Economic and Environmental Assessment of Electric Vehicle Charging Strategies
Dissertation von Steffen Fattler – eingereicht am 14.04.2021 bei der Technischen Universität München und durch die Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik am 16.7.2021 angenommen.
Prüfer der Dissertation:
1. Prof. Dr-Ing. Ulrich Wagner
2. apl. Prof. Dr. Martin Wietschel
Im Jahr 2019 verursachte der Verkehrssektor rund 20 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen, wovon ein Großteil auf den Straßenverkehr entfiel. Um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen, werden neben dem Ausbau des ÖPNV und der Förderung des Bahnverkehrs Elektrofahrzeuge eine zentrale Rolle in der notwendigen Verkehrswende spielen. Deren Emissionsreduktionspotenzial hängt eng mit den Entwicklungen im Stromsektor zusammen.
Nur durch einen konsequenten Ausbau Erneuerbarer Energien und der damit einhergehenden Dekarbonisierung der Strombereitstellung können Elektrofahrzeuge ihr volles Potenzial entfalten und einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Gleichzeitig können sie durch die gezielte
Steuerung der Ladevorgänge als flexible Speicher genutzt werden und so zur besseren Integration dieser Erzeuger beitragen. Ziel dieser Arbeit ist die ökonomische und ökologische Bewertung von vier Ladestrategien, die ein besonders hohes Potenzial zur Emissionsreduktion oder zur verbesserten Integration von Erneuerbaren Energien haben. Dabei liegt der Fokus auf der Reduktion der betrieblichen Emissionen und Kosten der Fahrzeuge, der Glättung der Residuallast sowie der Vermeidung von Engpassmanagementmaßnahmen. Letztere beinhalten das Einspeisemanagement Erneuerbarer Energien sowie den Redispatch von konventionellen Kraftwerken.
Um das Potenzial dieser Ladesteuerungen zur bewerten, werden zunächst die historischen und zukünftigen Entwicklungen im Stromsektor vorgestellt. Auf dieser Basis wird eine konsistente Methodik zur Berechnung historischer und zukünftiger, stündlich aufgelöster Emissionsfaktoren sowie zeitlich und räumlich hochaufgelöster Zeitreihen von Einspeisemangement- und Redispatchmaßnahmen vorgestellt. Empirische Daten der beiden größten, deutschen Mobilitätserhebungen „Mobilität in Deutschland“ und „Mobilitätspanel“ werden zur Erstellung von repräsentativen Jahresfahrprofilen von Elektrofahrzeugen kombiniert und mit Hilfe eines Verbrauchsmodells in elektrische Bedarfsgänge übersetzt. Das lineare Optimierungsmodell eFLAME wird zur Bewertung der beschriebenen Ladesteuerungen weiterentwickelt und um ein Modul zur Emissionsbewertung erweitert. Das Modell ermöglicht den Vergleich von ungesteuertem Laden mit unidirektional und bidirektional optimierten Ladevorgängen. Im Rahmen einer umfangreichen Sensitivitätsanalyse werden die wichtigsten Einflussparameter auf das Potenzial der Ladesteuerungen identifiziert und mögliche Systemrückwirkungen analysiert.
Die Analysen zeigen das große Potenzial, insbesondere der bidirektionalen Ladesteuerungen. So können die betrieblichen Emissionen der Fahrzeuge im Falle des emissionsoptimierten Ladens in zukünftigen Jahren sogar negative Werte erreichen. Das Erlöspotenzial der Ladesteuerungen hingegen ist aufgrund der aktuellen Abgabe und Umlagestruktur eher als gering einzuschätzen. Als zentraler Einflussfaktor kann das Verhalten der Fahrzeugnutzer identifiziert werden. Durch ihr Ladeverhalten, das Vorgeben von Mindestbatteriefüllständen während des Ladens sowie zu erzielenden Mindestladezuständen zum Zeitpunkt der Abfahrt haben diese einen maßgeblichen Einfluss auf das verfügbare Flexibilitätspotenzial.
Dieses wird zusätzlich durch die aus Netzsicht notwendigen Restriktionen der aus der optimierten Ladesteuerung folgenden Lastspitzenb beschränkt. Die Analyse der Systemrückwirkungen der residuallastoptimierten Ladesteuerung zeigt den Rückgang konventioneller und die bessere Integration erneuerbarer Stromerzeugung. Aufgrund der kleinen Zahl aktuell zugelassener Fahrzeuge ist das Reduktionspotential von Engpassmanagementmaßnahmen gering. Das Laden von anderweitig abgeregeltem Strom in Kombination mit einer Emissionsoptimierung führt auf Fahrzeugebene jedoch zu den geringstmöglichen, betrieblichen Emissionen. Die erzielten Emissionseinsparungen führen im Kontext der Lebenszyklusanalyse zu einer deutlichen Reduktion der kologischen Amortisationszeit von Elektrofahrzeugen gegenüber konventionellen Fahrzeugen