Finanzierung der Energiewende: Geldströme für eine Klimaneutrale Welt
Die letzte Weltklimakonferenz in Baku (COP29) hat erneut die Dringlichkeit der globalen Defossilisierung hervorgehoben. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise hat die internationale Gemeinschaft ihre Verpflichtung bekräftigt, die Erderwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen. Diese Herausforderung erfordert nicht nur technologische Innovationen und politische Entschlossenheit, sondern vor allem massive finanzielle Investitionen – ein Kernthema der COP29 – und eine grundlegende Umlenkung globaler Finanzflüsse.
Im Rahmen dieser Beitragsreihe beleuchten wir, welche Investitionsbedarfe sich für welche Technologien und Sektoren ergeben und geben einen Überblick über die Grundlagen von Finanzierungen. Der erste Artikel beschäftigt mit den für eine Erreichung der Klimaziele nötigen globalen Geldströmen.
Übersicht über die Themen der Beitragsreihe Finanzierung der Energiewende
- Geldströme für eine klimaneutrale Welt
- Grundlagen und Grundbegriffe
- Erneuerbare Energien und Speichersysteme
- Wasserstoff und Industrie
- Infrastruktur
- Privater Sektor
Obwohl die Investitionen in erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien weltweit zunehmen, fließen weiterhin enorme Geldmengen in die Entwicklung und Förderung fossiler Energieträger. In den letzten Jahren sind die Investitionen in fossile Energieträger sogar wieder angestiegen (Abbildung 1).

Zudem sind die weltweiten Kapitalströme in grüne Technologien nach wie vor unzureichend und ungleich verteilt [1]. In diesem Kontext stellen sich zentrale Fragen: Wie viel muss in Zukunft investiert werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen? Wie sind die aktuellen Kapitalströme weltweit und bezogen auf verschiedene Bereiche verteilt und welche veränderten Rahmenbedingungen gehen mit der Energiewende und dem Klimawandel einher?
Die Prognosen für die jährlich notwendigen Finanzierungsvolumina im Net Zero Emission by 2050 Scenario (NZE) der International Energy Agency (IEA) variieren erheblich und reichen von ca. 3 bis 10 Billionen Euro pro Jahr (Abbildung 2). Diese Abweichungen sind auf unterschiedliche Ansätze und Annahmen in den Analysen zurückzuführen. Die Studien variieren darin, welche Ausgaben einbezogen werden. Einige thematisieren ausschließlich die zusätzlichen Investitionsbedarfe in die Energiewende, während andere auch weitere Kostenfaktoren, wie z.B. Ausgaben für den Erwerb emissionsarmer Verbrauchstechnologien oder Ausgleichszahlungen für die vorzeitige Stilllegung fossiler Infrastrukturen, sogenannte „Stranded Assets“, berücksichtigen [2]. Zusätzlich erschwert die unterschiedliche Betrachtungsebene – nach Sektoren, Technologien oder Endanwendungen – die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Einigkeit besteht jedoch darin, dass der Bedarf an Kapital erheblich höher liegt als die aktuell getätigten Investitionen, was die Notwendigkeit deutlicher Anstrengungen in der Klimafinanzierung untermauert. [2–5]
Weltweit sind regional bedeutende Unterschiede hinsichtlich in die Energietransformation getätigten Investitionen zu erkennen. Industrieländer – 38 Staaten, die rund 14 % der Weltbevölkerung ausmachen – haben in den letzten Jahren ihre Investitionen in die Energiewende und den Klimaschutz kontinuierlich gesteigert. Ein ähnlicher, jedoch deutlich langsamerer Trend ist in Entwicklungsländern zu beobachten. Besonders bemerkenswert ist der wachsende Anteil Chinas an den globalen Finanzierungsvolumina von Klimaschutzmaßnahmen. Als Einzelstaat leistet China mittlerweile einen erheblichen Beitrag, dessen Umfang in den vergangenen Jahren weiter zugenommen hat. Der deutsche Anteil an den globalen Investitionen belief sich im Jahr 2023 auf 5,8 %, was dem drittgrößten Anteil der Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen entspricht. Die genannten Unterschiede in den Investitionsvolumina zeigen, dass die Verteilung der Klimafinanzierungen weiterhin stark von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den politischen Prioritäten einzelner Länder geprägt ist. [5]
Die erforderlichen finanziellen Mittel zur Erreichung der globalen Klimaziele sind grundsätzlich vorhanden, bedürfen jedoch einer gezielten Umverteilung und strategischen Neuausrichtung. Wie oben beschrieben, beläuft sich der geschätzte Bedarf für Maßnahmen zur Minderung der Effekte des Klimawandels sowie zur Anpassung an dessen Folgen jährlich auf 2,86 bis 10,23 Billionen Euro (Abbildung 2). Laut aktuellen Analysen wurden im Jahr 2023 jedoch erst globale Kapitalströme in Höhe von ca. 1,62 Billionen Euro erreicht.
Die Finanzierungslücke ist erheblich, doch ein Vergleich mit den globalen Ausgaben für andere Bereiche zeigt, dass eine Schließung möglich ist. So beliefen sich die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2023 auf etwa 2,32 Billionen Euro, während für die Digitale Transformation 2,09 Billionen Euro investiert wurden [8]. Insgesamt verwalten die globalen Kapitalmärkte beträchtliche Vermögen, die bis Ende 2022 rund 109 Billionen Euro erreichten [3]. Diese Zahlen unterstreichen, dass die Herausforderung weniger in der Verfügbarkeit finanzieller Mittel liegt, sondern vielmehr in ihrer effektiven Mobilisierung und zielgerichteten Nutzung für den Klimaschutz.
Investitionsbedarfe in den verschiedenen Bereichen der Energiewende
Die Differenz zwischen den derzeitigen Investitionen in grüne Technologien und dem zukünftigen Bedarf ist signifikant und wird detailliert in den weiteren Artikeln der Beitragsreihe erörtert.
Besonders im elektrifizierten Verkehr und bei erneuerbaren Energien inklusive Batteriespeichersystemen sind erhebliche absolute Investitionssteigerungen notwendig. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen die Investitionen im Bereich des elektrifizierten Verkehrs um 230 % und bei erneuerbaren Energien um 110 % gesteigert werden. Diese Bereiche sind entscheidend für die Defosillisierung von Verkehr und Energieversorgung sowie für eine nachhaltige Zukunft.
Der elektrifizierte Verkehr soll nach Prognosen den größten Anteil der Investitionen für eine klimaneutrale Zukunft ausmachen. Dazu gehören sowohl private als auch kommerzielle Transportmittel. Die jährlichen Investitionen müssen von ca. 602 Milliarden Euro/Jahr auf um die 2.000 Milliarden Euro/Jahr steigen. [6]
Auch im Bereich der erneuerbaren Energien und Speichersysteme ist ein großer Investitionszuwachs gefordert. Für den Energiesektor sind jährliche Investitionen von insgesamt 1.425 Milliarden Euro erforderlich. Davon entfallen rund 1.225 Milliarden Euro auf den Ausbau emissionsfreier Stromerzeugungskapazitäten und 200 Milliarden Euro auf die Verbesserung der Netzflexibilität durch Batteriespeicher und saisonale Speichersysteme [2].
Der Infrastrukturbereich umfasst wesentliche Maßnahmen wie den Ausbau der Stromnetze, die Entwicklung von Verbundnetzen sowie die Steigerung der Netzflexibilität durch Digitalisierung und Demand-Side-Management, um eine zuverlässige und effiziente Energieversorgung zu gewährleisten. Darunter fällt auch der massive Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge sowie die gezielte Unterstützung ihrer Markteinführung. Bis 2050 wird in diesem Bereich ein jährlicher Investitionsbedarf von etwa 675 Milliarden Euro erforderlich sein, was eine erhebliche Steigerung im Vergleich zu den aktuellen jährlichen Investitionen von 362 Milliarden Euro darstellt. [5]
Im Gebäudesektor sollen die jährlichen Investitionen von heute ca. 261 Milliarden Euro auf um die 475 Milliarden im Jahr 2050 steigen. Dabei fallen ca. 215 Milliarden Euro für die Nachrüstung von Gebäuden zur Effizienzsteigerung (z.B. bessere Isolierungen) und ca. 260 Milliarden Euro, darunter 140 Milliarden Euro für Wärmepumpen, für eine erneuerbare Wärmeversorgung an [2].
Der anteilmäßig kleinste betrachtete Bereich umfasst den Wasserstoff und die Defossilisierung der Industrie. Jedoch müssen hier die Investitionen mit einer Steigerung von 300 % relativ gesehen am stärksten zulegen. Der Bereich umfasst vor allem die Produktion, den Transport und die Speicherung von Wasserstoff. Im Bereich der Defossilisierung energieintensiver Industrien wie Chemie, Stahl, Zement oder Aluminium sollen zukünftig rund 67 Milliarden Euro jährlich fließen, wobei der Schwerpunkt auf Technologien wie CCS, Pyrolyse und wasserstoffbasierten DRI-Anlagen liegt. [2]
Die Gefahr von „Stranded Assets“
Während die Diskussionen um Investments zur Defossilisierung der Weltwirtschaft oftmals von Investitionen in saubere Alternativen zu aktuellen Erzeugungs- und Verarbeitungsprozessen geprägt sind, müssen die Gefahren von „Stranded Assets“ ebenfalls berücksichtigt werden. „Stranded Assets“ im Kontext der Defosillisierung sind vor allem jene Anlagen, denen aufgrund der Umstellung auf kohlenstoffarme Prozesse die Geschäftsbasis entzogen wird. Das Betreiben dieser Anlagen kann durch Regulatorik auf politscher Ebene untersagt, oder indirekt durch marktliche Mechanismen wie die CO2-Bepreisung im ETS volkswirtschaftlich gesteuert werden.
Insbesondere industrielle Anlagen sowie mit fossilen Energieträgern betriebene Kraftwerke haben eine Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnen. Nachdem eingangs diskutiert wurde, dass zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien auch die Investitionen in fossile Kraftwerke, insbesondere Kohlekraftwerke, in der Post-Covid-Phase angestiegen sind, laufen diese Anlagen mittel- bis langfristig den weltweit gesetzten Nettoklimazielen zuwider.
In Deutschland wurde deshalb schon vergleichsweise frühzeitig der Kohleausstieg diskutiert und gesetzlich verankert, um dem Markt zu signalisieren, dass eine Investition in neue Kohlekraftwerke aufgrund der verpflichtenden Abschaltung bis spätestens 2038 nicht mehr genehmigt wird [9]. In anderen Ländern wird dies in diesem Maße nicht immer vorbereitend diskutiert, was schlussendlich dazu führt, dass Politik und Anlagenbetreiber auf eine „Patt-Situation“ zusteuern. Speziell Entwicklungsstaaten verfügen über einen jungen fossilen Kraftwerkspark, der das Aussteigen aus fossiler Energie aufgrund fehlender monetärer Anreize unwirtschaftlich erscheinen lässt [4]. So laufen, aktuellen Berechnungen zufolge, bis 2050 jährlich 40 GW an Kohlekapazitäten Gefahr, als „Stranded Asset“ zu enden, falls die Einhaltung der Klimaziele angestrebt wird [10].
Um Anlagenbetreiber zu bewegen den Betrieb dieser Anlagen einzustellen, werden Ausgleichszahlungen diskutiert. Eine rigorose Abschaltung der Anlagen hätte Insolvenzen, Kreditausfällen und, aufgrund der Investitionssummen, Rückwirkungen auf das gesamte Finanzsystem zur Folge [4]. Diese Ausgleichszahlungen haben vor allem für Kohlekraftwerke eine hohe Bedeutung. Durch die hohen spezifischen Emissionen bei der Elektrizitätserzeugung ist die verfrühte Abschaltung dieser Kraftwerke ein starker Hebel, um CO2-Emissionen schnell und mit jährlich 25-50 Milliarden Euro verhältnismäßig kostengünstig zu reduzieren [10]. Die finanziellen Ausgleichszahlungen wären im Verhältnis zu Gesamtinvestitionen in Klimaschutzmaßnahmen gering. Während Deutschland Ausgleichszahlungen per Gesetz beschlossen hat und innerdeutsch abwickelt, müssten diese Zahlungen für Entwicklungsländer vermutlich andere Industriestaaten übernehmen [2].
Business-as-usual teurer als konsequenter Klimaschutz
Die Notwendigkeit massiver Investments zur Defossilisierung wird insbesondere durch die Betrachtung sozio-ökonomischer Langzeitfolgen sichtbar (siehe Abbildung 6).
Die in einem „Business as usual“ Szenario auftretenden globalen volkswirtschaftlichen Verluste machen deutlich, wie wichtig Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erderwärmung sind. Nichtsdestotrotz ist zu berücksichtigen, dass auch in einem 1,5 Grad Szenario mit hohen jährlichen Schäden zu rechnen ist und die Intensität der Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände zunehmen wird. Die Lücke zwischen den jährlichen Verlusten des 1,5 Grad Szenarios und des „Business as usual“ Szenarios ist mit knapp 17 Billionen Euro allerdings größer als die nötigen jährlichen Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen. Es zeigt sich somit, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels auch volkswirtschaftlich sinnvoll sind.
Literatur
[1] International Energy Agency (IEA). World Energy Investment 2024; 2024.
[2] Energy Transitions Comission. Financing the Transition:: How to Make the Money Flow for Net-Zero Economoy; 2023.
[3] Climate Policy Initiative. Global Landscape of Climate Finance 2023; 2023.
[4] McKinsey & Company. The net-zero transition: What it would cost, what it could bring; 2022.
[5] International Renewable Energy Agency (IRENA). World Energy Transitions Outlook 2024:: 1.5°C pathway; 2024.
[6] BloombergNEF. Energy Transition Investment Trends 2024: Tracking global investment in the low-carbon transition; 2024.
[7] IDC: The premier global market intelligence company. Worldwide Spending on Digital Transformation is Forecast to Reach Almost $4 Trillion by 2027, According to New IDC Spending Guide. 2024. https://www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=prUS52305724. Accessed 2 Dec 2024.
[8] Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Trends in World Military Expenditure, 2023; 2024.
[9] Bundesamt für Justiz. Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz) Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis: KohleAusG; 2020.
[10] International Renewable Energy Agency (IRENA). Stranded Assets and Renewables:: How the energy transition affects the value of energy reserves, buildings and capital stock; 2017.