09.08.2019

Ermittlung und Bewertung von Charakteristiken der Netzbelastung im Verteilnetz

Beitrag von Andreas Weiß und Mathias Müller in der BWK – Das Energie-Fachmagazin 7/8 2019

Die mit der Verkehrswende zunehmende Elektrifizierung des Verkehrssektors wird die Belastung der Verteilnetze in naher Zukunft insbesondere in urbanen Regionen deutlich verändern. Zur großflächigen Integration von Ladeinfrastruktur besteht die Notwendigkeit der Beurteilung von Charakteristik und Grad der Belastung in den Verteilnetzgebieten. Als Grundlage zur Beurteilung des Status quo der Netzbelastung, können aus der Analyse energetischer, soziodemographischer und infrastruktureller Metadaten Rückschlüsse auf die Netzbelastungsart gezogen werden.

Die Stadt München als Vorreiter im Ladeinfrastruktur-Ausbau

Die Stadt München präsentiert sich bezüglich des Klimaschutzes seit Jahren als ambitionierte Kommune. Im Verkehrssektor besteht dabei jedoch ein akuter Handlungsbedarf, so wird an den Münchner Hauptverkehrsstraßen der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid z. T. deutlich überschritten [1]. Zur Verminderung dieser Emissionen wird im Projekt „München elektrisiert“ der großflächige Ausbau von Ladeinfrastruktur gefördert, um den Umstieg auf Elektromobilität im privaten und gewerblichen Sektor zu beschleunigen. Diese Integration einer großen Anzahl an Ladepunkten in die bestehende Verteilnetzinfrastruktur, stellt die Verteilnetzbetreiber vor neue Herausforderungen hinsichtlich der daraus resultierenden Netzbelastung. Im Wesentlichen ist diese von der Art und Auslastung der Ladeinfrastruktur (Leistungsbedarf, Ladeleistung, Ladegleichzeitigkeit, etc.) sowie der lokal bestehenden, individuellen Netzbelastungssituation abhängig [2].

Mit dem übergeordneten Ziel die Auswirkungen des Ausbaus an Ladeinfrastruktur im Stadtgebiet Münchens simulativ zu beurteilen, wird im Projekt zunächst der Status quo der Netzbelastung erfasst. Im Rahmen dieses Vorhabens wurde ein Clusterverfahren angewandt, um Aussagen zur jeweiligen Charakteristik der Netzbelastung in Teilen des Münchner Versorgungsgebietes zu treffen.

Statistische Clusterung zur Identifikation charakteristischer Netzbelastungsgebiete

Grundlegend unterscheidet sich die Netzbelastung in städtischen Gebieten durch verschiedene Kriterien, wobei insbesondere die Flächennutzung z. B. durch Wohnraum oder Gewerbeflächen als eines der ausschlaggebenden Unterscheidungskriterien angesehen werden kann. Zur Selektion besonders relevanter Charakteristiken der Netzbelastungen wurde in vier primären Prozessschritten (vgl. Abbildung 1) das Stadtgebiet Münchens in räumlich geeignet große Gebiete untergliedert und durch die statistische Analyse von Metadaten in Netzbelastungsgebiete geclustert.

 

Abbildung 1: Schaubild der Prozessschritte im Clusterverfahren

In einem ersten Prozessschritt wurden verschiedene energetische, soziodemographische und infrastrukturelle Parameter selektiert und ihre Relevanz für die Netzbelastung beurteilt. Der vorwiegende Anteil der Metadaten stammt dabei aus dem FfE regionalisiertes Energiesystemmodell „FREM“, wobei die Parameterauswahl insbesondere durch die Verfügbarkeit der Daten in geeigneter räumlicher Auflösung begrenzt wurde. Da das selektierte Verfahren zur statistischen Clusterung im Wesentlichen darauf abzielt, in jedem Gebiet in der selektierten, räumlichen Auflösung zwei Ausprägungen zu identifizieren, welche die Charakteristik der Zelle aus Netzbelastungssicht besonders gut beschreiben, wurde die Anzahl der Eingangsdatensätze auf eine definierte Anzahl an Repräsentanten reduziert.

Aus den verbleibenden, repräsentativen Parametersätzen wurden jedem Gebiet durch eine statistische Clusterung zwei besonders ausgeprägte Merkmale zugewiesen, welche diese charakterisieren. Die in diesem Prozessschritt resultierenden Parameterkombinationen (Cluster) wurden abschließend iterativ auf eine erneut repräsentative Anzahl reduziert und in 1 km² großen Raster-Zellen im Stadtgebiet Münchens verortet (vgl. Abbildung 2). Es zeigt sich, dass die verorteten Netzbelastungsgebiete die realen, infrastrukturellen Gegebenheiten Münchens präzise abbilden. Beispielsweise werden die Raster-Zellen der Altstadt Münchens oder die durch das Automobilgewerbe geprägten Gebiete zusammenhängend durch jeweils geeignete Cluster charakterisiert.

Abbildung 2: Netzbelastungsgebiete in München

Nächste Schritte im Projekt „München elektrisiert“

Als nächster Schritt erfolgt im Projekt „München elektrisiert“ für die identifizierten und als relevant eingestuften Netzbelastungsgebiete die Simulation und Evaluation des Status quo der Netzbelastung mit dem Simulationsmodell GridSim. Mit der daraus resultierenden Grundbelastung werden im Anschluss die Belastung durch die geplante Ladeinfrastruktur und in verschiedenen Szenarien die Möglichkeiten verschiedenartiger Lade-Management Strategien simuliert.

[1] Messergebnisse Stickstoffdioxid (NO2) 2018 – Ergänzende Stickstoffdioxidmessungen: https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Luft_und_Strahlung/Stickstoffdioxidmessungen.html#messergebnisse-2018_5; München: Landeshauptstadt München Referat für Gesundheit und Umwelt, 2019.
[2] Vennegeerts, Hendrik et al.: Metastudie Forschungsüberblick Netzintegration Elektromobilität. Mannheim: Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen und Stromwirtschaft, 2018.