Entwicklung der Netzbelastung auf Gemeindeebene – Bedarfsschätzung für Netzausbau oder netzdienlichen Flexibilitätseinsatz
Im unserem Beitrag „Potenzialanalyse netzdienlicher Flexibilität“ haben wir eine neuartige Methode vorgestellt, mit der Niederspannungs-Verteilnetze abgeschätzt werden können. Ergänzend zu der bisherigen Analyse haben wir diese synthetisierten Netze genutzt, um den erwarteten Anstieg der Netzbelastung in den Niederspannungs-Verteilnetzen durch den Zubau neuer dezentraler Erzeugungsanlagen und elektrischer Verbraucher zu approximieren. Die Ergebnisse werden in Form von Kartendiagrammen auf Gemeindeebene präsentiert.
Motivation und Zielsetzung
Die Verteilnetze der Niederspannungsebene sind der Ort, an dem die Energiewende durch den Zubau erneuerbarer Erzeuger aber auch durch neue elektrische Verbraucher maßgeblich stattfindet. Allerdings gibt es über die Auswirkungen der Energiewende auf die Niederspannungsnetze kaum belastbare Informationen, da diese Netze bislang kaum messtechnisch erfasst werden. Ebenfalls existieren in der deutschen Regulatorik kaum Konzepte, welche die Herausforderungen des Hochlaufs auf lokaler Ebene adressieren. Mit den Festlegungen zum § 14a EnWG hat die BNetzA zwei Werkzeuge vorgestellt, um die Netzstabilität in kritischen Situationen über eine Flexibilisierung steuerbarer Verbraucher sicherzustellen. Zum einen erhalten Netzbetreiber mit der netzorientierten Steuerung ein Instrument, um die Bezugsleistung steuerbarer Verbraucher auf bis zu 4,2 kW zu begrenzen, und so akute verbrauchsgetriebene Engpässe zu beheben. Zudem soll mit dem sogenannten Anreizmodul die Möglichkeit geschaffen werden, die Netzbelastung über zeitvariable Netzentgelte abzubilden, um so eine proaktive Verschiebung des Verbrauchs in unkritische Zeiten zu erreichen. Allerdings sind sowohl die netzorientierte Steuerung als auch die Dynamisierung des Netzentgelts Instrumente, die insbesondere auf eine Reduktion des Verbrauchs abzielen. Ein Werkzeug zur Flexibilisierung der Erzeugung oder zur effizienten Nutzung von lokalen EE-Überschüssen ist bislang nicht regulatorisch verankert.
Eine vielversprechende Möglichkeit, Verbrauch und Erzeugung lokal zu koordinieren, die Netze zu entlasten und Bürger:innen an der Energiewende zu beteiligen, sind lokale Energiegemeinschaften [1]. Das Forschungsprojekt PEAK (Förderkennzeichen: 03E16035F) hat sich zum Ziel gesetzt, eine solche Plattform zu entwickeln und zu erproben. Ebenso könnten Plattformen, auf denen explizite Flexibilitätsprodukte zur Anpassung von Erzeugungs- und Verbrauchsleistung gehandelt werden, die genannten Herausforderungen adressieren. Die FfE untersucht im Rahmen des Projektes gezielt das regionalisierte Potenzial für diese Konzepte. Dafür wollen wir die Auswirkungen des Zubaus dezentraler Anlagen analysieren und gleichzeitig einen Ansatz zur Einordnung liefern, was dieser Zubau in puncto Netzbelastung bedeutet. Dazu widmen wir uns im vorliegenden Beitrag konkret den folgenden Fragestellungen:
- Nach welcher Vorgabe sind Niederspannungsnetze heute dimensioniert? Lassen sich ihre Leistungsreserven abschätzen, um den Hochlauf dezentraler Erzeugungsanlagen und elektrischer Verbraucher zu bewältigen?
- Wie entwickeln sich die Lastspitzen in den synthetisierten Niederspannungsnetzen durch den angenommenen Hochlauf?
- Wird der Netzausbau-Bedarf in den synthetischen Netzen stärker durch den Zubau dezentraler Erzeugungsanlagen oder neue elektrische Verbraucher wie Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge forciert?
- Inwiefern sind Energiegemeinschaften ein geeignetes Mittel, um Flexibilisierungspotenziale auf Niederspannungsebene zu heben?
- Lassen sich regionale Unterschiede im Netzausbaubedarf erkennen und erklären?
Simulationsumgebung & Szenarien
Um die künftig steigende Netzbelastung und damit einhergehenden Flexibilitätspotenziale zu betrachten, wird die Netzbelastung auf Ebene der Niederspannungsnetze in zwei Szenarien ermittelt. Im vereinfachten Szenario „NoFlex“ wird angenommen, dass keine Heimspeichersysteme (HSS), Haushalts-Wärmepumpen (WP) oder Elektrofahrzeuge (EFZ) im System vorhanden sind. Für PV-Aufdachanlagen (PVA) im Haushaltssektor wird in diesem Szenario der Bestand von 2019 verwendet. Im Szenario Flex 2035 wird ein gewisser Zubau dieser Assets und deren nicht-flexible Verwendung angenommen. Die Unterschiede beider Szenarien hinsichtlich der (Spitzen-)Last ermöglichen eine quantitative Betrachtung des Anstiegs der Netzbelastung. Somit kann das resultierende Potenzial für einen flexiblen Betrieb der hinzugekommenen Technologien aufgezeigt werden. Eine detaillierte Beschreibung des zugrunde liegenden Simulations-Frameworks, den Szenarien sowie dem verwendeten Clustering-Ansatz zur Synthetisierung der Niederspannungsnetze findet sich im Beitrag „Potenzialanalyse netzdienlicher Flexibilität“.
Status Quo & Ansatz zur Abschätzung
Die synthetisierten Niederspannungsnetze werden genutzt, um aus den Lastgängen der einzelnen Netzanschlüsse pro Netz eine Summenlast zu bestimmen, da diese entscheidend für die Transformatorbelastung ist. Die daraus abgeleiteten Karten in den folgenden Abschnitten können für Netzbetreiber einen Anhaltspunkt liefern, in welchen Regionen der Netzausbau durch den Zubau neuer dezentraler Erzeugungsanlagen oder elektrischer Verbraucher eine hohe Relevanz bekommt. Dabei kann die Zunahme der jährlichen Lastspitze am Transformator in Erzeugungs- oder Verbrauchsrichtung einen ersten validen Anhaltspunkt liefern. Da die Verteilnetze nicht auf tatsächlichen Netzdaten beruhen, gibt dies jedoch nur eine erste Indikation. Eine individuelle Berechnung der Netze ersetzen die hier dargestellten Daten ausdrücklich nicht.
In den Kartendarstellungen beziehen wir uns daher immer auf das Netz einer Gemeinde, das die höchste Lastspitze verzeichnet (worst-case-Abschätzung). Für die Frage nach der Notwendigkeit des Netzausbaus ist jedoch die Spitzenlast allein keine aussagekräftige Metrik, um die Kritikalität zu bestimmen. Entscheidend ist ebenso die Kapazität der verbauten Transformatoren. Leider sind die Informationen zu den im Feld verbauten Komponenten nur sehr eingeschränkt verfügbar, sodass eine Auswertung der Netzbelastung auf Verteilnetzebene für Gesamtdeutschland nicht möglich ist. Allgemein lässt sich hier konstatieren, dass die Datenlage in der Mittel- und Niederspannung weiterhin schlecht ist. Messwerte z. B. von Strom und Spannung (beispielsweise durch intelligente Ortsnetzstationen, Smart Meter oder Sensorik) sind mit der Niederspannung noch eine seltene Ausnahme.
Die aktuell verbauten Transformatoren folgen meist keiner strengen Dimensionierungs-Vorgabe, sondern wurden z.B. auf Basis der aktuell vorrätigen (Standard-)Modelle eingebaut. Erkennbar ist dies an der deutlichen Streuung in Abbildung 1, wobei die Darstellung ebenso offenbart, dass zumindest im vorliegenden (Geo-)Datensatz, der mehrere tausend reale Niederspannungsnetze umfasst, aktuell alle Netze zu einem gewissen Grad überdimensioniert sind und noch Leistungsreserven am Transformator aufweisen. Die in der Abbildung eingezeichnete Dimensionierungs-Vorgabe orientiert sich an der Methodik aus [2] und berücksichtigt lediglich Privathaushalte. Zudem stammen die im Datensatz enthaltenen Netze aus einem räumlich begrenzten Gebiet und stellen somit keine repräsentative Menge dar, weshalb keine allgemeingültigen Annahmen zu den vorhandenen Leistungsreserven abgeleitet werden können.
Entwicklung der Lastspitzen
Wie Abbildung 2 zu entnehmen ist, werden sich die jährlichen, die auf die Transformatoren der Niederspannungsnetze wirken, durch den Zubau zusätzlicher Erzeuger und Verbraucher bis 2035 in ganz Deutschland deutlich erhöhen, wobei jedoch starke regionale Unterschiede zu erkennen sind. Die Karte gibt einen ersten Einblick, welche Regionen tendenziell am stärksten unter Druck geraten werden, und wo Netzausbaubedarf zeitnah evaluiert werden sollte. Im Rahmen des Projektes wollen wir jedoch zusätzlich prüfen, ob der Netzausbau eventuell durch eine Flexibilisierung des Verbrauchs reduziert oder sogar vermieden werden kann.
Um diese Frage zu beantworten, berücksichtigen wir folgende Aspekte:
- Je nachdem, ob die Lastspitzen durch Verbrauch oder Erzeugung verursacht werden, existieren unterschiedliche Werkzeuge zur Flexibilisierung (siehe Einleitung).
- Sollten nur wenige Stunden anhalten, lassen sich diese durch eine Flexibilisierung wahrscheinlich glätten, und so Netzausbau vermeiden oder zumindest verzögern. Dauern die Lastspitzen jedoch über mehrere Stunden oder sogar mehrere Tage an, so besteht sehr wahrscheinlich keine Möglichkeit, Netzausbau durch Flexibilisierung zu vermeiden.
Einfluss von erneuerbaren Energien auf die Lastspitzen
In allen Netzen sehen wir eine gleichzeitige Zunahme von dezentraler Erzeugung und Verbrauch. Jedoch besteht hier künftig in den meisten Netzen ein Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch (sog. Supply-Demand-Ratio; SDR). Betrachtet man die SDR über das gesamte Jahr (nicht abgebildet), lässt sich zunächst feststellen, dass es starke regionale Unterschiede gibt. Aktuell weisen die wenigsten Verteilnetze eine Überdeckung auf. Die allermeisten verbrauchen mehr Strom, als sie einspeisen (Unterdeckung). Im Szenario Flex 2035 sieht die Lage deutlich anders aus. Viele Verteilnetze sind näher am bilanziellen Gleichgewicht und erzeugen über das gesamte Jahr
Dieses Gleichgewicht über das gesamte Jahr sagt jedoch nichts über die Auslastung des Netzes aus. Betrachtet man einzelne Stunden kommt es zu deutlich extremeren SDR, da insbesondere die lokale Gleichzeitigkeit erneuerbarer Erzeugung (v.a. Wind und PV) hier zu großen Schwankungen führt. Auch bei einem bilanziellen Gleichgewicht können folglich abwechselnde hohe Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen auftreten, die beispielsweise Transformatoren stark belasten. In Abbildung 3 zeigen wir deshalb für alle Gemeinden das Verhältnis zwischen den höchsten Einspeisungs- und den höchsten Verbrauchs-Peaks für beide Szenarien.
Durch den Fokus unserer Untersuchungen auf das Potenzial für Energiegemeinschaften werden aktuell nur erneuerbare Energien und Privathaushalte betrachtet. Gewerbe und Industrie sowie konventionelle Erzeugung aber auch große EE-Erzeuger (weil nicht an die Niederspannung angeschlossen) spielen hier keinerlei Rolle.
So wird deutlich, dass in den meisten Gemeinden im NoFlex Szenario die höchsten Spitzen durch Verbrauch verursacht wurden (Ratio<1). Im starken Kontrast dazu werden in unserem Szenario Flex 2035 in den meisten Gemeinden die Spitzen durch Erzeugung verursacht (Ratio>1). Dabei liegen die für Flex 2035 erwarteten Verhältnisse zwischen den Spitzenhöhen oft zwischen einem Faktor 1,5 und einem Faktor 3, in sehr seltenen Fällen sogar höher, was den starken Einfluss von dezentralen erneuerbaren Energien auf Netzbelastung unterstreicht. Dies deckt sich auch mit den Aussagen aus [3], wonach der Netzausbaubedarf in den Verteilnetzen insbesondere vom PV-Ausbau getrieben wird. Aus diesem Grund dürfen Verteilnetzbetreiber aktuell bei der Ausbauplanung eine Abregelung von 3 % der jährlich erzeugten berücksichtigen, was den Ausbaubedarf signifikant reduzieren soll [4]. In unserer Analyse wurden allerdings keine Effekte z.B. von dynamischen Tarifen betrachtet, die auch auf Seiten des Verbrauchs zu höherer Gleichzeitigkeit und somit höheren Lastspitzen führen können.
Potenzialanalyse netzdienlicher Flexibilität
Besonders interessant ist die Frage, ob sich durch Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch eventuell Netzausbau vermeiden lässt. Ein wichtiger Teil der Antwort liegt in der Dauer der Lastspitzen, da sich der Verbrauch von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen oder Hausspeichersystemen relativ einfach um Zeiträume von wenigen Minuten bis hin zu ein paar Stunden verschieben lässt. Für längere Zeitraume ist dieses Verschiebepotenzial jedoch begrenzt, da Anschlussnehmer in der Regel keine großen Speicher besitzen, nicht mehrere Tage auf ihr Auto verzichten können und Gebäude nach einer gewissen Zeit auskühlen. Zudem kommt es insbesondere bei Wärmepumpen zu Nachholeffekten, sodass am Ende einer Leistungsreduktion oder eines teuren Preissignals, die Lastspitze schnell steigen kann.
Wie zu Anfang des Artikels erwähnt, müssen wir bei der Abschätzung der Netzbelastung Annahmen zur Transformatorleistung treffen. Wir stellen in Abbildung 4 das Potenzial zur Einsparung von Netzausbau durch Flexibilisierungseinsatz unter verschiedenen Annahmen zur Transformatorkapazität vor. Für die Karten in Abbildung 4 unterscheiden wir nach Erzeugungs- (gelb) und Verbrauchsspitzen (blau), da sich die Maßnahmen zur Spitzenglättung ebenfalls unterscheiden. Wir definieren dabei alle Ereignisse als „Lastspitze“, bei denen die Summenlast im Netz die angenommene Trafo-Kapazität übersteigt.
Zudem verwenden wir zur Einschätzung der Kritikalität folgende Faustregel: (Die angenommenen Zeiträume orientieren sich dabei an den Szenarien aus [5].
- Dauert eine Spitze weniger als 2 Stunden, so ist sie wahrscheinlich einfach zu glätten.
- Dauert eine Spitze zwischen 2 und 6 Stunden, so ist sie wahrscheinlich schwierig zu glätten.
- Dauert eine Spitze über 6 Stunden, so kann sie ohne großen Aufwand wahrscheinlich nicht geglättet werden, und Netzausbau ist unabdingbar.
Sollten viele Netze bereits 2019 im NoFlex Szenario nahe ihrer Nennkapazität belastet werden, werden Sie durch den Zubau dezentraler Anlagen schnell an ihre Grenzen stoßen: in den meisten Gemeinden kommt es unter dieser Annahme zu Spitzen von über 6 Stunden und ein Netzausbau scheint unabdingbar. Sollten jedoch aktuell größere Leistungsreserven an den Transformatoren vorhanden sein, z.B. noch drei Mal so viel Leistung als die höchste Spitze im Jahr 2019, so kommt es in Flex 2035 in den meisten Gemeinden nur zur kurzen Spitzen, die sehr wahrscheinlich durch eine Flexibilisierung des Verbrauchs behoben werden können, was Einsparpotenziale beim Netzausbau vermuten lässt. Die Karte soll damit für Netzbetreiber, denen die Leistungsreserven ihrer Transformatoren bekannt sind, eine erste Einschätzung zum erwarteten Ausbau/Flexibilisierungsbedarf liefern.
Die Karten in der Abbildung verdeutlichen zudem, dass insbesondere Erzeugungsspitzen je nach vorhandener Leistungsreserve, ein großes Potenzial für Flexibilisierung bieten. Wie in der Einleitung geschildert, sind bestehende Flexibilitätsmechanismen in der Niederspannung jedoch nicht in der Lage, diese Problematik zu adressieren. Und obwohl bspw. Heimspeicher ein großes Flexibilisierungspotenzial bieten, trägt das derzeit verbreitete Überschussladen in den seltensten Fällen zur Netzentlastung bei. Die Speicher sind an sonnigen Tagen meist schon nach wenigen Stunden voll, sodass die PV-Anlagen in den Mittagsstunden mit voller Leistung ins öffentliche Stromnetz einspeisen, was zu Überlastungen führt [6]. Es fehlt bislang ein finanzieller Anreiz diese Mittagsspitze durch Anpassung des Verbrauchsverhaltens zu decken. Energiegemeinschaften, die auf Basis der lokalen Residuallast ein Preissignal bilden, könnten jedoch genau diese Flexibilisierung anreizen und würden dafür sorgen, vorhandene Speicherpotenziale in der Gemeinschaft intelligenter zur Eigenverbrauchsoptimierung und zur Spitzenglättung einzusetzen. Wenn in den Mittagsstunden der Preis auf dem lokalen Markt durch hohe PV-Einspeisung fällt, hätten Erzeuger eher zu diesen Zeiten einen Anreiz ihre Speicher zu füllen und dafür in Zeiten mit niedrigem SDR ins Netz zurückzuspeisen.
Diskussion: Regionalisierte Aussagen und weiterer Forschungsbedarf
Wie sich schon auf den Abbildungen 2-4 erkennen lässt, scheinen die drei Metriken zur Schätzung der Netzauslastung in 2035 – Erhöhung der Lastspitzen, SDR der Lastspitzen und Dauer der Spitzen – stark korreliert zu sein. Wesentliche Unterschiede zwischen den Bundesländern lassen sich dabei nicht erkennen. Insbesondere hätte man einen Kontrast zwischen dem von Wind-Energie dominierten Norden und dem PV-starken Süden Deutschlands erwarten können, der in den Karten jedoch nicht zu erkennen ist.
Aufbauend auf der Clustering Methode von [7] lassen sich die deutschen Gemeinden in vier Cluster unterteilen.
- Städte (bzw. Zonen mit hoher Bevölkerungsdichte und vergleichsweise niedrigem Potenzial für erneuerbare Energien)
- Gemeinden mit niedriger Bevölkerung und niedrigem EE-Potenzial
- Gemeinden mit niedriger Bevölkerung und hohem Windkraft-Potenzial (typischerweise in Norddeutschland)
- Gemeinden mit niedriger Bevölkerung und hohem PV-Potenzial (typischerweise in Süddeutschland)
Uns interessiert insbesondere die Frage, ob sich die zukünftige Netzbelastung zwischen den zwei letzteren Kategorien unterscheidet. Um diese Frage zu beantworten, analysieren wir in Abbildung 5 den Zusammenhang zwischen SDR im Jahr 2035 und längster Lastspitze im Jahr 2035, unter der Annahme, dass die Transformatoren 2019 nur zur Hälfte ausgelastet wurden. Dieselben Erkenntnisse bleiben auch bei anderen Annahmen zur installierten Transformatorenleistung gültig (nicht abgebildet).
So wird zum einen bestätigt, dass der SDR 2035, der stark mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien verbunden ist, auch stark die Länge der Lastspitze definiert (R²~0,8). Zum anderen ist in Abbildung 5 kein signifikanter Unterschied zwischen PV-dominierten und Wind-dominierten ländlichen Gemeinden bezüglich der Entwicklung ihrer Lastspitzendauer bei erhöhter EE-Produktion zu erkennen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Strategien zur Spitzenglättung zwischen diesen Gemeinden dagegen unterscheiden werden. Zum Beispiel sind Erzeugungsspitzen bei PV-Anlagen stets um die Mittagszeit zu erwarten, während sie bei Windkraftanlagen zeitlich variabler auftreten können. Um diese Unterschiede hervorzuheben, und Empfehlungen zur optimalen Lastspitzenglättungsstrategie zu formulieren, müssten die Lastgänge der verschiedenen Gemeindetypen verglichen werden. Die Untersuchung dieser Forschungsfrage wird durch die im Projekt InDEED entwickelte Simulationsumgebung [8] ermöglicht und ist ein aussichtsreicher Ausgangspunkt für zukünftige Forschungsvorhaben.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Zum Abschluss des Artikels ist es wichtig nochmals darauf hinzuweisen, dass die gezeigten Karten nicht den exakten Netzausbaubedarf darstellen, da einheitliche Annahmen zu den Transformatorleistungen getroffen werden mussten und auch die Daten zu Last und Erzeugung in den Gemeinden teilweise gewissen Limitationen und Annahmen unterliegen. In der Realität sind die verbauten Transformatoren heute tendenziell überdimensioniert, wobei die Leistungsreserven eine starke Streuung aufweisen. Wir hoffen, unsere Methode diesbezüglich sukzessive mit Daten zu den real-verbauten Transformatorkapazitäten bereichern zu können, was jedoch zunächst eine flächendeckende Digitalisierung der Niederspannungsnetze voraussetzt.
Unter den getroffenen einheitlichen Annahmen zu bestehenden Leistungsreserven wurden die mithilfe der im Rahmen des Projekts InDEED entwickelten Simulationsumgebung erzeugten Lastgänge ausgewertet und die deutschen Gemeinden im Hinblick auf potenzielle Überlastungen der Ortsnetztransformatoren bei fortschreitendem EE-Ausbau bis 2035 verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass, unabhängig von der Art des EE-Ausbaus (PV/Wind), der Ausbaubedarf eines Großteils der Netze durch zugebaute erneuerbare Erzeugung und nicht durch zusätzlich elektrifizierte Lasten getrieben wird.
Wir empfehlen daher, lokale Energiegemeinschaften in Deutschland stärker zu fördern, da sie nicht nur ein wirksames Instrument darstellen, um die Teilhabe von Prosumern an der Energiewende zu stärken, sondern auch den Verbrauch von EE-Überschüssen vor Ort anreizen und damit Lastspitzen reduzieren können.
Literatur:
[1] Wiesenthal, Jan: Energy Sharing: Eine Potenzialanalyse. Berlin: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), 2022.
[2] Müller, M.; Biedenbach, F.; Reinhard, J.: Development of an Integrated Simulation Model for Load and Mobility Profiles of Private Households. Energies 2020, 13, 3843.
[3] Flechtner, Jakob: Faktenpapier Ausbau der Stromnetze – Grundlagen – Planungen – Alternativen. Berlin: Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V., 2017
[4] Spitzenkappung – ein neuer planerischer Freiheitsgrad – Möglichkeiten zur Berücksichtigung der Spitzenkappung bei der Netzplanung in Verteilnetzen – FNN-Hinweis. Berlin: Forum Netztechnik / Netzbetrieb im VDE (FNN), 2017.
[5] Elberg, Christina, Frings, Cordelia, Jeddi, Samir, Sitzmann, Amelie: Kurzstudie: Flexibilitätspotenzial von Haushalten zur netzdienlichen Reduktion von Nachfragespitzen. Köln: ewi Energy Research and Scenarios gGmbH, 2018.
[6] Agora Energiewende und Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V. (2023): Haushaltsnahe Flexibilitäten nutzen. Wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Co. die Stromkosten für alle senken können.
[7] Bogensperger, Alexander Johannes: Assessing the Potential of Multiple Use Cases for German Energy Communities via Integration of Machine Learning in the Energy-Economic Modeling Process. Dissertation. Herausgegeben durch Technische Universität München – TUM School of Engineering and Design der Technischen Universität München: München, 2023.
[8] Bogensperger, Alexander et al.: Comparison of Pricing Mechanisms in Peer-to-Peer Energy Communities. In: 12. Internationale Energiewirtschaftstagung (IEWT) 2021. Wien: Technische Universität Wien, 2021.