Kleinteilige Modellierung einzelner THG-Verminderungsmaßnahmen in der Industrie
Publikation und Vortrag im Rahmen der 8. International Ruhr Energy Conference (INREC) vom 26-27.09.2019 an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen
Während der Defossilisierung des Bereitstellungs-, Verkehrs und Haushaltssektors beträchtliche Aufmerksamkeit gewidmet wird, muss das Wissen, wie Treibhausgase in der Industrie vermindert werden können, noch stark erweitert werden/FFE-08 19/, /LOF-01 15/, /FISCHE-01 14/. Die dynamische bottom-up Modellierung von THG-Verminderungsmaßnahmen in der Industrie schafft die Möglichkeit, konsistente Transformationspfade auf der Basis heterogener, prozessspezifischer Entwicklungen und Ereignisse abzuleiten. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Erarbeiten einer transparenten Methodik zur kleinteiligen Modellierung und Kombination individueller THG-Verminderungsmaßnahmen. Auf diese Weise finden Wechselwirkungen zwischen THG-Verminderungsmaßnahmen bei der Ableitung industrieller Transformationspfade Berücksichtigung. Die grundsätzliche Methodik des Sektormodells Industrie ist in Abbildung 1 dargestellt:
Es wird ein dreiteiliger methodischer Ansatz entwickelt, der die Aufbereitung (1) und Umsetzung (2) von THG-Verminderungsmaßnahmen sowie daraus folgende Effekte auf die Ausgangsparameter (3) in einem Technologiemixmodul umfasst.
Um Wechselwirkungen bei der Maßnahmenumsetzung zu berücksichtigen, werden jahresspezifische Gesamtmaßnahmenmatrizen erstellt und nach THG-Verminderungskosten priorisiert. Investitionen beinhalten teilweise Lernkurven, die auf einem invertierten, logistischen Wachstum beruhen. Um möglichst generische und homogene Funktionen im Auswertungsmodul nutzen zu können, wirken die heterogenen THG-Verminderungsmaßnahmen stets auf die Parameterebene mit höchstem Detailgrad und werden anschließend aggregiert. Die dreiteilige Methodik wird abschließend in einem konsistenten Technologiemixszenario getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Methodik ganzheitliche industrielle Technologiemixszenarien bei hohem Klimaschutzambitionsniveau mit einer plausiblen Energieverbrauchs- und Emissionsentwicklung ermöglicht.
Im Vergleich zum Referenzszenario sinkt der Energieverbrauch im Technologiemixszenario um 166 TWh, die prozess- und energiebedingten Emissionen nehmen um 90 Mio. t CO2 (77 % in 2050 ggü. 1990) ab. Abbildung 3 zeigt eine Szenarienübersicht verfügbar:
Zudem werden Wechselwirkungen auf Einzelmaßnahmenebene deutlich: Beispielsweise wird die CO2 Abscheidung bei der Hochofenroute infolge deren vollständiger Substitution durch alternative Verfahrensrouten ab 2040 nicht mehr eingesetzt. Anhand des neuen Auswertungsmoduls können Effekte einzelner THG-Verminderungsmaßnahmen auf Ausgangsvariablen dezidiert nachvollzogen werden. Im Technologiemixszenario wird deutlich, dass die THG-Verminderung infolge der Umstellung von Primär- auf Sekundärstahl deutlich höher ist (13 Mio. t CO2 in 2050), als durch die Umstellung auf H2-Stahl (8 Mio. t CO2 in 2050). Dies ist auf den niedrigeren Energieverbrauch bei der Produktion von Sekundärstahl im Vergleich zu H2 Stahl und dem abnehmenden Stromemissionsfaktor bis 2050 zurückzuführen. Es zeigt sich weiterhin, dass die THG-Verminderungsmaßnahmen mit natürlichen Reinvestitionszyklen bis 2050 nahezu vollständig umgesetzt werden können, diese Entwicklung jedoch einen zeitnahen Umsetzungsstart bedarf.
Die entwickelte Methodik und darauf basierende Technologiemixszenarien im bottom-up Industriemodell SmInd können die strategische Entscheidungsfindung in der Politik sowie einen effizienten Übergang hin zu einer treibhausgasneutralen Industrie unterstützen.