24.01.2022

Signifikante Lastmanagementpotenziale in Deutschland bis 2045

In einem zunehmend von volatil eingespeisten, regenerativen Energien geprägten Energiesystem stellt der Stromverbrauch keine unveränderliche Größe mehr dar und es ist zu erwarten, dass sich in Deutschland Teile des Stromverbrauchs – insbesondere in der Industrie – zukünftig immer stärker flexibel am Angebot der Stromerzeugung ausrichten. Um diesen Sachverhalt im Rahmen des Netzentwicklungsplans Strom (NEP), der Bedarfsanalyse sowie der Untersuchung zur Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa zu berücksichtigen, wurde von der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (FfE) und Guidehouse ein gemeinsames Gutachten für die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) erstellt.

Der Fokus lag dabei auf den Verbrauchssektoren Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD). In dem Gutachten wurden szenarienabhängig sowohl heutige als auch zukünftige Lastmanagementpotenziale bis 2045 kategorisiert, quantifiziert sowie die regionale und zeitliche Verfügbarkeit bestimmt. Diese konnten zusätzlich anhand durchgeführter Branchen- und Experteninterviews vertieft sowie insbesondere für den kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont validiert werden.

Im Basisjahr 2019 liegt für eine Abrufdauer von einer Stunde ein positives Lastmanagementpotenzial von 1,2 GW vor, das aktuell von im Rahmen der Verordnung zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) präqualifizierten Industrieprozessen der Branchen Aluminium, Papier und Chemie bereitgestellt wird. Zur Beschreibung der Entwicklung der zukünftigen Potenziale dient neben einem Basisszenario, das sich an der Studie „Klimaneutrales Deutschland 2050“ orientiert, zusätzlich ein Szenario mit einem erhöhten Wasserstoffeinsatz sowie ein Szenario, das sich durch eine hohe Elektrifizierung auszeichnet. Bis 2045 findet in allen Szenarien ein signifikanter Anstieg auf bis zu 13,5 GW der erschlossenen Lastmanagementpotenziale statt, vgl. nachfolgende Abbildung

Erschlossenes positives Lastmanagementpotenzial im Basisszenario

Hiervon gewinnen vor allem industrielle Querschnittstechnologien sowie der GHD-Sektor und dort insbesondere Rechenzentren zunehmend an Bedeutung, bis deren Potenziale voraussichtlich ab 2035 jene der industriellen Prozesse übersteigen werden. Das Ergebnis der Regionalisierung in der nächsten Abbildung zeigt, dass zwischen den Szenarien regionale Unterschiede in der Höhe und kategoriellen Zusammensetzung der Lastmanagementpotenziale bestehen.

Regionale Verteilung der Lastmanagementpotenziale (inklusive Rechenzentren)

Die zeitliche Verfügbarkeit der Lastmanagementpotenziale ist insbesondere dann gegeben, wenn die Technologien zu Produktionszeiten eine hohe durchschnittliche Auslastung aufweisen. Die Kosten des Flexibilitätsabrufs werden basierend auf einer Literaturanalyse nach Art des Flexibilitätsabrufs unterschieden, also Lastverschiebung, Lastreduktion und Lastabschaltung. Es zeigt sich, dass für alle Industrieprozesse verschiedene Flexibilitätspotenziale zu unterschiedlichen Kosten abgerufen werden können – geringere Potenziale zu geringeren Kosten (im Bereich weniger hundert EUR/MWh) und deutlich höhere Potenziale, wenn ein Produktionsausfall in Kauf genommen wird und die Abrufkosten damit deutlich höher ausfallen (im Bereich von 1.000 EUR/MWh). Bei Querschnittstechnologien und im Bereich Gewerbe wird analog zwischen verschiedenen Flexibilitätspotenzialen bei unterschiedlichen Kostenniveaus unterschieden. Die Abrufkosten für Lastverschiebung bzw. -reduktion sind hierbei durchgängig sehr niedrig, da ein Einfluss des Flexibilitätsabrufs auf die Produktion ausgeschlossen wird. Für die Lastabschaltung zeigen sich auch in den Bereichen Querschnittstechnologien und Gewerbe höhere Potenziale bei entsprechend deutlich erhöhten Abrufkosten.

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