04.04.2025

Bidirektionales Laden nach §14a: Maximale Ersparnis durch Modulwahl und Netzentgeltbefreiung

Im Rahmen unseres Vorhabens „V2G-Potenziale freisetzen: Von Hürden zu Lösungen“ analysieren wir die möglichen Mehrwerte und bestehenden Hürden des bidirektionalen Ladens. Ein wiederkehrender Faktor, der das Potenzial der Technologie in Deutschland bis dato einzuschränken scheint, ist die Unsicherheit, wie wirtschaftlich das bidirektionale Laden tatsächlich ist. Beispielsweise müssen an der vielversprechenden aber komplizierten Teilnahme am Spotmarkt (in der Folge stets als Vehicle-to-Grid, V2G, bezeichnet) viele beteiligte Akteure – vom Anbieter bis zur Kund:innen – profitieren können.

Was lässt sich also wirklich aktuell durch V2G verdienen? Um das zu untersuchen, simulieren wir das optimale bidirektionale Ladeverhalten mit unserem Modell eFlame für die Teilnahme am Stromhandel über den Verlauf eines Jahres (perfect foresight). In den Simulationen nutzen wird aktuellste Preiszeitreihen der Intraday Auktion sowie alle für Haushalte relevanten Preisbestandteile von 2023 und 2024. Dem Modell liegen Fahrprofile zugrunde, die ein realistisches Nutzer:innen-Verhalten widerspiegeln. So wird ermöglicht, dass wir je Ergebnis 100 unterschiedliche Fahrverhalten simulieren, die wir in die Nutzer:innen-Gruppen „Pendler“ und Nicht-Pendler“ unterteilen. Wir simulieren je Nutzer:in einen E-PKW mit 80 kWh Batteriekapazität, 11 kW Lade-/ Entladeleistung und 85 % Roundtrip-Wirkungsgrad. Wir berücksichtigen kein Asset-backed Trading, keinen Revenue Split und auch keine zusätzliche Kosten – bspw. verursacht durch die bidirektionale Ladestation oder zusätzliche Messtechnik – in diesen Auswertungen (zusätzliche Kosten haben wir in [1] und [2] analysiert).

Um die Ergebnisse zu vergleichen, beziehen wir uns auf die Referenz des ungesteuerten Direktladens. Wir berechnen die Stromkosten beim bidirektionalen Laden abzüglich der Erlöse aus dem Stromverkauf und vergleichen diese mit den Stromkosten des Direktladens. Dabei berücksichtigen wir alle relevanten Strompreisbestandteile. Genau diese Strompreisbestandteile stehen zu Teilen aktuell in der Diskussion oder fallen bei unterschiedlicher Betrachtungsweise unterschiedlich aus. Dadurch eröffnet sich ein vielversprechender Korridor an V2G-Einsparpotenzialen, den wir mit den folgenden Auswertungen beleuchten.

Inhalte der Beitragsreihe „V2G-Potenziale freisetzen: Von Hürden zu Lösungen“:

  1. V2G und §14a EnWG: Maximale Einsparungen durch Module 1–3 und Steuervergünstigungen
  2. Bidirektionales Laden nach §14a: Maximale Ersparnis durch Modulwahl und Netzentgeltbefreiung
  3. Reduzierte Konzessionsabgabe: Was lässt sich aktuell im besten Fall durch V2G einsparen?
  4. Können durch Modul 3 §14a noch höhere V2G-Einsparpotenziale erzielt werden?

Der § 14a EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) stellt die gesetzliche Grundlage zur netzorientierten Steuerung sogenannter „steuerbarer Verbrauchseinrichtungen“ dar, um diese kurzfristig und effizient ins Stromnetz integrieren zu können. Da unter anderem Ladestationen (Wallboxen) als steuerbare Verbrauchseinrichtungen gelten, müssen diese seit 1. Januar 2024 nach § 14a EnWG so installiert werden, dass sie vom zuständigen Netzbetreiber steuerbar sind, um Netzengpässe abzuwenden. Als Entschädigung dafür, dass der Netzbetreiber die Leistung der Ladestationen auf minimal 4,2 kW in Ausnahmefällen reduzieren darf, können die Fahrzeughalter:innen zwischen verschiedenen Modulen wählen, die jeweils eine Reduzierung der zu zahlenden Netzentgelte bedeuten:

  • Modul 1: Pauschaler Rabatt auf die jährlichen Netzentgeltkosten (umfasst eine Pauschale von 80 € zur Deckung der Kosten von iMSys und Steuerbox sowie eine Stabilitätsprämie abhängig vom jeweiligen lokalen Netzentgelt)
  • Modul 2: Reduktion des Netzentgelt-Arbeitspreises auf 40% für den Strom, der an der steuerbaren Verbrauchseinrichtung bezogen wird & Entfall des Grundpreises für das Netzentgelt (für dieses Modul ist ein zusätzlicher Zähler notwendig)
  • Modul 3: Zeitlich variable Netzentgelte pro Kilowattstunde (Netzbetreiber legt den variablen Tarif im Rahmen definierter Grenzen fest; nur als Ergänzung zu Modul 1; Tarifstufen der Netzbetreiber können hier eingesehen werden)

Durch die verschiedenen Module verringert sich auch die Netzentgeltbelastung für V2G-Anwendungen. In dieser Analyse untersuchen wir die Auswirkungen von Modul 1 und 2 auf die Einsparungen, die für private Haushalte durch Teilnahme des bidirektionalen Fahrzeugs am Intraday-Handel ermöglicht werden. Da sich die individuellen Tarifstufen der Netzbetreiber im Rahmen des Modul 3 deutlich unterscheiden, werden die Effekte dieser zeitvariablen Tarife in einem separaten Beitrag analysiert.

Laut Bundesnetzagentur soll das verbrauchsabhängige Modul 2, das sich an bestehen Sondertarifen für unterbrechbaren Heizstrom orientiert, insbesondere für Anlagen mit hohen Jahresverbräuchen attraktiv sein. Die untersuchten Fahrprofile von Pendlern weisen einen Strombedarf zum Laden von durchschnittlich 2.900 kWh/a (entspricht 15.200 km Fahrleistung) auf, während Nicht-Pendler im Durchschnitt 1.700 kWh/a laden (entspricht 8.700 km Fahrleistung). Abbildung 1 zeigt, dass sich auch für Pendler mit einer hohen jährlichen Fahrleistung, die einen Großteil der Strommenge an der heimischen Wallbox laden Kostenvorteile von Modul 2 gegenüber Modul 1 ergeben können. In der Darstellung sind mögliche Zusatzkosten für den in diesem Fall notwendigen zweiten Zähler jedoch nicht berücksichtigt.

Die Grafik zeigt außerdem, dass bereits durch das unidirektionale gesteuerte Laden – also die Verschiebung des Ladevorgangs in Zeiten niedriger Börsenstrompreise – ca. 35 – 40 % der Energiekosten eingespart werden. Die Einsparpotenziale lagen dabei im Jahr 2023 noch etwas höher als 2024, da durch die anhaltende Gaskrise höhere Preisschwankungen an der Strombörse verursacht wurden. Zudem ist ersichtlich, dass eine unidirektionale Steuerung des Ladevorgangs keinen Einfluss auf die jeweiligen Kostenvorteile von Modul 1 und Modul 2 hat, da der Rabatt in beiden Fällen nicht vom Zeitpunkt des Strombezugs abhängt.

Die verschiedenen blauen Balken in Abbildung 1 zeigen den Effekt des bidirektionalen Ladens. Hier sehen wir deutliche Kostenvorteile für Nicht-Pendler, da diese Fahrzeuge i. d. R. länger an der Wallbox angesteckt sind und damit stärker am Börsenhandel partizipieren können. Dabei ergeben sich für alle berücksichtigten Konfigurationen negative Kosten. Das bedeutet, dass diese Kund:innen nicht nur umsonst laden, sondern mit dem angesteckten Fahrzeug zusätzliche Erlöse erwirtschaften (ohne Einbezug der zusätzlichen Investitionsosten für die Technologie).

Der V2G-Anwendungsfall würde besonders attraktiv werden, wenn die Netzentgelte auf den rückgespeisten Strom erstattet würden. Eine solche Netzentgelterstattung befindet sich seit geraumer Zeit in der Diskussion und würde de facto eine regulatorische Gleichstellung von bidirektionalen Fahrzeugen mit netzgekoppelten Großbatteriespeichern bedeuten, die heute vollständig von Netzentgelten befreit sind. Damit soll vermieden werden, dass auf zwischengespeicherten Strom zwei Mal Netzentgelte anfallen – einmal der Zwischenspeicherung und einmal beim Letztverbrauch. Die Hintergründe der Problematik haben wir hier aufbereitet. Wie genau eine solche Befreiung ausgestaltet werden würde, wird aktuell erarbeitet und ist auch Teil unseres Vorhabens „V2G-Potenziale freisetzen: Von Hürden zu Lösungen“. Gegenüber dem Referenzfall Direktladen könnten durch eine Netzentgeltbefreiung im Jahr 2024 bis zu 900 € eingespart werden. Die Auswertungen zeigen für diesen Fall auch die Vorteilhaftigkeit der verbrauchsabhängigen Reduktion von Modul 2 gegenüber Modul 1, da durch V2G generell erhöhte Energiemengen umgesetzt werden.

 

Abbildung 1: Durchschnittliche Kosten und Einsparungen durch gesteuertes und bidirektionales Laden für Pendler und Nicht-Pendler bei reduzierter Stromsteuer für den Fall, das Unternehmen die USt. im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend machen (pausch. Rabatt Modul 1: 151 € 2023, 166 € 2024)

Aus Abbildung 1 wird auch ersichtlich, dass insbesondere bei vollständiger Netzentgeltbefreiung auf rückgespeisten Strom mehr äquivalente Vollzyklen der Fahrzeugbatterie durch den Stromhandel verursacht werden. Das liegt daran, dass durch die Befreiung neue Arbitragemöglichkeiten entstehen und folglich mehr Strom gehandelt – und später wieder entladen – wird. Unter Umständen kann eine erhöhte Zyklenzahl die Batterielebensdauer negativ beeinflussen, weshalb eine Zyklusbegrenzung für V2G-Anwendungsfälle von einigen Herstellern diskutiert oder schon vorgesehen wird, um Garantiebedingungen gerecht zu werden. Ob neueste Fortschritte in der Batterieentwicklung eine solche Zyklusbegrenzung zukünftig obsolet machen werden, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Für die Ergebnisse in Abbildung 2 wurde entsprechend eine Zyklusbegrenzung von jährlich maximal 50 Vollzyklen zusätzlich zu den regulären Ladezyklen implementiert, um die Effekte auf die Einsparmöglichkeiten von V2G zu bewerten. Dadurch verringert sich die umgesetzte Energiemenge und damit auch die theoretischen Einsparpotenziale durch V2G gegenüber dem unbeschränkten Fall (Abbildung 1). Im Extremfall (Nicht-Pendler 2023, Modul 2 und vollst. Netzentgeltbefreiung) reduzieren sich die möglichen jährlichen Ersparnisse um über 200 €. Außerdem führt die Beschränkung dazu, dass die erzielbaren Einsparungen für Nicht-Pendler bei vollständiger Befreiung für die Module 1 und 2 sehr nah beieinander liegen. Nichtsdestotrotz lassen sich auch bei Zyklusbegrenzung solide Einsparpotenziale von 430 – 703 € pro Jahr durch V2G erwirtschaften.

 

Abbildung 2: Durchschnittliche Kosten und Einsparungen durch gesteuertes und bidirektionales Laden für Pendler und Nicht-Pendler bei reduzierter Stromsteuer für den Fall, das Unternehmen die USt. Im Rahmen des Vorsteuerabzugs geltend machen und wenn die Anzahl an zusätzlichen Vollzyklen der Fahrzeugbatterie für V2G auf max. 50 pro Jahr begrenzt wird (pausch. Rabatt Modul 1: 151 € 2023, 166 € 2024)

 

Abbildung 3 liefert einen Überblick über die zu zahlenden Strompreisbestandteile für die betrachteten Szenarien – sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ. Dabei beschreibt V2G im linken Teil der Abbildung die Strompreisbestandteile, die nach Abzug aller berücksichtigten Erstattungen bei der Rückspeisung verbleiben. Der rechte Teil der Abbildung ist analog zu lesen. Hier bedeuten die Werte in der Zeile Rückspeisung nicht, dass die jeweiligen Strompreisbestandteile nochmal fällig werden, sondern dass der dargestellte Wert nach allen berücksichtigten Erstattungen als Belastung für den Stromanteil, der bezogen und später rückgespeist wird, verbleibt.

Die Abbildung verdeutlicht, dass beispielsweise im Fall von Modul 1 und einer hypothetisch vollständigen Netzentgeltbefreiung auf Rückspeisung beim bidirektionalen Laden 15,1 ct/kWh bzw. 17,4 ct/kWh weniger Strompreisbestandteile auf den Anteil an Strom, der rückgespeist wird, gezahlt werden muss als auf den klassischen Strombezug für Letztverbrauch. In der Abbildung sind neben den Netzentgelten ebenfalls verschiedene Umlagen, Stromsteuer und Konzessionsabgabe dargestellt. Die Wirkung der letzteren zwei auf die Einsparpotenziale durch V2G werden in anderen Beiträgen dieser Reihe ausführlicher erörtert.

 

Abbildung 3: Zu zahlende Strompreisbestandteile für private Haushalte mit bidirektional ladefähigem E-PKW für die untersuchten, unterschiedliche Fälle (links: absolute Zahlen, recht: relativ)