Ökobilanzen der Wasserstoffinfrastruktur – eine Übersicht
Beim Aufbau einer zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur werden aktuell Aspekte der Finanzierung, der Genehmigung, der technologischer Entwicklung sowie der flächendeckenden Umsetzung berücksichtigt. Jedoch gilt es auch Umweltaspekte mit einzubeziehen, um eine nachhaltige Wasserstoffinfrastruktur zu gewährleisten.
Wasserstoff (H2) lässt sich auf verschiedene Arten transportieren, unter anderem als gasförmiger Wasserstoff (GH2) per Pipeline oder per Schiff als Flüssigwasserstoff (LH2) sowie als Ammoniak (NH3) oder Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC). In diesem Zusammenhang stellt sich aus ökologischer Perspektive die Frage, welche THG-Emissionen mit dem Transport dieser Trägermedien und Transportarten verbunden sind. Wo liegen die ökologischen Hotspots? Und welche Reduktionspotentiale sind möglich?
Um diese Fragen zu beantworten, wurde im TransHyDE-Projekt Systemanalyse eine Metastudie zu Ökobilanzen der H₂-Infrastruktur durchgeführt, in der die Resultate bereits durchgeführter Untersuchungen analysiert wurden. Abbildung 1 zeigt eine Zusammenfassung der Ökobilanzergebnisse aus der Literatur. Dargestellt ist das THG-Potenzial (kg CO₂-Äq.) der untersuchten Trägermedien und Transportmittel in Bezug auf die funktionelle Einheit von einem Kilogramm (kg) Wasserstoff.

Die Ergebnisse weisen eine große Spannbreite auf. Dies ist zum einen auf die Systemgrenzen der untersuchten Studien, die in betrachteten Annahmen – etwa Transportdistanz, Transportmittel, verwendeter Energiemix oder der funktionellen Einheit – variieren. Zum anderen ist die Datengrundlage der Studien mit Unsicherheiten verbunden, da den Berechnungen in der Regel keine Primärdaten zu Grunde liegen.
Obwohl Abbildung 1 keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem umweltfreundlichsten Transportprozess bietet, lassen sich bei Untersuchung der Veröffentlichungen Tendenzen ableiten:
- Das Trägermedium mit dem geringsten ökologischen Fußabdruck bei längeren Distanzen über 1000 km ist tendenziell LH2 [1, 2, 3].
- GH2 weist vergleichbare THG-Emissionen auf und hat insbesondere bei kürzeren Transportdistanzen geringere Umweltauswirkungen als LH2 [4, 5].
- Der H2-Transport mittels chemischer Trägermedien wie LOHC und NH3 ist mit höheren THG-Emissionen verbunden [1, 6, 7]. Dabei weist NH3 tendenziell den geringsten ökologischen Fußabdruck auf [1, 8].
Die Emissionshotspots unterscheiden sich je nach Trägermedium. Insbesondere bei kürzeren Transportdistanzen sind energieintensive Umwandlungs- oder Rückumwandlungsschritte Hauptursache der THG-Emissionen. Folgende Hotspots der Transportemissionen wurden für die untersuchten Trägermedien und Transportmittel identifiziert:
- GH2 per LKW: Transportemissionen, insbesondere beeinflusst durch die angenommene Transportdistanz [7].
- GH2 per Pipeline: Elektrische Energie für den Betrieb der Kompressorstationen zur Einspeise- und Transportverdichtung [2].
- LH2: Energieintensive Verflüssigung des Wasserstoffs, insbesondere bei Verwendung von fossilem Netzstrom [11]. Die Nutzung von Strom aus Windkraft für die Verflüssigung kann zu einer Reduktion der Gesamtemissionen beitragen [6]. Beim Schiffstransport stellt Nutzung von Boil-Off Gas für den Antrieb ein Potential zur Emissionsreduktion dar [1, 11].
- LOHC: Wärmebedarf der Dehydrierung (Rückumwandlung in H2), insbesondere wenn der Wärmebedarf durch Erdgas gedeckt wird [1]. Die Verwendung eines Teils des transportierten Wasserstoffs für die Dehydrierung kann die THG-Emissionen reduzieren [2, 6].
- NH3: Ammoniak-Cracking zur Rückumwandlung in H2 [2]. Eine direkte Nutzung des Ammoniaks (ohne Rückumwandlung) kann in einer Reduktion der Gesamtemissionen resultieren [2, 8].
Ergebnisse verschiedener Sensitivitätsanalysen zeigen, dass die Transportdistanz ein wesentlicher Einflussfaktor auf die ökologische Nachhaltigkeit des H2-Imports darstellt. Die Gesamt-Emissionen steigen mit zunehmender Transportdistanz unabhängig von Trägermedium und Transportmittel [2, 3, 4, 5]. Ursachen sind die Verbrennung von Kraftstoffen bzw. der elektrische Energiebedarf beim Transport per Pipeline. Der Einfluss der Transportdistanz auf die THG-Emissionen unterscheidet sich je Energiegehalt bzw. Transportkapazitäten der Trägermedien. So steigen die Emissionen des LH2-Transports mit steigender Entfernung aufgrund des höheren Energiegehalts weniger stark an als beim GH2-Transport per LKW. Je weiter die Transportdistanz, desto sinnvoller ist die Verflüssigung [4, 5].
Ein weiterer Einflussfaktor ist die Zusammensetzung des verwendeten Energiemixes. Werden erneuerbare Energien, insbesondere Windkraft, genutzt, sinken die Transportemissionen signifikant im Vergleich zum Netzstrom [3, 6, 9,11]. Der Strombezug ist insbesondere für diejenigen Trägermedien relevant, die viel Energie benötigen. Beispielsweise sind die THG-Emissionen pro transportiertem kg H2 für die Trägermedien LOHC & NH3 bei Bezug von Netzstrom 2,4- bis 5-mal höher als bei Strombezug aus Windkraft [3].
Abschließend ist festzustellen, dass sich Umweltwirkungen des H2-Transports in der Literatur insbesondere auf Grund abweichender Systemgrenzen und Datenqualität unterscheiden. Für die konkrete Entscheidungsfindung sind Einzelfallbetrachtungen wesentlich. Eine vollständige Nachhaltigkeitsbewertung im Sinne der Ökobilanz erfordert zudem die Einbeziehung weiterer Umweltwirkungskategorien, wie bspw. Eutrophierung oder Wasserverbrauch.
Literatur:
[1] Arrigoni et al.: Environmental life cycle assessment (LCA) comparison of hydrogen delivery options within Europe. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2024.
[2] Akhtar et al.: Life Cycle Assessment of Inland Green Hydrogen Supply Chain Networks with Current Challenges and Future Prospects in: ACS Sustainable Chemistry & Engineering, 2021.
[3] Noh et al.: Environmental and energy efficiency assessments of offshore hydrogen supply chains utilizing compressed gaseous hydrogen, liquefied hydrogen, liquid organic hydrogen carriers and ammonia in: International Journal of Hydrogen Energy, 2023.
[4] Frank et al.: Life-cycle analysis of greenhouse gas emissions from hydrogen delivery: A cost-guided analysis in: International Journal of Hydrogen Energy, 2021.
[5] Rödl et al.: Assessment of Selected Hydrogen Supply Chains—Factors Determining the Overall GHG Emissions, 2018.
[6] Wulf und Zapp: Assessment of system variations for hydrogen transport by liquid organic hydrogen carriers in: International Journal of Hydrogen Energy, 2018.
[7] Wulf et al: Life cycle assessment of hydrogen transport and distribution options in: Journal of Cleaner Production, 2018.
[8] Dickson et al.: Global transportation of green hydrogen via liquid carriers: economic and environmental sustainability analysis, policy implications, and future directions, 2022.
[9] Hermesmann et al.: The environmental impact of renewable hydrogen supply chains: Local vs. remote production and long-distance hydrogen transport in: Applied Energy, 2023.
[10] Kudoh et al.: Assessing Uncertainties of Life-Cycle CO2 Emissions Using Hydrogen Energy for Power Generation in: Environmental Aspects and Impacts of Hydrogen Technologies, 2021.
[11] Kolb et al.: Renewable hydrogen imports for the German energy transition – A comparative life cycle assessment in Journal of Cleaner Production, 2021.
[12] Kanz et al.: Life Cycle Global Warming Impact of Long-Distance Liquid Hydrogen Transport from Africa to Germany in: Hydrogen, 2023.