18.02.2019

Diskussionsbeitrag zur Klimabilanz von Elektrofahrzeugen

Ende 2018 wurde von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) im Zuge der teilweise emotional geführten Debatte um die Klimabilanz von Elektrofahrzeugen für mehr Sachlichkeit plädiert. Die im Rahmen der FfE-Analyse aufgezeigten Punkte zum CO2-Fußabdruck von Elektrofahrzeugbatterien, sowie Erkenntnisse aus anderen aktuellen Studien wie bspw. vom Fraunhofer ISI, fanden in dem kürzlich veröffentlichten Beitrag des ifo Schnelldiensts keine Berücksichtigung. In ihrer Analyse „Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?“ kommen die Autoren Buchal, Karl und Sinn auf Basis eines Vergleichs zweier Mittelklassefahrzeuge zu dem Schluss, dass Elektroautos „in den nächsten Jahren kaum einen Beitrag zur Minderung der deutschen CO2-Emissionen leisten“ werden. Einige Aspekte, die zur Einordnung der öffentlichkeitswirksamen Ergebnisse der ifo-Analyse von Bedeutung sind, werden im Folgenden kurz kommentiert:

1. Klimabilanz der Batterieproduktion

Zitat: „In einer Metastudie, die eine Vielzahl von anderen wissenschaftlichen Arbeiten zusammenfasst, schätzen Romare und Dahllöf (2017), dass pro kWh Batteriekapazität zwischen 145 kg und 195 kg an CO2-Äquivalenten ausgestoßen werden.“

Um den Fehlinterpretationen in Folge auf ihre eigene Studie Einhalt zu gebieten, haben Romare und Dahllöf vom IVL in Schweden im Juli 2017 klargestellt, dass die Ergebnisse auf bestehenden Studien basieren und sich die Technologie rasant entwickelt: somit besteht ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der FfE-Studie mithilfe einer Sensitivitätsanalyse aufgezeigt, wie sich die CO2-Bilanz der Batterie im Falle einer großtechnischen Produktionsanlage gegenüber einer Pilotanlage stark verbessert. Für eine industrielle Anlage und den globalen Batterieproduktionsmix, der mit fast 50 % durch China dominiert wird, wurden energiebedingte Treibhausgasemissionen von ca. 106 kg CO2-Äquivalenten je kWh Batteriekapazität ermittelt. Dieser Wert kann sich noch einmal um bis zu 42 % reduzieren, wenn der benötigte Strom für die Produktionsanlage zunehmend durch Erneuerbare Energien (EE) bereitgestellt wird.

2. Gewählte Fahrzeugklasse

Zitat: „Wir vergleichen exemplarisch zwei Fahrzeuge einer ähnlichen Größenklasse, und zwar den Tesla Model 3 mit einer Batterie von 75 kWh mit einem C 220 d von Mercedes […]“

Wie in der FfE-Studie sowie einem Vortrag auf der FfE-Fachtagung dargestellt, ist die Bewertung der Klimawirksamkeit von Fahrzeugen stark von den Annahmen abhängig. Eine wichtige Rolle spielt dabei unter anderem die gewählte Fahrzeugklasse. Es kann nicht von einem Vergleich von zwei Mittelklassefahrzeugen auf die gesamte Elektromobilität geschlossen werden, denn batterieelektrische Fahrzeuge besitzen insbesondere in den kleinen Fahrzeugklassen ökologische Vorteile. So ergibt sich gemäß der Analyse der FfE für die Kompaktklasse bereits ein ganz anderes Bild. Bei einem Fahrzeugvergleich ist es folglich besonders wichtig, den Gültigkeitsbereich zu benennen und diesen auch im Fazit zu berücksichtigen.

3. Entwicklung des Emissionsfaktors von Strom

Zitat: „Nach dem in Tabelle 1 gelisteten durchschnittlichen Emissionsfaktor von 0,55 kg/kWh steht dem Energiebedarf in Höhe von 15 kWh pro 100 km beim deutschen Energiemix ein CO2-Ausstoß von nur noch 83 Gramm pro Kilometer gegenüber. […] Wenn nun freilich, wie beschlossen, der Atomstrom abgeschaltet wird und zunächst durch Steinkohlestrom ersetzt würde, dann sieht die Rechnung für den Elektromotor noch schlechter aus, weil der Energiemix wieder CO2-intensiver wird. Durch Hochrechnung der Angaben zum Steinkohlestrom aus der Tabelle im Anhang ergibt sich nun ein Anstieg des Emissionsfaktors auf 0,68 kg/kWh.“

Da die verbrauchsbedingten Emissionen über den Lebenszyklus eines Elektroautos zu betrachten sind, sind die Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der spezifischen CO2-Emissionen von Strom essenziell. Im Artikel wird angenommen, dass mit Ausstieg aus der Kernenergie dieser „fehlende Strom“ zu 100 % durch Kohlestrom ersetzt wird, entsprechend ergeben sich spezifische Emissionen von 680 g/kWh. Diese willkürliche Annahme ignoriert den langfristig gesetzlich verankerten Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien und die Empfehlungen der Kohlekommission. Sofern der EE-Ausbau nach Plan erfolgt und ein Kohleausstieg gemäß Kohlekommission stattfindet, wird sich der aktuelle Trend sinkender Emissionen in der Energiewirtschaft (-4,5 % in 2018) fortsetzen. Auch nach einem Kernenergieausstieg werden die europaweit bereits heute fast vollständig ausgelasteten Kohlekraftwerke nicht mehr Strom erzeugen können. Die Analysen aus dem FfE-Projekt Dynamis zeigen Emissionskoeffizienten (ohne Vorkettenemissionen aus der Brennstoffbereitstellung) im Bereich von 350 g/kWh für die Jahre 2020 bis 2025 und weniger als 250 g/kWh ab 2030.

4. Volatilität und Reservekraftwerke

Zitat: „Wind- und Solaranlagen benötigen ganz im Gegenteil die konventionellen Anlagen als Komplemente, die immer bereitstehen müssen, um die Stromversorgung während der Flauten zu decken. Man kann, wenn man Wind- und Sonnenstrom einspeist, zwar Kohle sparen, jedoch nicht die Kohlekraftwerke – ein Aspekt, der der Kohlekommission entgangen zu sein scheint, die kürzlich ein Gutachten vorlegte, in dem sie den Abbau der Kohlekraftwerke bis zum Jahr 2038 empfahl.“

 

Die angerissene Diskussion hinsichtlich der zukünftigen Ausgestaltung des Energiesystems beschränkt sich auf die von Hans-Werner Sinn bekannte Kritik an den Erneuerbaren Energien aufgrund ihrer Volatilität. Zu dieser Thematik hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bereits in einer umfassenden Analyse sämtliche Punkte aufgegriffen und basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Quellen widerlegt. In der vorliegenden Arbeit wird auch die von vielen Studien gedeckte Erkenntnis, dass in einem Elektrifizierungsszenario mit hohen EE-Anteilen Reservekraftwerke zur Systemabsicherung vonnöten sein werden, aufgegriffen. Die These, dass dieses System im Vergleich zu alternativen Pfaden besonders kostenintensiv sei, wird nicht durch Fakten belegt. Vielmehr zeigen Untersuchungen, wie vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dass die benötigten Kapazitäten zur Gewährung der Versorgungsicherheit keine Vergrößerung des deutschen Kraftwerkspark, sondern lediglich eine Umstellung des Energieträgers auf Gas und eine Überführung in den Reservebetrieb bedeuten würden. Aufgrund der geringen Investitionskosten neuer Gaskraftwerke und den verhältnismäßig niedrigen Kosten für einen Bereitschaftsbetrieb, ist diesem Punkt nur geringe Relevanz beizumessen. In der genannten Studie kann eine 80 %‑ige Emissionsreduktion im Jahr 2050 (ggü. 1990) sogar mit Mehrkosten von 18 % gegenüber 2015 erreicht werden.

In dem Artikel werden aufgrund stark vereinfachter Vorgaben unrealistische und unzutreffende Schlussfolgerungen getroffen. Die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse erfordert zwar immer eine Vereinfachung komplexer Sachverhalte, aber die zugrundeliegenden Annahmen und der Gültigkeitsbereich der Ergebnisse muss transparent und nachvollziehbar dargestellt werden, um gravierende Fehlinterpretationen zu vermeiden.