Modellgestützte Optimierung im Industriesektor: Beitrag zu einer kosteneffizienten Industriewende
Tagungsbeitrag zum 16. Symposium Energieinnovationen 2020 (EnInnov) vom 12.02-14.02.2020 an der Technischen Universität Graz mit dem Konferenztitel Energy for Future – Wege zur Klimaneutralität
Motivation und Hintergrund
Nach dem IPCC sind die anthropogenen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) bis 2030 um 45 % und bis 2050 um 100 % ggü. 2010 (~37 Mrd. tCO2-Äqui.) zu reduzieren, um die Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen [1], [2]. Die weltweiten THG-Emissionen entsprechen derzeit etwa 42 Mrd.tCO2‑Äqui. pro Jahr (Referenz: 2017) [1], [2]. Zwar beträgt der Anteil Deutschlands daran gegenwärtig nur etwa 2 % [3], historisch gesehen ist Deutschland jedoch für einen deutlich größeren Emissionsausstoß verantwortlich. Demgemäß ist der Anteil Deutschlands an den Gesamtemissionen zwischen 1970 und 2017 auch knapp doppelt so hoch (~ 4%) [3]. Die deutsche Industrie emittierte im Jahr 2017 etwa 193 Mio. tCO2-Äqui. und ist damit der Sektor mit dem zweithöchsten THG-Ausstoß [4]. Für eine treibhausgasneutrale Industrie sind neben der Energieeffizienz Maßnahmen wie die Elektrifizierung, CO2‑Abscheidung sowie synthetische Brennstoffe erforderlich [5]. Um die Auswirkungen verschiedener Maßnahmen im Industriesektor zu erfassen, werden Simulationsmodelle verwendet. Es existieren bereits zahlreiche Modelle, die Transformationspfade für die deutsche Industrie berechnen [6], [7], [8], [9], [10], [11]. Während im Bereitstellungssektor Transformationspfade kostenminimal auf der Basis von linearen Kostenfunktionen abgeleitet werden [12], sind aufgrund der Heterogenität in der Industrie meist Experteneinschätzungen und andere Priorisierungsinstrumente bei der Umsetzung von THG-Verminderungsmaßnahmen maßgebend [6], [7], [8], [10], [11]. Um aus makroökonomischer Perspektive Kosteneffizienz in der Industriewende zu ermöglichen, wird das Sektormodell Industrie (SmInd) um kostenoptimale Transformationspfade zur Senkung industrieller THG‑Emissionen erweitert.
Methodik
Abbildung 1 zeigt einleitend die in fünf Bestandteile untergliederte Methodik. Basierend auf [6] und [13] wird das SmInd-Technologiemixmodul um die Möglichkeit der kostenoptimalen Kombination von THG-Verminderungsmaßnahmen erweitert.
Ergebnisse
Im Rahmen der Publikation wird eine Methodik entwickelt, die es dem Sektormodell Industrie ermöglicht, kostenminimale Transformationspfade aus makroökonomischer Perspektive abzuleiten. Im Gegensatz zu anderen Modellen, die industrielle Transformationspfade festlegen, wird die Geschwindigkeit der Maßnahmenumsetzung an ein vorgegebenes Klimaschutzambitionsniveau gebunden. Die Grundlage für die lineare Optimierung bildet eine Kostenfunktion, welche die Maßnahmenkombination bei minimalen Kosten und gegebener CO2‑Zielsetzung berechnet. Durch sensitive Analysen verschiedener Umsetzungsmethoden wird zudem der Mehrwert einer kostenoptimalen Maßnahmenkombination im Industriesektor herausgearbeitet.
Literatur:
[1] Masson-Delmotte, Valérie et al.: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger – Ein IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut. Genf: IPCC, 2018.
[2] IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung – Ein IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut. Bonn: Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, 2019.
[3] M., Guizzardi, D., Schaaf, E., Crippa, M., Solazzo, E., Olivier, J.G.J., Vignati, E. Fossil CO2 emissions of all world countries – 2018 Report, EUR 29433 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2018, ISBN 978-92-79-97240-9, doi:10.2760/30158, JRC113738.
[4] Klimaschutz in Zahlen – Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik. Berlin: BMU, 2018.
[5] Hübner, Tobias et al.: Application-side merit-order-curves for synthetic fuels in the German energy system. In: 13th International Conference on Energy Economics and Technology Mai/2019. Dresden: TU Dresden, 2019
[6] Hübner, Tobias et al.: 2019 Small-scale modeling of individual GHG abatement measures in the industry. In: 8th International Ruhr Energy Conference (INREC) (University Duisburg-Essen) 09/2019. München: Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE), 2019.
[7] Fleiter, Tobias et al.: A methodology for bottom-up modelling of energy transitions in the industry sector: The FORECAST model. Karlsruhe: Fraunhofer Institute for Systems and Innovation Research (ISI), 2018.
[8] Kube, Mathias et al.: Marktverfügbare Innovationen mit hoher Relevanz für die Energieeffizienz in der Industrie. Berlin: Ecofys, 2017.
[9] Primes model version 2018 – Detailed model description. Athens: E3M-Lab, National Technical University of Athens, 2019.
[10] Schneider, Clemens et al.: Risks and opportunities associated with decarbonising Rotterdam’s industrial cluster. In: Environmental Innovation and Societal Transitions 05/2019. Wuppertal: Wuppertal Institute for Climate, Environment and Energy, 2019.
[11] Lorenczik, Stefan et al.: Kosteneffiziente Umsetzung der Sektorenkopplung. Köln: ewi Energy Research & Scenarios GmbH, 2018
[12] Böing, Felix; Murmann, Alexander; Pellinger, Christoph: ISAaR – Integriertes Simulationsmodell zur Anlageneinsatz- und Ausbauplanung mit Regionalisierung in: http://ffe.de/themen-und-methoden/modelle-und-tools/625-isaar-integriertes-simulationsmodell (Abruf:12.09.2017) Archived by WebCite http://www.webcitation.org/6tQ5Gxmi1. München: Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE), 2016.
[13] Hübner, Tobias et al.: Modellgestützte Analyse synthetischer Brennstoffe in der Industrie bei ambitioniertem Klimaschutz. München: Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE), 2019.