Einführung des Mischpreisverfahrens im Regelleistungsmarkt führt deutlich zu steigenden Leistungspreisen und sinkenden Arbeitspreisen
Eine Drei-Monats-Bilanz
Entwicklungen auf dem Regelleistungsmarkt
In Folge von Minutenreserveabrufen mit Arbeitspreisen von 77.777 €/MWh am 17. Oktober 2017 sah sich die Bundesnetzagentur im vergangenen Jahr gezwungen Anpassungen im Marktdesign des Regelleistungsmarkts vorzunehmen. Zunächst wurden am 2. Januar 2018 die Arbeitspreise für Sekundärregelung (SRL) und Minutenreserve (MRL) auf maximal ±9.999 €/MWh begrenzt. In einem zweiten Schritt wurde der Zuschlagsmechanismus, der zuvor alleine auf dem Leistungspreis der Angebote basierte, durch die Einführung eines Mischpreisverfahrens (BK6-18-019/020) abgelöst.
Mischpreisverfahren ersetzt Zuschlagsverfahren über Leistungspreis
Am 15. Oktober 2018 ist das Mischpreisverfahren endgültig in Kraft getreten, nachdem eine Umstellung des Zuschlagsmechanismus im Juli 2018 nach nur 2 Tagen durch eine einstweilige Anordnung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zunächst aufgeschoben wurde. Das neue Verfahren bezuschlagt Gebote von SRL und MRL nicht mehr gemäß einer Leistungspreis-Merit-Order, sondern anhand eines Zuschlagswerts in aufsteigender Reihenfolge, der sich aus Leistungspreis und gewichteten Arbeitspreis zusammensetzt:
ZW = LW + AW
LW | = Leistungswert in Euro/(MW·h) |
= Leistungspreis in Euro je MW / Produktdauer in h | |
AW | = Arbeitswert in Euro/MWh |
= Arbeitspreis in Euro je MWh x Gewichtungsfaktor |
Der Gewichtungsfaktor wird quartalsweise anhand der durchschnittlichen Abrufwahrscheinlichkeit, also dem Verhältnis der abgerufenen SRL-/MRL-Arbeit zur höchsten abrufbaren SRL-/MRL-Arbeit, der zurückliegenden 12 Kalendermonate bestimmt1. Er beträgt für das aktuelle Quartal Q1/2019 für die verschiedenen Regelleistungsqualitäten2:
- SRL Positiv: 7,61 %
- SRL Negativ: 6,75 %
- MRL Positiv: 1,15 %
- MRL Negativ: 0,69 %
3 Monate Mischpreisverfahren – Veränderung der Angebotscharakteristik
Abbildung 1 zeigt die Veränderung der Angebotscharakteristik am Beispiel bezuschlagter Angebote positiver Sekundärregelleistung. Auf der Primärachse ist hierbei aufgetragen, zu welchen Leistungs- und Arbeitspreisen die positive SRL bezuschlagt wurde. Die Sekundärachse bildet den leistungsgewichteten Mittelwert eines Tages von Leistungs- und Arbeitspreis ab. Ab dem 15. Oktober ist eine deutlich veränderte Charakteristik erkennbar. Die Leistungspreise steigen durch das neue Verfahren von meist kaum mehr als 0 €/(MW·h) auf knapp 4 €/(MW·h) an. Die mittleren Arbeitspreise hingegen fallen von vorher sehr volatilen, mittleren Arbeitspreisen von bis zu 5.500 €/MWh auf wesentlich konstantere, mittlere Arbeitspreise um die 85 €/MWh. Die Erkenntnis von gestiegenen Leistungspreisen und gesunkenen Arbeitspreisen ist auch auf die Produkte von negativer SRL, sowie negativer und positiver MRL übertragbar (siehe Abbildungen 2 bis 4), wobei der Effekt bei den Leistungspreisen der positiven Minutenreserve nicht zu beobachten ist. Die Auswertungen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Was bedeutet das Mischpreisverfahren für Anbieter?
Das Bieterverhalten hat sich aufgrund der Anpassung des Marktdesigns grundlegend geändert. Die tendenziell höheren Leistungspreise und niedrigeren Arbeitspreise führen dazu, dass konventionelle Kraftwerke zu sehr günstigen Arbeitspreisen anbieten können, sofern sie ihre Opportunitätskosten auf anderen Märkten über den Leistungspreis decken können. Anbieter, die lediglich auf dem Regelleistungsmarkt aktiv sind und neben sehr niedrigen Leistungspreisen hohe Arbeitspreise aufweisen (beispielsweise Demand-Side-Management), müssen ihre Angebotsstrategie anpassen. Bei einer hohen Gewichtung des Arbeitspreises würden diese Anbieter sonst aus dem Markt fallen.
Bemerkenswert: Hitzewelle im August führt zu Angebotsknappheit
Am 06.08.2018 kam es zwischen 16 und 24 Uhr zu einer Angebotsknappheit am Regelleistungsmarkt, bei der 30 MW positive SRL nicht im ersten Durchlauf gedeckt werden konnten, wodurch es zu Preisspitzen von 463 €/(MW·h) kam. Dies lag vor allem in der Hitzewelle begründet, die durch niedrige Pegelstände und warme Flüsse zu geringen Kraftwerksverfügbarkeiten und damit zu hohen Strompreisen am Day-Ahead-Markt führte, wodurch wiederum weniger Kraftwerkskapazitäten am SRL- und MRL-Markt angeboten haben.
Weitere Informationen:
- Die deutschen Strompreise an der Börse EPEX Spot in 2019 – Analyse des Preisniveaus und der Preisschwankungen (Preisspreads)
- Hohe EE-Einspeisungen führen zu mittleren, stündlichen Preisen von -155,83 €/MWh auf kontinuierlichem Intraday-Markt
- Neues Ausschreibungsverfahren für Primärregelleistung seit dem 1. Juli 2019 – eine erste Zwischenbilanz
- Analyse von einem Jahr Strompreiszonentrennung zwischen Deutschland und Österreich – Was ist passiert? Wer profitiert?
[1] https://www.regelleistung.net/ext/download/EBVOModalitaeten
[2] https://www.regelleistung.net/ext/tender/remark/news/398
[3] Eigene Abbildung, basierend auf Daten von https://www.regelleistung.net/apps/datacenter/tenders/