13.11.2009

Nutzung von Gewitterenergie

Einleitung

Im Jahr 1752 hat Francois Dalibard auf einen Vorschlag von Benjamin Franklin hin bei einem Gewitter eine 12 m lange Eisenstange, die gegen die Erde isoliert war, senkrecht aufgestellt. Durch die hohe elektrische Feldstärke gegenüber der Erde konnte er Funken mit mehreren Zentimetern Länge ziehen und bewies somit, dass die Blitze eines Gewitters elektrische Phänomene sind. Benjamin Franklin ließ daraufhin einen Drachen mit einer elektrisch leitenden Schnur steigen, womit er noch längere Funken ziehen konnte. Diese eher spielerische Nutzung der Gewitterenergie fand ein jähes Ende, als bei einem dieser Experimente ein Blitz in den Drachen einschlug und den Experimentator tötete.

Bei Betrachtung der enormen Schäden, die ein Blitzeinschlag anrichten kann, liegt der Gedanke nahe, dass diese enorme Energie auch zur Energiegewinnung genutzt werden kann. Auch die physikalischen Eigenschaften eines Blitzes, Ströme von über 100.000 Ampere und Spannungen von über 10 Millionen Volt (10 MV) verleiten zu diesem Gedanken.

Entstehung und Eigenschaften

In einer Gewitterwolke erfolgt durch Auf- und Abwinde in Verbindung mit flüssigen und gefrorenen Wassertropfen eine Ladungstrennung. Dabei lädt sich der obere Teil der Wolke positiv auf, der untere negativ. Diese Ladungstrennung erfolgt auch bei Menschen, die mit Gummisohlen auf einem Teppich laufen. Je mehr Ladungen im unteren Teil der Wolke sind, desto höher ist die Feldstärke in der Wolke, bei Überschreitung der kritischen Feldstärke gibt es Wolke-Wolke Blitze, welche die Mehrzahl der Blitze darstellen.

Durch die Ladung der Wolke ergibt sich auch eine Spannung bzw. ein elektrisches Feld gegenüber der Erdoberfläche. Steigt das Feld über die kritische Feldstärke, dann kann sich ein Blitz bilden. Durch den Blitz werden Ladungen ausgetauscht und somit die Feldstärke reduziert. Ein Blitz entspricht der Entladung eines Kondensators. Ähnlich wie bei einem Menschen, der sich auf einem Teppich statisch auflädt, steigt zuerst die Spannung auf mehrere Tausend Volt. Berührt der Mensch dann einen leitenden, geerdeten Gegenstand, so entlädt er sich mit einem kurzen, hohen Strom, den der Mensch als elektrischen Schlag bemerkt.

Da die maximale Spannung und der maximale Strom bei der Entladung eines Kondensators bzw. bei einem Blitz nicht zeitgleich auftreten, kann die Energie nicht durch Multiplikation von maximalem Strom, maximaler Spannung und Zeit berechnet werden. Da ein Blitz ein natürliches Phänomen ist, gibt es keinen typischen Blitz, sondern mehrere Kategorien, die sich z.B. in Polarität, maximaler Spannung, maximalem Strom, Ladung und Dauer unterscheiden. Daher werden im Folgenden lediglich typische Einzelgrößen zur Berechnung genutzt, um nicht eine Blitzkategorie verstärkt zu behandeln.

Als stark vereinfachtes Berechnungsmodell kann ein „Wolke-Erde Kondensator“, der die Blitzenergie enthält, genutzt werden. Bei einem starken Blitz beträgt die ausgetauschte Ladung 100 As bei einer anfänglichen Spannung von z.B. 10 MV. Daraus ergibt sich eine Energie von ca. 277 kWh. Dies entspricht dem Energieinhalt von ca. 31 l Benzin, einem halb gefüllten Automobiltank.

Ein großer Teil der Energie des Blitzes wird jedoch im Blitzkanal in Wärme und Licht umgewandelt. Um die am Boden ankommende Energie eines Blitzes zu berechnen, wird die Energie zu Grunde gelegt, die z.B. an einem Baum oder Blitzableiter abgegeben wird. Die Art und der Widerstand des Gegenstands, über den der Blitz schließlich den Erdboden erreicht, hat wegen der hohen Spannung keinen Einfluss auf den Blitz. Ist der Widerstand klein, dann dominiert der Widerstand des Blitzkanals. Ist der Widerstand zu hoch, dann fließt nur ein kleiner Teil des Stroms durch den Gegenstand, der Rest fließt z.B. durch die Luft zum Boden. Daher wird von einem fest eingeprägten Stromverlauf ausgegangen, durch den an der Einschlagstelle eines starken Blitzes eine spezifische Energiedichte von 5,6 MJ/Ω und ein maximaler Strom von 150 kA vorhanden sind [2]. Bei einem Widerstand von 10 Ω ergeben sich ca. 16 kWh (entspricht ca. 2 l Benzin) bei einem Spannungsabfall von 1,5 Millionen Volt.

Blitzdichte und -anzahl

In Deutschland werden pro Jahr ca. 1,8 Millionen Blitzeinschläge registriert (Mittelwert 1999 bis 2004). Die Anzahl der Blitzeinschläge pro Jahr ist regional jedoch stark unterschiedlich, sie reicht von weniger als einem Blitz bis zu neun Blitzen pro Quadratkilometer und Jahr (siehe Abbildung 1). Besonders exponierte Stellen wie hohe Sendemasten oder Berggipfel weisen eine höhere Blitzdichte auf als flache Landschaften. Der Sendemast auf dem Gaisberg bei Salzburg wird jährlich von ca. 40 bis 60 Blitzen getroffen.

Blitzdichte in Süddeutschland 1992 bis 1994

Energie und Leistung

Vergleicht man die Energie der Blitze, die am Boden ankommt, mit der solaren Einstrahlung, so liefert ein km² in Süddeutschland mit neun Blitzen pro Jahr maximal 2,5 MWh/Jahr, dies entspricht 0,0025 kWh/(m² Jahr). In der selben Zeit liefert die jährliche Globalstrahlung der Sonne ca. 950 kWh/m², also etwa die 380.000-fache Energie.

Wenn in einem Blitz so wenig Energie steckt, wieso ist dann das Zerstörungspotential so groß? Bei einem Blitz wird die komplette Energie innerhalb weniger Millisekunden freigesetzt, kurzzeitig eine sehr hohe Leistung. Dadurch ergeben sich räumlich stark begrenzt sehr hohe Temperaturen. Bei einem Blitzeinschlag in einem Baum verdampft das Wasser im Stromweg explosionsartig, das umgebende Holz gibt dem Dampfdruck nach und zerspleißt. Analog könnte man die Verbrennung von einem Sprengstoff wie TNT und von Holz vergleichen. Der spezifische Energieinhalt (Heizwert ca. 1,3 kWh/kg) von TNT ist um ca. 75 % geringer als der von Holz. Dennoch ist TNT weitaus gefährlicher als Holz, da es die Verbrennungsenergie innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums freisetzt, ähnlich wie ein Blitz.

Triggerung von Blitzen

Ein Problem bei der Nutzung der Gewitterenergie stellt auch das einfangen bzw. triggern eines Blitzes dar. Hierzu wird bei Experimenten gewartet, bis die Feldstärke am Boden so hoch ist, dass man annehmen kann, dass die Gewitterwolke direkt über dem Messpunkt liegt. Dann wird mit einer kleinen Rakete ein dünner, mit der Erde verbundener Draht nach oben geschossen. Bei ca. 60 % der Versuche schlägt dann ein kleiner Blitz in den Draht ein [3]. In Russland, Japan und den Vereinigten Staaten von Amerika gab es Versuche, mit einem Laser die Luft zu ionisieren, um Blitze zu triggern. Ziel war der Schutz von empfindlichen Bereichen, etwa Umspannwerke, Kraftwerke oder Flughäfen. Der gewünschte Erfolg blieb aber aus, da selbst starke Laserstrahlen nach ca. 30 m so breit werden, dass keine Luftionisation mehr erfolgt.

Nutzung der Blitzenergie

Die kurzen Anstiegszeiten in Verbindung mit sehr hohen Strömen (typisch 50 kA in 25 µs) ergeben selbst bei guten Leitern wie Kupfer hohe induktive Widerstände. Durch diese Widerstände würde sich die Energie, welche bei Ladung eines Kondensators mit der Blitzenergie aufgenommen werden kann, wiederum reduzieren. Zusätzlich können durch die hohen Ströme so starke Magnetfelder entstehen, dass bei einem Haus ohne Blitzschutzanlage die Wasserleitungen aus den Wänden gerissen werden können. Eine einfache Speicherung in einem Kondensator ist daher nicht möglich, zusätzlich würde die Umrichteranlage zur Einspeisung der Kondensatorenergie in das Stromnetz hohe Kosten verursachen.

Wirtschaftliches Potenzial

An der Strombörse EEX in Leipzig wird das Jahresband 2005 mit ca. 50 €/MWh (5 Ct/kWh) gehandelt. Bei diesem Stromerlös könnte die am Boden ankommende Energie eines Blitzes für 0,80 € verkauft werden. Selbst wenn es möglich wäre, die komplette Energie von 277 kWh z.B. in einem Kondensator aufzufangen, dann wäre der Erlös pro Blitz ca. 14 €. Bei 14 € pro Blitz wären durch den Verkauf der Blitzenergie von z.B. allen 60 Blitzeinschläge am Gaisberg im besten Fall rund 830 €/Jahr zu erhalten, beim Verkauf der Blitzenergie die am Boden ankommt nur ca. 50 €/Jahr. Eine Anlage zur Nutzung von Blitzenergie müsste folglich sehr geringe Investitionskosten haben, um rentabel betrieben werden zu können.

Zusammenfassung

Während das Schadenspotenzial eines Blitzeinschlags durch die kurze Zeit, in der die Energie freigesetzt wird, enorm ist, ist die Menge der umgesetzten Energie gering. Zudem wird ein großer Teil der Blitzenergie im Blitzkanal in Wärme und Licht umgewandelt. Hierzu kommt, dass selbst an exponierten Stellen wie Sendemasten auf Bergen weniger als hundert Blitze pro Jahr einschlagen, die jährliche Ausnutzungsdauer einer Anlage wäre äußerst gering. Selbst wenn eine Speicherung oder Umwandlung der Blitzenergie technisch möglich wäre, zeigt eine Betrachtung der jährlich erzielbaren Erlöse, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.

Literatur

[1] Finke, U.; Hauf, T.: Bayerische Blitzstatistik – ein Instrument zur Erkennung des klimatischen Trends schadenbringender sommerlicher Unwetter. Diplomarbeit am DLR, Oberpfaffenhofen; 1995.

[2] Hasse, P.; Wiesinger, J.: Handbuch für Blitzschutz und Erdung. vde-Verlag Berlin; 1993, 4. Auflage. ISBN3-8007-1882-0

[3] Hubert, P.; et. al.: Triggered lightning in New Mexico. Journal of Geophysical Research (ISSN 0148-0227), vol. 89, 1984

[4] Medienarchiv Wikimedia Commons: http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Lightning3.jpg?uselang=de

  • Dr.-Ing. Thomas Gobmaier
    Ehemaliger Mitarbeiter