22.08.2024

Dynamische Stromtarife vs. Bidirektionales Laden – Die Treiber des Netzausbaus in der Niederspannung

Die Elektrifizierung des Verkehrs- und des Wärmesektors soll einen entscheidenden Beitrag zu dessen Dekarbonisierung leisten. Somit ist in den nächsten Jahren eine steigende Anzahl an Wärmepumpen, an batterieelektrischen Fahrzeugen sowie die damit einhergehende Ladeinfrastruktur zu erwarten. Das stellt für die Niederspannungsnetze eine veränderte Belastung dar. Im Vergleich zu anderen Verbrauchern der Niederspannungsebene bieten Elektrofahrzeuge aufgrund ihrer Speicherkapazität ein großes Flexibilitätspotenzial. Dieses kann je nach Ladesteuerung auf verschiedene Arten genutzt werden, um z. B. erneuerbaren Strom direkt zu nutzen oder durch Rückspeisung in das Netz auch zur systemischen Stabilität beitragen.

Ein Stellhebel sind dabei variable und dynamische Stromtarife, die die möglichst direkte Abnahme von Energie in Abhängigkeit von der Erzeugung anreizen. Ab 2025 sind Energieversorger verpflichtet, ihren Endkunden Produkte dieser Art anzubieten, wodurch besonders Flexibilitäten profitieren können, welche ihren Bedarf, wie z. B. das Laden eines Elektrofahrzeuges, zeitlich an einen günstigen Strompreis anpassen können. Im optimierten Fall wird das Elektrofahrzeug dann noch bidirektional betrieben, um im Fall hoher Strompreise als Energiequelle den zuvor günstiger geladenen Strom ins Netz einzuspeisen und dadurch zusätzliche Erlöse zu erwirtschaften (Use Case: Zeitliche Arbitrage).

Aus Perspektive des Verteilnetzes werden dynamische Stromtarife nur bedingt positiv wahrgenommen, da einschlägige Studienergebnisse verdeutlichen, dass der marktliche und systemische Anreiz aufgrund der aus hohen Preisspreads initiieren Gleichzeitigkeiten lokal zu einer signifikanten Mehrbelastung respektive zusätzlichem Netzausbau führen wird. Daraus folgend wird besonders der Arbitragehandel kritisch betrachtet, da dieser im Gegensatz zu unidirektional preisoptimierten Fahrzeugen das Netz auch bei der damit verbundenen Rückspeisung belastet.

In einer simulativen Fallstudie mit 1.206 Niederspannungsnetzen wurden im Kontext der Netzbelastung in acht Szenarien (vgl. Abbildung 1) sowohl dynamische Strompreise als auch das bidirektionale Laden analysiert, um eine Indikation hinsichtlich des daraus zusätzlich resultierenden Netzausbaus zu erhalten.

Abbildung 1: Anteil der überlasteten Netze nach Überlastungsart im Jahr 2040 für die verschiedenen Szenarien

Folgende Forschungsfragen wurden dabei adressiert:

  • Welche Auswirkungen haben verschiedene Durchdringungsgrade an Elektrofahrzeugen, welche sich uni-/bidirektional an dynamischen Strompreisen orientieren, auf die Netzbelastung?
  • Welche Netzausbaumaßnahmen sind zukünftig dadurch zu erwarten?
  • Inwiefern wird durch das Zusammenspiel von bidirektionalem Laden und dynamischen Strom-preisen (Arbitragehandel) das Netz mehr belastet als durch die Optimierung unidirektionaler Fahrzeuge?