Nicht-statische Stromlieferverträge: Rechtlicher Hintergrund und Herausforderungen für die Anwendung beim strompreisoptimierten Laden
Die verstärkte Klimapolitik der Bundesregierung und der EU-Kommission in den letzten Jahren hat zu maßgeblichen rechtlichen Änderungen im Klimaschutz- und Energierecht geführt. Betroffen ist davon unter anderem der rechtliche Rahmen variabler Stromlieferverträge, welche insbesondere beim strompreisoptimierten Laden von Elektrofahrzeugen in den Fokus rücken. Das Forschungsprojekt Trade-EVs II beschäftigt sich mit der Aggregation und preisoptimierten Vermarktung elektrischer Fahrzeugflotten, um deren Betriebskosten zu senken. Im Rahmen dessen hat die FfE gemeinsam mit der Anwaltskanzlei Schweizer Legal den rechtlich-regulatorischen Kontext von variablen Strompreistarifen im Kontext der Anwendung auf Elektrofahrzeuge untersucht und in einem Grundlagenpapier aufbereitet. Es zeigt sich: Innerhalb des derzeitigen regulatorischen Rahmens sind variable Strompreistarife für Letztverbraucher nicht attraktiv.
Untersuchungsgegenstand „Strompreisoptimiertes Laden“
Das vorliegende Grundlagenpapier analysiert den rechtlichen Rahmen sowie auftretende Herausforderungen nicht-statischer Stromtarife im Kontext des gesteuerten Ladens von Elektrofahrzeugen. Fokus der Analyse ist das Laden von Elektrofahrzeugen im privaten und nicht-öffentlichen Bereich. Untersuchungsgegenstand ist der Anwendungsfall „Strompreisoptimiertes Laden“, welcher im Kontext des Projekts Trade-EVs II auf die Senkung der Ladekosten unter Berücksichtigung der Anforderungen der Fahrzeugnutzer:innen abzielt.
Rechtlicher Rahmen der Stromlieferung
Zunächst wird der rechtliche Rahmen der Stromlieferung umfassend erläutert. Stromlieferverträge können auf zwei Arten geschlossen werden; innerhalb und außerhalb der Grundversorgung. Weiterhin unterscheiden sie sich in reine Stromlieferverträge, welche nur die Stromlieferung als solche umfassen, und in All-inclusive Stromlieferverträge, welche neben der Stromlieferung auch die Netznutzung und den Messstellenbetrieb beinhalten. Der Gesamtstrompreis setzt sich aus dem Energiepreis, den Netz- und Messentgelten sowie staatlich induzierten Preisbestandteile zusammen. Eine Übersicht der Strompreisbestandteile sowie deren Unterteilung in wettbewerbliche und regulierte Preisbestandteile ist in Abbildung 1 dargestellt. Aktuell können nur die wettbewerblichen Preisbestandteile – der reine Energiebeschaffungspreis – dynamisch gestaltet werden. Dieser hat im Jahr 2020 jedoch nur ca. 25 % des Gesamtstrompreises ausgemacht [1].
Unter einem Stromtarif versteht man die auf die Preisgestaltung bezogenen Bestimmungen eines Stromliefervertrages. Stromtarife können auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden, z. B. in Abhängigkeit des Verbrauchs (Abbildung 2). Im Grundlagenpapier werden rechtliche Hintergründe zu pauschalen, einteiligen, statischen und nicht-statischen Stromtarifen erläutert.
Nicht-statische Stromtarife
Eine Voraussetzung für den Anwendungsfall „Strompreisoptimiertes Laden“ ist die Nutzung eines nicht-statischen Stromtarifs für die Ladung des Elektrofahrzeugs. Bei nicht-statischen Stromtarifen nimmt die verbrauchsabhängige Erlöskomponente mehr als einen Zustand ein und ist entweder zeit-, last- oder verbrauchsabhängig (Abbildung 3) [2]. Weiterhin werden im Grundlagenpapier nicht-statische Stromtarife (Abbildung 3) vorgestellt und eine Marktübersicht zu den aktuell verfügbaren, nicht-statischen Stromtarifen dargestellt.
Herausforderungen für den Markthochlauf von nicht-statischen Stromtarifen
Aktuell bestehen rechtlich und regulatorische, wirtschaftliche, technische und kommunikative Herausforderungen für die Nutzung variabler Strompreistarife, welche im Grundlagenpapier diskutiert werden. Es lässt sich festhalten, dass insbesondere der bisher geringe variable Anteil des Energiepreises am Gesamtstrompreis einen eingeschränkten Spielraum zur Ausnutzung günstiger Strompreise bietet. Die entsprechend mangelnde Wirtschaftlichkeit stellt eine Hemmnis zur Nutzung variabler Stromtarife dar. Auch der verzögerte Smart-Meter-Rollout in Deutschland sowie die Verschiebung des Preisrisikos von Energielieferanten zu Privatpersonen wurden als Herausforderungen für variable Strompreistarife identifiziert.
Ausblick
Der bisherige regulatorische Rahmen für Stromlieferverträge schränkt die Wirtschaftlichkeit von nicht-statischen Strompreistarifen stark ein. Allerdings ist sich der Gesetzgeber dieser Problematik bewusst und entwickelt die rechtlichen Rahmenbedingungen von staatlich induzierten Preisbestandteilen weiter. Daneben bleibt abzuwarten, wie sich das EuGH Urteil (C-718/18) auf die zukünftige Ausgestaltung und Höhe der Netznutzungsentgelte auswirken wird. Letztendlich darf die Frage der Nutzerakzeptanz bei der Betrachtung von variablen Stromtarifen keinesfalls vernachlässigt werden. Mechanismen zum Schutz von Letztverbrauchern vor hohen Preisrisiken sind essentiell und sollten sowohl im Interesse des Gesetzgebers, als auch der Stromlieferanten liegen.
Literatur
[1] Bundesnetzagentur | Bundeskartellamt (2021). „Monitoringbericht 2020“, Bonn.
[2] Braithwait, Hansen und Kirch (2006). “Incentives and Rate Designs for Efficiency and Demand Response”, Christensen Associates Energy Consulting LLC, Madison.