09.05.2020

Modellierung und Bewertung von Maßnahmen zur kosteneffizienten CO2-Verminderung im Sektor private Haushalte

Dissertation von Jochen Conrad – eingereicht am 08.01.2020 bei der Technischen Universität München, angenommen durch die Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik am 09.05.2020. Prüfer der Dissertation: Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner und Prof. Dr.-Ing. Thomas Auer

Kurzfassung:

Im Jahr 2016 verursachten private Haushalte 23 % der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland. Die Umsetzung von CO2-Verminderungsmaßnahmen schreitet hier nur langsam voran. Eine zusätzliche und ehrgeizige Umsetzung von Maßnahmen ist notwendig, um die von der Bundesregierung formulierten Emissionsreduktionsziele zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund werden Maßnahmen bewertet, welche einen relevanten Beitrag zu einem klimaneutralen Gebäudebestand leisten können. Die Identifikation und Auswahl von Maßnahmen erfolgt auf Basis einer anwendungsorientierten Emissionsbilanz. Um die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Kosten, Emissionen und Lastgänge des Sektors zu quantifizieren, wurde das Sektormodell der privaten Haushalte entwickelt, welches aus zwei Modulen besteht. Durch einen Stock-and-Flow-Ansatz wird die Anzahl an Gebäuden und Anlagen über den Zeitraum von 2020 bis 2050 fortgeschrieben. Dieser zeichnet sich durch einen Rück- und Zubaualgorithmus auf Basis der Nutzungsdauer und des Anlagen- bzw. Gebäudealters sowie durch eine maßnahmenspezifische Verdrängungslogik aus. Für 32 repräsentative Typgebäude wird darüber hinaus der stündliche Raumwärmebedarf simuliert. Dieser dient der technologiespezifischen Synthese von Endenergielastgängen. Dazu werden für jedes Typgebäude außentemperaturabhängige Leistungszahlen von Wärmepumpen ermittelt, die nutzbare solarthermische Wärmeerzeugung simuliert und typische Anlagen-, Speicher- bzw. Verteilverluste berücksichtigt. Anschließend folgt eine Kalibrierung des Modells mit dem Endenergieverbrauch der deutschlandweiten Statistik. Neben den CO2-Verminderungskosten werden die Maßnahmen auch anhand ihrer Wechselwirkungen, ihrer Pfadabhängigkeiten sowie ihrer Rückwirkungen auf den Bereitstellungssektor bewertet. Werden entsprechend dem aktuellen Trend auch zukünftig überwiegend Luftwärmepumpen installiert und wärmegeführt betrieben, so hat dies zur Folge, dass die maximale Residuallast stark steigt. Aus diesem Grund wird der Nutzen einer Lastflexibilisierung elektrischer Heizsysteme mittels  Wärmespeicher zur Reduktion der maximalen Residuallast sowie zur Integration Erneuerbarer Energien diskutiert. Ausgehend von den Ergebnissen der Maßnahmenbewertung wird ein Klimaschutzszenario der privaten Haushalte entwickelt, welches beschreibt, wie ein klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden kann.

Im Vergleich zu elektrischen Luftwärmepumpen führen nur regelbare Thermostate zu geringeren CO2-Verminderungskosten. Aufgrund des begrenzten Potenzials können regelbare Thermostate jedoch nur als flankierende Maßnahme dienen. Aus Kostensicht sollte deshalb ein Großteil der Emissionsreduktion privater Haushalte durch den Einbau elektrischer Wärmepumpen erfolgen. Alternative Maßnahmen wie die Verbrennung erneuerbarer Brennstoffe führen zu höheren Verminderungskosten, könnten jedoch zur Dekarbonisierung in Gebäuden eingesetzt werden, die nicht für die Versorgung mittels elektrischer Wärmepumpen geeignet sind. Eine frühzeitige Umsetzung der Maßnahmen ist nicht nur kosteneffizienter, sondern auch aufgrund der geringen Transformationsgeschwindigkeit des Sektors sinnvoll. Der Fokus des Handelns sollte dabei auf alte Gebäude gerichtet werden.

Die Maßnahmenumsetzung in privaten Haushalten ist im Vergleich zu anderen Sektoren mit hohen Verminderungskosten verbunden. Die Ausgestaltung von Anreizmechanismen zur zeitnahen Umsetzung der Maßnahmen sowie die sozial gerechte Verteilung der entstehenden Kosten sollte Bestandteil zukünftiger Forschung sein.

  • Dr.-Ing. Jochen Conrad
    Ehemaliger Mitarbeiter