18.01.2019

Die Bedeutung synthetischer Brennstoffe in der Industrie bei ambitioniertem Klimaschutz

Vortrag im Rahmen der 11. Internationalen Energiewirtschaftstagung IEWT vom 13. – 15. Februar 2019 in Wien

Motivation und zentrale Fragestellung

Die Analyse energie- und klimapolitischer Szenarien zeigt, dass das Energiesystem bei einer nahezu vollständigen Dekarbonisierung [1] maßgeblich durch den Einsatz synthetischer Energieträger geprägt sein wird [2]. Neben der Verwendung im Verkehrssektor werden synthetische Brennstoffe aus kostenoptimaler Sicht auch im Industriesektor eingesetzt [3], [4], [5].

Es ergeben sich folgende zentrale Fragestellungen:

  • In welchen energie- und emissionsintensiven Industrieprozessen werden synthetische Brennstoffe eingesetzt und in welcher Größenordnung (Analyse technischer Potenziale)?
  • Wie kann der Energieträgerwechsel in einem energetischen Industriemodell umgesetzt werden, um eine mit anderen Treibhausgasverminderungsmaßnahmen konsistente Maßnahmenumsetzung sicherzustellen und Szenarien für den synthetischen Brennstoffeinsatz zu entwickeln?

Methodische Vorgangsweise

Zur Erhebung von SynFuel-Potenzialen werden zunächst Prozesse mit hohem spezifischen fossilem Brennstoffeinsatz identifiziert. Anhand des Brennstoffverbrauchs, technischer Restriktionen und weiterer Kriterien sowie unter Berücksichtigung von Elektrifizierungspotenzialen [6], [7] werden technische SynFuel-Potenziale anhand der Auswertung statistischer Daten und Studien erfasst. In diesem Zusammenhang wird berücksichtigt, dass aufgrund der höheren systemischen Energieeffizienz zur Vermeidung energiebedingter Emissionen die Elektrifizierung der Erzeugung von Wärme und mechanischer Energie meist zu bevorzugen ist [2].

Zudem wird eine Methodik entwickelt, die die Umsetzung des Energieträgerwechsels von fossilen zu synthetischen Brennstoffen im „Sektorenmodell Industrie (SMIND)“ ermöglicht. Es wird auch dargelegt welche Input- und Outputdaten zur Kopplung mit dem Integrierten Simulationsmodell zur Anlageneinsatz- und Ausbauplanung mit Regionalisierung (ISAaR, Kraftwerkseinsatzmodell) erforderlich sind, um ein Szenario mit hohem synthetischen Brennstoffeinsatz darzustellen. In diesem Rahmen wird thematisiert, dass zur Priorisierung von  Treibhausgasverminderungsmaßnahmen im SMIND Energieträgerpreise erforderlich sind, die in der Kraftwerkseinsatzplanung errechnet werden. Der kostenoptimale Einsatz synthetischer Energieträger wird deshalb maßgeblich durch den Output der ISAaR bestimmt. Die Preise synthetischer Energieträger in der ISAaR werden wiederum stark durch den tatsächlichen Verbrauch synthetischer Energieträger in der Industrie beeinflusst. Dies ist damit zu begründen, dass ein vermehrter Einsatz synthetischer Brennstoffe Skaleneffekte in Erzeugung und Transport bedingt, die die Kosten senken.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Es zeigt sich, dass synthetische Brennstoffe in der Industrie bei hohem Klimaschutzambitionsniveau
zukünftig als Alternative zur fossilen Energiebereitstellung eingesetzt werden (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Bedeutung synthetischer Brennstoffe in der Industrie bei ambitioniertem Klimaschutz Ergebnisse aus einer Metastudienanalyse energie- und klimapolitischer Szenarien [2]

Bei der einführenden Analyse zu Substitutionspotenzialen synthetischer Brennstoffe in der Industrie wird deutlich, dass Prozesse im Fokus stehen, „bei denen eine vollständige Elektrifizierung aus prozessspezifischer Sicht nicht möglich ist oder nicht-energetisch genutzte, erdölbasierte Ausgangstoffe erforderlich sind“ [2]. Dies trifft vor allem auf Prozesse der Stahl- und Chemieindustrie zu. Der weitverbreitete koksbasierte Hochofenprozess zur Erzeugung von Primärstahl kann beispielsweise durch wasserstoffbasierte Direktreduktionsanalgen mit anschließendem Schmelzvorgang im Elektrolichtbogenofen ersetzt werden. Eine vollständige Elektrifizierung ist nicht möglich, da bei der Primärstahlerzeugung ein
Reduktionsmittel zur Bindung des im Eisenoxid enthaltenen Sauerstoffs erforderlich ist und für den vollständigen Verfahrensroutenwechsel (Sekundärstahlerzeugung) nicht ausreichend Recyclingmaterialien verfügbar sind. In der Chemieindustrie können erdölbasierte Edukte durch synthetische Kohlenwasserstoffe substituiert werden [2].

Synthetische Energieträger werden in der Industrie ab einem hohen Klimaschutzambitionsniveau eine wichtige Rolle einnehmen. Die Frage lautet deshalb nicht mehr ob, sondern in welchen Industrien und Mengen synthetische Brennstoffe zur energetischen Transformation eingesetzt werden. Um eine kostenoptimalen Maßnahmenzusammensetzung hinsichtlich der CO2-Verminderungskosten sicherzustellen und Szenarien für den synthetischen Brennstoffeinsatz zu entwickeln ist die methodische Umsetzung des Energieträgerwechsels im Industriemodell SMIND zu erarbeiten.

Literatur
[1] Bundesregierung: Was sind die Kernpunkte/Ziele der Energiepolitik der Bundesregierung?. In: https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Energiewende/Fragen-Antworten/1_Allgemeines/1_warum/_node.html (Abruf: 29.05.2017) (Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6qonlNWIp). Berlin: Bundesregierung, 2017

[2] Hübner, Tobias et al.: Die Rolle synthetischer Brennstoffe zur Erreichung der klimapolitischen Ziele – Bedeutung im Jahr 2050. In: BWK (Brennstoff, Wärme, Kraft) – Das Energie-Fachmagazin 10/2018. Düsseldorf: Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, 2018.

[3] Kruse, Jürgen et al.: dena-Leitstudie Integrierte Energiewende – Teil B. Köln: ewi Energy Research & Scenarios gGmbH, 2018.

[4] Gebert, Philipp et al.: Klimapfade für Deutschland. München: The Boston Consulting Group (BCG), prognos, 2018.

[5] Günther, Jens et al.: Den Weg zu einem treibhausgasneutralen Deutschland ressourcenschonend gestalten. Berlin: Umweltbundesamt, 2017.

[6] Guminski, Andrej; von Roon, Serafin: Transition Towards an “All-electric World” – Developing a Merit-Order of Electrification for the German Energy System in: 10. Internationale Energiewirtschaftstagung an der TU Wien. Wien