Deutsche Strompreise an der Börse EPEX Spot in 2021
- Deutsches Strompreisniveau steigt deutlich – Wie haben die Brennstoff- und CO2-Märkte im Jahr 2021 die Strompreise beeinflusst?
- Preisspreads steigen analog zum Strompreisniveau an – Was bedeutet das für die Vermarktung von Flexibilitäten?
- 139 Stunden mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt – Thema einer steigenden Anzahl negativer Strompreise verliert an Bedeutung
Deutsches Strompreisniveau steigt deutlich – Wie haben die Brennstoff- und CO2-Märkte im Jahr 2021 die Strompreise beeinflusst?
Das deutsche Strompreisniveau ist in 2021 sehr stark angestiegen, wodurch der Preis der Grundlast (Base load) am Day-Ahead-Markt sich mehr als verdreifacht hat gegenüber 2020. Analog sind auch die Preise der Spitzenlast (Peak load; durchschnittlicher Preis an den Werktagen Montag bis Freitag von 8 – 20 Uhr) sowie der Schwachlastzeiten (Offpeak load; durchschnittlicher Preis aller Stunden, die nicht im Peak sind) angestiegen. Die folgende Abbildung stellt dazu die mittleren, deutschen Börsenstrompreise für Base, Peak und Offpeak am Day-Ahead-Markt der letzten 5 Jahre dar. Das Verhältnis von Peak zu Base liegt bei ca. 1,2 bzw. von Offpeak zu Base bei ca. 0,9 und hat sich in den letzten Jahren dabei nicht wesentlich verändert.
Der hohe Anstieg der Strompreise wurde vielfältig in den Medien diskutiert, insbesondere da eine zunehmende Anzahl von Energieversorgern die Haushalts-Strompreise erhöhen, so dass sich der Preisanstieg auch beim Endverbraucher zeigt. Mittelfristig und vor allem langfristig können sich die Haushaltsstrompreise aber durch einen verstärkten Zubau der erneuerbaren Energien und einer Entspannung auf den Brennstoffmärkten wieder reduzieren.
Auch die Frage nach dem „Warum“ des Strompreisanstiegs wurde in Fachmedien bereits vielfältig diskutiert. Die beiden folgenden Abbildungen greifen diese Diskussionen auf und stellen die Brennstoffpreise und den CO2-Preis, im Vergleich zum wöchentlichen Base-Strompreis am Day-Ahead-Markt sowie resultierende Grenzkosten-Bereiche von Gaskraftwerken (Wirkungsgrad 40 – 60 %) und Steinkohlekraftwerken (Wirkungsgrad 35 – 45 %) dar. Es ist klar ersichtlich, dass alle Preise zum Jahresende hin stark angestiegen sind. Besonders das Niveau vom Strompreis und vom Gaspreis hat sich zeitweilig verfünf- bzw. verzehnfacht.
Der Anstieg des Gaspreises ist insbesondere auf einen hohen globalen Gasbedarf aufgrund von Corona-Nachholeffekten, nicht ausreichend gefüllte europäische Gasspeicher und verminderte Liefermengen russischen Erdgas zurückzuführen. Der Strompreis am Day-Ahead-Markt ist wiederum abhängig von Brennstoffpreisen und CO2-Preisen, welche die Grenzkosten konventioneller Kraftwerke bestimmen, sowie von volatilen Einspeisemengen aus erneuerbaren Energien. Aus der Gegenüberstellung der Preise und Grenzkosten in der dritten Abbildung wird ersichtlich, dass die sehr hohen Strompreise insbesondere auf die hohen Gaspreise zurückzuführen sind und weniger auf den Anstieg des CO2-Preises, des Steinkohlepreises und des Ölpreises.
Für eine detaillierte Analyse der Charakteristik des Strompreises bildet die nachfolgende Abbildung die stündlichen (Day-Ahead-Markt) bzw. viertelstündlichen (kontinuierlicher Intraday-Handel) Strompreise des Jahres 2021 ab. Das regelmäßige tägliche, wöchentliche und saisonale Profil der Strompreise, das in den letzten Jahren beobachtet werden konnte (2019, 2020) ist in Ansätzen nach wie vor erkennbar, wird aber klar von dem starken Anstieg des Strompreises in der zweiten Jahreshälfte überlagert. Auch in den Monaten September bis Dezember kam es aber aufgrund von hohen Einspeisungen erneuerbarer Energien insbesondere mittags mit höheren PV-Einspeisungen und nachts mit geringeren Stromlasten an einigen Tagen zu geringeren und vereinzelt sogar negativen Strompreisen. Dies führt direkt zu der Frage, wie sich das hohe Strompreisniveau auf die Preisspreads und damit auf Erlösmöglichkeiten von Flexibilitäten ausgewirkt hat.
Preisspreads steigen analog zum Strompreisniveau an – Was bedeutet das für die Vermarktung von Flexibilitäten?
Für den Einsatz von Flexibilitäten an den Strommärkten sind neben dem Preisniveau vor allem die Preisspreads entscheidend. Die folgende Abbildung analysiert dazu die maximalen täglichen Spreads des Day-Ahead-Handels, maximale innerstündliche Spreads der Intraday-Auktion und Spreads zwischen viertelstündlichem, kontinuierlichem Intraday-Handel und Intraday-Auktion für die Jahre 2019 bis 2021. Es ist ersichtlich, dass sich ab September 2021 ein anderes Niveau an Preisspreads sowohl im stündlichen Day-Ahead-Markt als auch in der viertelstündlichen Intraday-Auktion eingestellt hat.
Der mittlere, maximale tägliche Preisspread am Day-Ahead-Markt lag ab Oktober 2021 deutlich über 100 €/MWh (im Dezember bei 194 €/MWh), der mittlere, innerstündliche Spread in der Intraday-Auktion deutlich über 50 €/MWh (im Dezember bei 75 €/MWh). Für das 4. Quartal typisch traten in diesem Zeitraum die höchsten innerstündlichen Preisspreads in den späten Abendstunden von 19 Uhr bis 1 Uhr nachts bzw. in den frühen Morgenstunden von 4 Uhr bis 8 Uhr auf. Zu diesen Zeiten treten die größten innerstündlichen Residuallaständerungen auf (absinkend am späten Abend und ansteigend am frühen Morgen), so dass der innerstündliche Preis stark variiert. Eine weitere interessante Analyse ist die Berechnung der Differenz zwischen viertelstündlichem, kontinuierlichem Intraday-Preis und dem Preis der Intraday-Auktion.
Der Preis der Intraday-Auktion ist dabei der Erwartungswert des kontinuierlichen Intraday-Handels, so dass die Darstellung des Spreads die Preisunsicherheit widerspiegelt. In den letzten Jahren variierte der Spread nicht systematisch nach Jahreszeit, vielmehr deutete beispielsweise eine hohe Einspeisung erneuerbarer Energien auf mögliche hohe Preisvolatilitäten hin. Mit dem starken Anstieg des Strompreisniveaus und der Spreads ist nun aber auch die Unsicherheit des kontinuierlichen Intraday-Preises in den letzten vier Monaten signifikant angestiegen, wobei es kaum tageszeitabhängige Unterschiede der Preisvolatilitäten gibt. Die hohe Preisunsicherheit entsteht vielmehr insbesondere durch eine sehr viel steilere Merit-Order auf der Angebotsseite im Intraday-Markt, so dass auch kleine Prognosefehler am kontinuierlichen Intraday-Markt große Preisabweichungen von der Intraday-Auktion bedeuten.
Die nachfolgende Tabelle ergänzt die visuellen Untersuchungen durch Kennzahlen zum maximalen stündlichen und täglichen Preisspread sowie zu stündlichen und täglichen Standardabweichungen der Strompreise. Auch hier wird ein starkes Ansteigen der Strompreisvolatilität deutlich. Insbesondere die in 2021 gegenüber 2020 um 2-2,5-mal höhere Standardabweichung der täglichen Day-Ahead- und Intraday-Preise zeigt dabei die deutlich angestiegenen Erlöspotenziale von täglichen Flexibilitäten auf.
In einer vorhergehenden Veröffentlichung [6] haben wir die Erlöspotenziale von bidirektionalen Elektrofahrzeugen als exemplarische tägliche Flexibilität herausgestellt. Durch Simulationen mit zukünftigen, modellierten Strompreisen stellte sich dabei eine starke Korrelation der Erlöspotenziale von der mittleren, täglichen Standardabweichung der Strompreise heraus. Daher ist für 2021 von mehr als einer Verdoppelung der Erlöspotenziale gegenüber den für 2019 ausgewiesen Erlöspotenzialen auszugehen. Ein bidirektionales Elektrofahrzeug (100 kWh Batteriekapazität, 11 kW Lade-/Entladeleistung) könnte somit die Erlöse bei kombinierter Vermarktung an Day-Ahead- und Intraday-Markt und Befreiung von Abgaben und Umlagen von 650 €/a in 2019 auf über 1.300 €/a im Jahr 2021 steigern.
Jahr | Day-Ahead-Markt (stündlich) |
Intraday-Auktion (viertelstündlich) |
Viertelstündlicher kontinuierlicher Intraday-Handel (mittlerer Preis) |
|||
täglich | täglich | stündlich | täglich | stündlich | ||
Maximaler Preisspread in €/MWh (gemittelt über das Jahr) |
2021 | 80,3 | 138,2 | 37,4 | 143,5 | 33,8 |
2020 | 32,5 | 70,0 | 20,2 | 79,1 | 18,0 | |
2019 | 30,1 | 53,3 | 16,3 | 62,7 | 14,3 | |
2018 | 32,2 | 58,8 | 17,5 | 68,2 | 16,1 | |
Standardabweichung in €/MWh (gemittelt über das Jahr) |
2021 | 24,5 | 29,7 | 16,4 | 30,1 | 14,8 |
2020 | 9,4 | 13,8 | 8,9 | 14,9 | 8,0 | |
2019 | 9,0 | 11,7 | 7,2 | 13,0 | 6,4 | |
2018 | 9,8 | 12,9 | 7,7 | 14,1 | 7,2 |
Tabelle 1: Analyse des Preisspreads und der Standardabweichung der Strompreise an den deutschen Spotmärkten in den Jahren 2018 bis 2021 nach Daten der EPEX SPOT [1]
139 Stunden mit negativen Preisen am Day-Ahead-Markt – Thema einer steigenden Anzahl negativer Strompreise verliert an Bedeutung
Tabelle 2 fasst die Entwicklung der Anzahl von Stunden (Day-Ahead-Markt) bzw. Viertelstunden (Intraday-Handel) mit negativen Strompreisen über die letzten fünf Jahre zusammen. In 2019 und 2020 war der Anstieg von Stunden mit negativen Strompreisen ein großes Thema. In einer Analyse zu den Strompreisen im Jahr 2020 haben wir bereits dargelegt, dass aufgrund einer zunehmenden Flexibilisierung der Anlagen im deutschen Energiesystem von einem weiteren signifikanten Anstieg der Anzahl und der mittleren negativen Preise nicht auszugehen ist. Durch den starken Anstieg des Strompreisniveaus ist in 2021 auch die Anzahl an Stunden/Viertelstunden mit negativen Preisen stark zurückgegangen. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte traten diese kaum mehr auf. Durch die hohen variablen Grenzkosten gehen vermehrt große konventionelle Kraftwerksblöcke nicht mehr mit negativen Angebotspreisen in den Markt. Zudem ist das Strom-Angebot durch Stilllegungen von Kohlekraftwerken verknappt.
Jahr | Anzahl negative Preise | Mittlerer Preis in €/MWh | Gehandeltes Volumen in MWh | Stromwert in Millionen € |
|
Day-Ahead-Markt (stündlich) | 2021 | 139 | -16,4 | 30.021 | -72,9 |
2020 | 298 | -15,5 | 30.536 | -148,6 | |
2019 | 211 | -17,3 | 36.191 | -133,8 | |
2018 | 134 | -13,7 | 34.998 | -68,4 | |
2017 | 146 | -26,5 | 37.127 | -152,7 | |
Intraday-Auktion (viertelstündlich) | 2021 | 784 | |||
2020 | 2.041 | ||||
2019 | 1.095 | ||||
2018 | 852 | ||||
2017 | 1.133 | ||||
Viertelstündlicher kontinuierlicher Intraday-Handel (mittlerer Preis) |
2021 | 796 | |||
2020 | 1.783 | ||||
2019 | 1.142 | ||||
2018 | 912 | ||||
2017 | 1.272 |
Tabelle 2: Anzahl an negativen Börsenstrompreisen in den Jahren 2017 bis 2021 nach Daten der EPEX SPOT [1]
Eine Analyse der europäischen Day-Ahead-Preise kann an dieser Stelle gefunden werden.
Quellenverzeichnis: | |
[1] | EPEX SPOT. 2021. “Market data“, https://www.epexspot.com/en/market-data |
[2] | EEX European Energy Exchange. 2021. „Spot market data – TTF“, https://www.powernext.com/spot-market-data |
[3] | Statistisches Bundesamt (Destatis). 2021. „Preisindizes für die Einfuhr“, https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html |
[4] | OPEC Organisation erdölexportierender Länder. 2021. „OPEC Basket Price“, https://www.opec.org/opec_web/en/data_graphs/40.htm |
[5] | EEX European Energy Exchange. 2021. “Environmental Markets – Futures Market”, https://www.eex.com/en/market-data/environmental-markets/derivatives-market |
[6] | Kern, Timo; Dossow, Patrick; von Roon, Serafin. 2020. „Integrating Bidirectionally Chargeable Electric Vehicles into the Electricity Markets“ Energies 13, no. 21: 5812, https://www.mdpi.com/1996-1073/13/21/5812/htm |