01.02.2013

Niederspannungs-Gleichstromnetze – Vor- und Nachteile

Effizienzerhöhung in der Breite oder als Nischenmarkt?

Wechselstrom hat sich bei der Energieerzeugung, -übertragung, -verteilung und dem Energieverbrauch weltweit durchgesetzt, da er mit einfacher Technik zum Transport auf hohe Spannung, und zum Verbrauch auf niedrige Spannung transformiert werden kann. Fortschritte in der Leistungselektronik ermöglichen bei sehr langen Transportstrecken eine verlustärmere Energieübertragung mittels Gleichstrom anstelle von Wechselstrom. Kraftfahrzeuge, Flugzeuge oder z.B. U-Bahnen haben seit Langem eigene Gleichstromnetze. So kommt immer wieder die Frage auf, ob in Büro- oder Wohngebäuden ein Gleichstrom- anstelle eines Wechselstromnetzes keine energetischen Vorteile hätte. Computer, Mobiltelefone, Flachbildfernseher und eine Vielzahl kleinerer Geräte wandeln mittels verlustbehafteten Netzteilen die 230 V Wechselspannung in die für den Betrieb benötigte Gleichspannung um. Andere Verbraucher wie Energiesparlampen, Frequenzumrichter für Motoren oder Mikrowellen bauen sich mit Netzteilen eine eigene Stromversorgung mit abweichenden Frequenzen und Spannungen auf, und können mit Gleich- oder Wechselspannung versorgt werden. Die Art der Versorgung ist auch für weitere Verbraucher wie Elektroherde oder Universalmotoren (Fön, Staubsauger, Mixer, Ventilatoren) nicht von Belang, solange die Höhe der Spannung stimmt. Es gibt in Haushalten nur wenige Verbraucher (z.B. alte Heizungsumwälzpumpen oder die meisten Kühlschränke), welche Wechselstrom benötigen.

Vorteile von Gleichstromnetzen

So liegt der Gedanke nahe, mit einem Gleichstromnetz im Haus eine Vielzahl an Netzteilen einsparen zu können, wenn man die Verbraucher direkt an die Gleichspannung anschließen kann. Neben dem Kostenvorteil erhöht sich auch die Effizienz, da die Umwandlungsverluste nur noch an einem optimierten zentralen Netzteil anfallen.

Ein weiterer Vorteil wäre, dass Strom aus PV-Anlagen direkt ins Hausnetz eingespeist werden kann, ebenso wie der Strom aus regenerativ gespeisten Batterien.

Im Gespräch sind Niederspannungs-Gleichstromnetze (von 12 V bis 50 V) welche gegen Berühren nicht sonderlich geschützt werden müssen. Bei Computernetzwerken gibt es mit Power over Ethernet bereits erste Gleichstromnetze zur Versorgung von Netzwerkkomponenten mit einem zentralen Netzteil, wodurch nicht an jedem Endpunkt des Netzwerkes z.B. für einen WLAN Router eine Steckdose vorhanden sein muss. Hochspannungs-Gleichstromnetze (>50 V), welche z.B. in Hybrid-Pkw vorhanden sind, müssen gegen Berühren sehr gut geschützt werden, da die Spannung tödlich sein kann.

Unterschiedliche Spannungsniveaus

Die Nennspannung ist für alle Geräte eine wichtige Betriebsgröße. Bei Unterschreitung ist kein zufriedenstellender Gerätebetrieb mehr möglich, bei Überschreitung wird das Gerät überhitzt oder zerstört. Ein Standard-Laptop verfügt beispielsweise über ein Netzteil, welches die 230 V Wechselspannung auf 19,5 V Gleichspannung umwandelt. Mit einem 12 V Netz wäre die Spannung zu gering um z.B. die Akkus zu laden, mit einem 380 V Netz viel zu hoch – ein direkter Anschluss wäre in keinem der Fälle möglich. Intern erzeugt der Computer mit einem Gleichstromwandler (DC/DC Wandler, eine Art Netzteil) für den Betrieb seiner Komponenten wie Festplatte, Display und Prozessor die Spannungen +12 V, +5 V, -5 V und 3,3 V. Die 3,3 V werden dann auf der Hauptplatine wiederum in eine geringere stabilisierte Spannung umgewandelt. Mit einem Gleichstromnetz mit 19,5 V könnte also nur einer der vielen Umwandlungsschritte ersetzt werden. Hat das Netz eine abweichende Spannung, würde wiederum ein vorgeschaltetes Netzteil zur Spannungswandlung und –stabilisierung vorgeschaltet werden müssen. Der Vorteil eines Gleichstromnetzes ist bei elektronischen Bauteilen nur vorhanden, wenn das Netz genau die benötigte Spannung aufweist. Doch 19,5 V für den Laptop, 12 V für den Anrufbeantworter und 5 V für das Mobiltelefon erschweren die Suche nach der optimalen Spannung. Es könnte also nur ein Teil der Netzteile eingespart werden.

Wird ein Gleichstromnetz direkt aus Batterien gespeist, ergeben sich bei Ladung oder Entladung der Batterien unterschiedliche Spannungsniveaus, welche für empfindliche Verbraucher wiederum Maßnahmen zur Stabilisierung notwendig machen.

Für spezielle Anforderungen wie z.B. in großen Rechenzentren kann die Installation von mehreren Gleichstromnetzen für z.B. 12 V und 5 V sinnvoll sein, sowohl wegen der höheren Effizienz größerer Netzteile, als auch um die bei der Umwandlung entstehende Wärme außerhalb der Serverräume abführen zu können. Doch in Bürogebäuden oder Wohngebäuden mehrere Netze unterschiedlicher Spannung mit den entsprechenden Steckdosen aufzubauen erscheint bei der geringen Anzahl an Volllaststunden der Verbraucher auf den Spannungsebenen nicht wirtschaftlich.

Kostendegression durch hohe Stückzahlen

Durch die Herstellung in großen Mengen sind Geräte aus dem Massenmarkt vergleichsweise günstig zu erwerben. Da diese Geräte auf Wechselstrom ausgelegt sind und keine Gleichstromversorgung akzeptieren, hätten die ersten Verbraucher mit Gleichstromnetzen deutlich höhere Preise für die Geräte zu zahlen, was einen Umstieg unattraktiv macht.

Komplexe Systemintegration

Wird ein Gerät abgeschaltet, dann entsteht häufig ein Lichtbogen. Da bei Gleichstrom aber kein Nulldurchgang vorhanden ist, welcher das Abreißen des Lichtbogens unterstützt, sind Gleichstromschalter und Sicherungen bei gleicher Leistung deutlich teurer als Wechselstromkomponenten. Um bei Zu- oder Abschaltung eines Verbrauchers bei einem Gleichstromnetz keine unzulässig hohen Spannungsschwankungen zu erhalten, ist eine aufwändige Regelungstechnik zur Anpassung der ins System gespeisten Leistung notwendig, welche auch zwischen hoher Last und Kurzschluss am Ende längerer Versorgungsleitungen zuverlässig unterscheiden können muss. Die Regelung muss auch kurzfristig genug Energie für Einschaltspitzen vorhalten.

Mögliche Effizienzsteigerungen

Moderne Netzteile mit Leistungselektronik sind deutlich leichter, kleiner und haben höhere Wirkungsgrade als alte Netzteile mit Trafo. Der Wirkungsgrad moderner Netzteile entspricht dem von hochwertigen DC/DC Wandlern. Der Umstieg von Wechselstromnetzen mit Netzteil auf Gleichstromnetze mit DC/DC Wandler zur Spannungsanpassung bietet keine deutliche Verbesserung des Wirkungsgrades. Wird ein Niederspannungs-Gleichstromnetz verwendet, dann fließen für dieselbe Leistung höhere Ströme – wodurch die quadratisch vom Strom abhängigen Kabelverluste steigen. Als Abhilfe könnten dickere Kabel verwendet werden, was wiederum den Preis erhöht.
Effizienzgewinne von 5 % bis 10 % sind für einige Geräte denkbar, doch bei Beleuchtung, Herd oder Kühlschrank, welche den größten Teil des häuslichen Strombedarfs ausmachen, bringt ein Umstieg auf Gleichstromtechnik kaum Vorteile.

Fazit

In Nischenmärkten können Gleichstromnetze bereits heute zur Steigerung der Effizienz und Senkung der Kosten beitragen. Für eine flächendeckende Verdrängung des seit über 100 Jahren fortwährend optimierten Drehstromsystems sind die Vorteile aber vermutlich zu gering.