13.07.2022

Beitragsreihe Politische Maßnahmen: Was ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)?

Deutschland hat im Zuge der Novellierung des Bundes-Klimaschutzgesetzes seine Klimaziele weiter verschärft. Bis 2030 sollen die THG-Emissionen um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 sinken und die THG-Neutralität soll bereits im Jahr 2045 erreicht werden 1.

Bei der Erreichung dieser Ziele spielt der Industriesektor eine wichtige Rolle. Mit 24 % trägt die Industrie im Jahr 2020 maßgeblich zu den nationalen Gesamtemissionen bei. Das Sektorziel für die Industrie entspricht einer Emissionsreduktion um 34 % bis zum Jahr 2030 2. Diese Transformation hin zu einer THG-neutralen Industrie wird politisch vorangetrieben und unterstützt. In dieser Beitragsreihe werden verschiedene politische Maßnahmen beleuchtet, die in Zukunft dazu beitragen können, die Energiewende in der Industrie voranzutreiben oder dies bereits tun. Der Fokus wird dabei zum einen auf der Funktion und den Auswirkungen der Maßnahmen liegen und zum anderen auf der jeweiligen wissenschaftlichen Diskussion.

Übersicht über die Themen der Beitragsreihe Politische Maßnahmen

  1. Was sind Superabschreibungen?
  2. Was sind Klimaschutzverträge?
  3. Was ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)?
  4. Was sind Kapazitätsmechanismen?

Was ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)?

Der CBAM soll globale Wettbewerbs-Nachteile von innereuropäischen Unternehmen mit hohen CO2-Kosten entgegenwirken, indem auch Importe mit einem vergleichbaren CO2-Preis belegt werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Unternehmen in CO2-intensiven Industrien ins EU-Ausland abwandern. Der Koalitionsvertrag für 2021 bis 2025 1  genauso wie das Fit-for-55-Package 2 unterstützen die Einführung eines europaweiten CBAM oder vergleichbar wirksamer Instrumente.

Funktionsweise und Wirkungsbereich des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)
Abbildung 1: Politische Maßnahme: Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)

Einordnung und Funktion

Bislang gibt es keine globale CO2-Bepreisung. In der europäischen Union werden CO2-Emissionszertifikate im Rahmen des Emissionshandelssystems (EHS) gehandelt. Ein Zertifikat umfasst dabei den Preis für eine Tonne emittiertes CO2. Für europäische Unternehmen in CO2-intensiven Branchen ergibt sich aus dieser CO2-Bepreisung ein wettbewerblicher Nachteil gegenüber Unternehmen derselben Branche, die keine CO2-Abgaben leisten müssen.

Der CBAM soll diesen Nachteil durch Erhebung eines verhältnismäßigen CO2-Zolls für Importe aufheben. Diese Maßnahme ahmt für europäische Unternehmen einen globalen CO2-Preis nach. Das Risiko der Abwanderung sowie der Wettbewerbsnachteil gegenüber internationalen Konkurrenten von Unternehmen in CO2-intensiven Industrien soll so entschärft werden. Auch diskutiert wird eine Rückerstattung der geleisteten CO2-Abgaben für europäische Unternehmen, die in Länder exportieren, welche keinen oder einen geringeren CO2-Preis erheben 1. Bei seiner jüngsten Abstimmung zum europäischen EHS und CBAM am 22. Juni 2022 fordert das europäische Parlament auch einen solchen Exportausgleich 2 .

Aktuell werden an bestimmte CO2-intensive Unternehmen im Rahmen des EHS kostenfreie Emissionszertifikate vergeben, um einen Nachteil gegenüber Unternehmen außerhalb des EHS abzuschwächen. Wissenschaftliche Studien, unter anderem ein Sonderbericht des europäischen Rechnungshofs 3, beweisen jedoch, dass dieses Mittel die Umstellung auf klimafreundliche Produktionsanlagen hemmt. Aus diesem Grund wird ein Abbau der kostenfreien Zertifikate erwogen und alternative Mechanismen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit wie der CBAM werden diskutiert.

Wirkungsbereich

Die Einführung eines CBAM muss grundsätzlich im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erfolgen. Andernfalls könnte ein Grenzausgleichsmechanismus leicht umgangen werden, indem Produkte über Länder ohne Grenzausgleich in den gemeinsamen europäischen Markt eingeführt werden. Für Länder, die selbst einen CO2-Preis haben, wird der anfallende Grenzausgleich beim Import jeweils angepasst oder er entfällt gänzlich 1. Grundsätzlich soll die erhobene Grenzabgabe in Höhe des Zertifikatpreises des EU-EHS erfolgen 2. Zunächst wird eine Einführung der Maßnahme für Stahl, Zement, Klinker, Düngemittel, Aluminium und Strom im Fit-for-55-Package vorgeschlagen 3.

Potenzielle Effekte im EU-Inland und -Ausland

Durch den Abbau kostenfreier Emissionszertifikate und die Einführung eines CBAM würden die Preise CO2-intensiver Güter in der EU ansteigen. Die Kosten in der Weiterverarbeitung und die Belastung der Endverbraucher würde sich somit erhöhen. Die Mehreinnahmen, die durch die CO2-Bepreisung von Importen generiert werden, könnten zum Beispiel für die Entlastung besonders betroffener Verbraucher eingesetzt werden oder aber für weitere Klimaschutzinvestitionen. Länder, die nicht Teil des europäischen Wirtschaftsraumes sind, könnten durch einen europäischen Grenzausgleichsmechanismus dazu angeregt werden, ebenfalls einen CO2-Preis einzuführen, um weiter ungehindert mit der EU Handel treiben zu können 1 .

Administrative und rechtliche Herausforderungen

Große Herausforderungen bei der Umsetzung des CBAM liegen vor allem im administrativen und rechtlichen Bereich. Zum einen wäre die CO2-Bilanzierung aller betroffenen importierten wie exportierten Produkte notwendig. Auf Basis der CO2-Intensität eines Produktes kann die Höhe der jeweiligen Grenzabgabe schließlich bestimmt werden. Die Bestimmung der CO2-Intensität ist vor allem für verarbeitete Produkte schwierig. Insgesamt bringt dieses Vorhaben einen hohen administrativen Aufwand mit sich. Dieser nimmt weiter zu, wenn Handelspartner mit eigener CO2-Bepreisung vom CBAM ausgeschlossen oder Entwicklungsländer weniger belastet werden sollen.

Zum anderen besteht die Gefahr, dass Handelspartner der EU die Maßnahme als Handelshemmnis wahrnehmen und mit Gegenmaßnahmen reagieren. Die Einführung eines CBAM könnte deshalb zu handelsrechtlichen und -politischen Auseinandersetzungen führen.

Die Umsetzbarkeit des CBAM ist außerdem WTO-rechtlich umstritten. Grundsätzlich sind Berechnungen von Grenzausgleichszahlungen welthandelsrechtlich allerdings nicht verboten 1.

Bisheriger politischer Diskurs

Sowohl der Koalitionsvertrag für 2021 bis 2025 1 als auch das Fit-for-55-Package 2 der EU-Kommission unterstützen die europaweite Einführung eines Grenzausgleichsmechanismus. Das im Juni und Dezember 2021 verabschiedete EU-Paket beinhaltet einen Vorschlag zum zeitlichen Rahmen der Umsetzung eines CBAM. Von 2023 bis 2025 soll es eine reine Reportingphase geben, in der nur Emissionen berichtet werden. Ab 2026 wird dann bis 2035 schrittweise ein CBAM zunächst für Stahl, Zement, Klinker, Düngemittel, Aluminium und Strom eingeführt. Zeitgleich soll der Umfang kostenfreier Emissionszertifikate um 10 % jährlich gekürzt werden [4]. Durch die Kürzung der kostenfreien Zertifikate wächst die Belastung genannter Produkte mit dem CO2-Preis. Die Grafik in Abbildung 1 zeigt, wie der CBAM diese wachsende Belastung über die EU-Grenzen hinweg ausgleichen soll.