersparnisse, die für V2G in Kombination mit den zwei Tarifen nach Modul 3 erreicht werden, zu den Ersparnissen, die Modul 2 im V2G-Fall ermöglicht. Der Fall „V2G, Modul 2 + Netzentgeltbefreiung“ ist eine hypothetische Berechnung, falls auf den Stromanteil, der aus dem E-PKW ins öffentliche Netz rückgespeist wird, keine Netzentgelte gezahlt werden würden (siehe Beitrag 2). Als Referenzen sind Direktladen und gesteuertes Laden mit unterschiedlichen § 14a Ausgestaltungen mit abgebildet.

 

Abbildung 2: Durchschnittliche Kosten für Direktladen, gesteuertes Laden und bidirektionales Laden (V2G) für Pendler und Nicht-Pendler für unterschiedliche Varianten von § 14a EnWG 2023.

 

Abbildung 3: Durchschnittliche Kosten für Direktladen, gesteuertes Laden und bidirektionales Laden (V2G) für Pendler und Nicht-Pendler für unterschiedliche Varianten von §14a EnWG 2024.

 

Für das bidirektionale Laden (V2G) lässt sich feststellen:

  • Bei Wahl von Modul 3 können hohe Kosteneinsparungen erreicht werden.
  • Durch die variablen Netzentgelte in Kombination mit dynamischen Marktpreisen wird mehr Energie ge- und entladen, was im Durchschnitt 12 – 29 zusätzlichen Batterievollzyklen pro Jahr entspricht.
  • Die Einsparungen sind 2024 stets größer als 2023.
  • Für Nicht-Pendler sind die Netto-Kosten mit Modul 3 für beide Tarife negativ.
  • Generell hängt die Höhe der Einsparungen durch Modul 3 stark vom Tarif-Design und Nutzerverhalten ab.
  • Die Einsparungen mit T1 sind in den meisten Fällen deutlich größer als mit T2, insbesondere da der Tarif für das gesamte Jahr gilt.
  • Nur für Nicht-Pendler 2024 ist T2 attraktiver, da hier die NT-Zeitfenster der variablen Netzentgelte in Kombination mit tagsüber günstigen Strommarktpreisen im Sommer ausgezeichnet genutzt werden können.
  • Im Vergleich zum Status Quo von Modul 2 (ohne Netzentgeltbefreiung) liegen die Netto-Kosten von T1 (Modul 3) in derselben Größenordnung, wobei für Pendler Modul 3 und für Nicht-Pendler Modul 2 leicht vorteilhaft ist.
  • Die Netto-Kosten von T2 (Modul 3) liegen steht über den Kosten von Modul 2, sodass dieser Netzentgelt-Tarif für V2G-Kund:innen nie vorteilhafter ist als Modul 2.
  • Allerdings wird bei den Rechnungen zu Modul 2 mehr gehandelt und damit mehr Energie durch die Batterie geführt (etwa 30 – 40 zusätzliche Batterievollzyklen pro Jahr im Vergleich zu Modul 3), was potenziell die zyklische Batteriealterung beschleunigen kann.
  • Der hypothetische Fall von Modul 2 mit Netzentgeltbefreiung auf rückgespeisten Strom ist stets deutlich attraktiver als die Fälle mit Modul 3, wobei auch im hypothetischen Fall sehr viel Energiefluss durch die Batterie stattfindet(nochmals 60 – 80 zusätzliche Batterievollzyklen pro Jahr im Vergleich zu Modul 2 ohne Befreiung).

Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass Modul 3 je nach Netzentgelt-Tarif ähnlich vorteilhaft für V2G ist wie Modul 2 gemäß §14a EnWG. Ob die aktuell erreichbaren Einsparungen von 355 – 539 € pro Jahr und Fahrzeug ausreichend sein werden, um V2G für Kund:innen großflächig attraktiv zu machen, ist jedoch in Anbetracht erheblicher Technologie-Mehrkosten fraglich. Für das gesteuerte, unidirektionale Laden gilt, dass T1 (Modul 3) für alle berechneten Fälle und T2 (Modul 3) außer für Nicht-Pendler 2023 finanziell vorteilhafter als Modul 2 ist.