18.01.2019

Die Bedeutung der Industriellen Eigenerzeugung bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien

Vortrag im Rahmen der 11. Internationalen Energiewirtschaftstagung IEWT vom 13. – 15. Februar 2019 in Wien

Motivation und zentrale Fragestellung

Der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) an der Stromerzeugung hat in Deutschland innerhalb des letzten Jahrzehnts stark zugenommen und wird nach den Zielen der Bundesregierung im Jahr 2030  65 % betragen. Bereits heute entspricht die EE-Erzeugung in einigen Stunden nahezu dem gesamten Stromverbrauch. Die Großhandelspreise liegen in diesen Zeiten und in vielen weiteren bei knapp über 0 €/MWh und sind teilweise sogar negativ. Dennoch werden Industriekraftwerke auch bei sehr niedrigen Stromgroßhandelspreisen in der Regel weiter betrieben. Dies liegt an den hohen Abgaben, Umlagen und Netzentgelten, die unabhängig vom Großhandelspreis zu entrichten sind. Aus Systemsicht wird somit in solchen Stunden nicht das Kostenminimum der gesamten Stromerzeugung erreicht. Des Weiteren handelt es sich bei den industriellen Erzeugungseinheiten in der Regel um fossil befeuerte Kraftwerke, die je nach Erzeugungssituation zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen beitragen können. Bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien besteht somit die Tendenz, dass ohne Anpassung des regulatorischen Rahmens Industriekraftwerke durch ihre Fahrweise sowohl die Kosten als auch die CO2-Emissionen der Gesamtstromerzeugung erhöhen.

Methodische Vorgangsweise

Zunächst wird auf Basis veröffentlichter Daten von z.B. des Verbrands der Industriellen Energie- & Kraftwirtschaft und der Transparency Plattform eine Aufschlüsselung der industriellen Eigenerzeugung nach Energieträgern, installierten Leistungen, Alter (hieraus wird Wirkungsgrad abgeleitet) und Betriebsweise (gekoppelt oder ungekoppelt) vorgenommen. Durch einen Vergleich mit der allgemeinen Versorgung kann die energiewirtschaftliche Relevanz des Untersuchungsgegenstands verdeutlicht werden. Hierauf aufbauend wird eine Zeitreihe der Erzeugung nach den einzelnen Kraftwerksblöcken für das Jahr 2017 modelliert.

Im zweiten Schritt wird eine Merit Order der industriellen Eigenerzeugung mit den Brennstoffpreisen des Jahres 2017 erstellt. Hierbei werden insbesondere die Kosten der alternativen Wärmebereitstellung im Falle eines KWK-Systems berücksichtigt. Im Sinne einer Systembewertung wird folgender Ansatz gewählt.

Es werden die stundenscharfen Gebotskurven der EPEX Spot des Jahres 2017 ausgewertet. Die Leistung der Eigenerzeugungskraftwerke der Industrie (mit der vollständig installierten Leistung unter Berücksichtigung der mittleren Verfügbarkeiten) wird mit ihren jeweiligen Grenzkosten in die entsprechenden Verkaufsgebotskurven einsortiert. Ebenfalls wird die industrielle Stromerzeugung (nur mit der tatsächlichen Erzeugungshöhe in der jeweiligen Stunde) mit den Grenzkosten in die Kaufgebotskurve integriert. Auf Basis des neuen Schnittpunkts der beiden Kurven kann bestimmt werden, wie sich die Preise im Großhandelsmarkt ändern und welche industriellen Kraftwerke in diesem Systemansatz weiterhin laufen. Die Rückwirkung der erhöhten Stromgroßhandelspreise auf Haushaltskunden, Industriekunden (mit und ohne Eigenerzeugung) sowie EEG-Umlage werden quantifiziert und diskutiert. Des weiteren wird die Kosten- als auch die CO2-Emissionsbilanz der beiden Fälle miteinander verglichen.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Es kann gezeigt werden, dass die industrielle Eigenerzeugung eine signifikante Rolle bei der Stromerzeugung einnimmt. Eine systemische Einbindung dieser Kraftwerke erhöht zwar die Strompreise für die restlichen Stromverbraucher, die Stromgestehungskosten des Gesamtsystems sinken jedoch. Insbesondere bei einem weiter forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung kann durch einen sinnvollen Einsatz der industriellen Kraftwerke ein wichtiger und notwendiger Beitrag zur CO2-Emissionsreduktion geleistet werden. Hierfür muss schrittweise der regulatorische Rahmen angepasst werden.