Mehr Tempo beim Smart-Meter-Rollout – Wo liegen die Herausforderungen?
Im zunehmend aus erneuerbaren, volatilen Quellen gespeisten Stromnetz nimmt die Integration von kleinteiligen Flexibilitäten eine zentrale Rolle ein. Intelligente Messysteme, auch Smart Meter genannt, sind die digitale Basistechnologie, um dies zu ermöglichen. Durch ihre Funktionalitäten wie die Übermittlung von Messwerten und Steuersignalen über Smart Meter Gateways (SMGW) können nicht nur kleinteilige Flexibilitäten ins Energiesystem integriert und so die Stromnetze entlastet werden, sondern es ergeben sich darüber hinaus auch Möglichkeiten für Erzeuger, Verbraucher und Prosumer, am Energiemarkt aktiv teilzunehmen. In den nächsten Jahren soll daher die Anzahl installierter Smart Meter in Deutschland auf etwa 16 bis 18 Mio. ausgebaut werden [1]. Wir haben uns angesehen, welche Prozessschritte Einfluss auf den Smart-Meter-Rollout haben und am Rollout beteiligte Projektpartner aus dem Projekt unIT-e² dazu interviewt, welche aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze es gibt. Abbildung 1 zeigt die Prozessschritte und Entwicklungen auf. Die Inhalte sind umfänglich in der Fachzeitschrift VDI Energie und Umwelt 1/2 2024 erschienen und sind im Downloadbereich verfügbar.
Das GNDEW vereinfacht die Implementierung neuer Tarifanwendungsfälle
Neue energiewirtschaftliche Anwendungen erfordern die Implementierung weiterer Funktionalitäten im SMGW. Neben standardisierten Tarifanwendungsfällen (TAFs) müssen Softwarelösungen für den Betrieb und die Administration der Geräte entwickelt werden. Schließlich muss das Gerät durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rezertifiziert werden. Die Regelung, nach der bislang Geräte von drei voneinander unabhängigen Herstellern zertifiziert werden mussten, entfällt. Dies vereinfacht den Rollout weiter entwickelter Geräte, wobei die sich häufig ändernde Regulatorik stets viel Entwicklungs- und Zertifizierungsaufwand mit sich bringt. „Bei so vielen Akteuren kann man nichts alleine machen – die Abstimmung bei Änderungen ist ein Bottleneck“, so ein Interviewpartner. Beispielsweise müssen ab 2025 allen Verbrauchern dynamische Stromtarife angeboten werden. Solche Tarife können mit TAF5 durch die Implementierung ereignisvariabler Tarife umgesetzt werden [2]. „Insgesamt beträgt die Umsetzungszeit etwa sechs bis acht Monate“, so ein Interviewpartner.
„Das Eichrecht wird den Rollout massiv verändern“
Weiterhin müssen die Geräte geeicht werden. Bis Anfang des Jahres sah das Eichrecht eine Zertifizierung der SMGWs und einzelner Bauteile durch die Landeseichdirektionen vor. Dies verursachte erheblichen Aufwand. Um dem entgegenzuwirken, wurde am 31. Januar 2024 ein Gesetz zur Änderung des Eichrechts verabschiedet [3]. Damit werden die eichrechtlichen Vorschriften zu Software-Updates vereinfacht und die Eichung für Smart Meter entfristet. Die Vereinfachung des Eichrechts „wird den Rollout massiv verändern“, so ein Interviewpartner.
„Sobald Probleme auftreten, wird der Messstellenbetrieb unwirtschaftlich“
Die Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs ist eine Herausforderung für die Messstellenbetreiber. Das GNDEW schreibt Preisobergrenzen vor: beispielsweise sind die Kosten, die von Verbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch von 6.000-10.000 kWh zu entrichten sind, auf 20 € brutto pro Jahr gedeckelt. Dazu können dem Netzbetreiber in diesem Fall bis zu 80 € brutto pro Jahr in Rechnung gestellt werden. Der Gesamtbetrag von 100 € brutto pro Jahr bleibt unverändert gegenüber dem GDEW von 2016.
Von der Herstellung der Geräte über den Transport bis zur Montage unterliegt die gesamte Lieferkette strengen Sicherheitsvorschriften. Die Montage muss durch speziell geschulte Elektrofachkräfte durchgeführt werden. Bei der Installation von etwa 16-18 Millionen Geräten wird daher der Fachkräftemangel in Deutschland eine Rolle spielen. Die Vereinfachung der sicheren Lieferkette, die das GNDEW vorsieht, soll für eine erhöhte Massengeschäftstauglichkeit der Rollout-Prozesse sorgen und könnte so einer möglichen Verlangsamung durch Personalengpässe entgegenwirken.
Die Übertragung von Mess- und Steuersignalen erfolgt heute überwiegend über das Mobilfunknetz. Schon bei der Inbetriebnahme der Geräte kann ein unzureichender Mobilfunkempfang für Fehlerfälle sorgen, die zusätzlichen manuellen Aufwand des Fachpersonals oder sogar einen Abbruch der Installation erfordern. „Sobald Probleme auftreten, wird der Messstellenbetrieb unwirtschaftlich“, so ein Interviewpartner. Um diesem Problem zu begegnen, nutzen einige Messstellenbetreiber auch Breitband-Powerline-Communication zur Datenübermittlung über geringe Entfernungen. Weitere Alternativen wie die Nutzung eines eigenen Glasfasernetzes oder der hauseigenen Internetanbindung sind möglich, werden aufgrund unverhältnismäßig hohen Aufwands oder mangelnder Zuverlässigkeit in der Praxis nicht angewandt. Vielversprechend ist das 450 MHz-Funknetz, das für Anwendungen der Energie- und Wasserversorgung deutschlandweit errichtet wird. Es soll eine bessere Durchdringung bis in die Keller erreichen, so dass künftig Probleme bei der Inbetriebnahme vermieden werden können. Die Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs bleibt dennoch eine Herausforderung. „Die Kosten sind gestiegen, aber die Preisobergrenzen bleiben aus Sicht des Messstellenbetreibers unverändert“, so ein Interviewpartner.
Fazit
Smart Meter sind eine grundlegende Infrastruktur in einem zunehmend klimafreundlichen, dezentralen Energiesystem. Die Bundesregierung möchte mit dem GNDEW Rahmenbedingungen schaffen, unter denen der Smart-Meter-Rollout an Tempo gewinnen kann. In unseren Gesprächen mit Akteuren, die den Smart-Meter-Rollout umsetzen, konnten wir einige Herausforderungen identifizieren, die den Rollout nach wie vor bremsen können. Als wichtigste Punkte wurden Fachkräftemangel und technische Herausforderungen bei der Installation neuer Geräte, die Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs sowie hoher Entwicklungsaufwand durch sich häufig ändernde Anforderungen und Regulatorik genannt. Mit dem GNDEW soll Herausforderungen bei der Installation der Geräte durch eine verbesserte massengeschäftstaugliche Logistik und 1:n-Metering begegnet werden. Auch der Entfall der Drei-Hersteller-Regel ist ein wichtiger Schritt, um die Entwicklungsdauer neuer Funktionalitäten zu verringern. Zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit des Messstellenbetriebs sehen unsere Gesprächspartner aktuell noch Diskussionsbedarf.
Die dargestellten Inhalte entstanden im Projekt unIT-e². Das Forschungsprojekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert (Förderkennzeichen: 01MV21UN11 (FfE e.V.)). Träger des auf drei Jahre angelegten Verbundprojekts ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Weitere Informationen: