09.09.2024

Bidirektionales Laden im Industriepark – Zehn Use Cases aus dem Projekt Bid-E-V

Erste Schritte des Gesamtprojektes

In den ersten Monaten des Projekts „Bidirektionale elektrische Vans“ (Bid-E-V) wurden Anwendungsfälle zur Integration von bidirektional ladefähigen Elektro-Vans entwickelt. Diese sollen im weiteren Projektverlauf simulativ untersucht und teilweise in der Praxis während eines Feldversuchs umgesetzt werden.

Die Use Cases wurden gemeinsam mit den Projektpartner:innen in interaktiven Workshops erarbeitet und anschließend in standardisierten Steckbriefen sowie e3-Value-Modellen dokumentiert. Ziel war es, nicht nur die Wünsche und geplanten Vorhaben der verschiedenen Projektpartner zu harmonisieren, sondern auch den Untersuchungsrahmen der einzelnen Anwendungen festzulegen.

Methodik zur Erarbeitung der Use Cases

Zur Erarbeitung der Use Cases wurde die an der FfE in mehreren Projekten bewährte Use-Case-Methodik verwendet. Diese dient dazu, in Projekten mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren, verschiedene Interessen zu konsolidieren und das gemeinsame Vorhaben auszugestalten. Eine Besonderheit bestand im Projekt Bid-E-V im Gegensatz zu bisherigen FfE-Projekten darin, dass die Anwendungsfälle zum gesteuerten Laden im gewerblichen Umfeld stattfinden.

Unabhängig von den tatsächlich umgesetzten Use Cases ergibt sich aus dem gewerblichen Kontext gegenüber privaten Einfamilienhäusern eine deutlich höhere Anzahl an involvierten Parteien und Handelsbeziehungen, wodurch es unvermeidbar ist, dass die Use Cases komplexer werden.

Die entwickelten Anwendungsfälle wurden daher in zwei Kategorien unterteilt: Liegenschafts-Use-Cases und energiewirtschaftliche Use-Cases.

Die Liegenschafts-Use-Cases fokussieren sich vorrangig auf die Umsetzung des Feldversuchs am Versuchsstandort. Dabei wurden verschiedene Ausgestaltungsvarianten der Besitzverhältnisse von Fahrzeugen und Schnittstellen innerhalb der Liegenschaft erörtert.

Die energiewirtschaftlichen Use-Cases betreffen vor allem die Interaktion der Liegenschaft mit dem Gesamtsystem (Markt und Netz) wie zum Beispiel die Optimierung von Eigenverbrauch, Emissionen und Vergütung sowie Vorgaben gemäß § 14 EnWG und Maßnahmen zur Systemstabilisierung.

Dabei können unterschiedliche Liegenschaftsstrukturen jeweils beliebig mit energiewirtschaftlichen Use-Cases kombiniert werden, wodurch sich eine Vielzahl an möglichen Konstrukten ergibt.

Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus der Use-Case-Entwicklung beschrieben.

Liegenschafts-Use-Cases

Das für den Feldversuch bevorzugte Liegenschaftsszenario sieht vor, dass ein Logistikunternehmen als Flottenmanager agiert und seine Fahrzeugflotte mit der Mercedes Me App verwaltet. Die angestellten Fahrer:innen nutzen ebenfalls die Mercedes Me App und können ihre Fahrzeuge an den Ladesäulen des Liegenschaftsmanagers laden. Eine vorab durch den Liegenschaftsmanager (CPO) bereitgestellte Preistabelle mit verschiedenen Ladetarifen berücksichtigt die entwickelten energiewirtschaftlichen Use-Cases.

Energiewirtschaftliche Use-Cases

Folgende zehn energiewirtschaftliche Use-Cases mit unterschiedlichen Schwerpunkten wurden durch das Projektkonsortium entwickelt:

Abbildung 1: Die energiewirtschaftlichen Bid-E-V Use-Cases im Überblick (bitte zum Vergrößern klicken)

Im Downloadbereich finden Sie eine ausführliche Beschreibung aller Use-Cases. Um Ihnen einen Einblick zu geben, möchten wir Ihnen nun drei ausgewählte Beispiele vorstellen:

Spotmarkoptimiertes Laden

Der Liegenschaftsmanager erhält über das Energiemanagementsystem (EMS) Informationen zu den Day-Ahead- und Intra-Day-Preisen. Der Flottenmanager optimiert daraufhin die Ladepläne und übermittelt diese an das EMS. Der Liegenschaftsmanager kümmert sich um den Einkauf bzw. Verkauf von Strom. Der Flottenmanager nutzt die bidirektionale Ladefunktion der Fahrzeuge, um bei hohen Strompreisen Strom in die Liegenschaft oder ins Netz einzuspeisen und dafür Vergütungen zu erhalten.

Abbildung 2: Darstellung der Schnittstellen im Use-Case Spotmarktoptimiertes Laden.

CO2-optimiertes Laden

Die CO2-Werte des Strommixes werden in das EMS integriert. Der Flottenmanager steuert die Ladevorgänge der Fahrzeuge in Abstimmung mit dem EMS so, dass Strom mit möglichst niedriger CO2-Bilanz genutzt wird. Die CO2-Optimierung erfolgt anhand der lokalen Netzbilanz, der viertelstundengenauen CO2-Bilanz des Börsenstroms und der deutschen CO2-Bilanz (z. B. CO2-Monitor).

Abbildung 3: Darstellung der Schnittstellen im Use-Case CO2-optimiertes Laden.

Blindleistungserbringung

Das EMS des Liegenschaftsmanagers übermittelt die Information über die verfügbare Blindleistungs-Flexibilität der Fahrzeugflotte an den Flexibilitäts-Aggregator. Dieser kann über eine entsprechende Plattform des Verteilnetzbetreibers (VNB) oder Übertragungsnetzbetreibers (ÜNB) ein Gebot am Blindleistungsmarkt abgeben. Damit die bereitgestellte Flexibilität beziehungsweise Blindleistung abgerufen werden kann, muss sie zuvor vom VNB freigegeben werden. Dies stellt sicher, dass ein Abruf der Blindleistung nicht zu Engpässen im Verteilnetz führt. Wenn der VNB oder ÜNB die Blindleistung anfordert, gibt der Flexibilitäts-Aggregator das Signal über das EMS an den Flottenmanager weiter. Der Flottenmanager wird für die Bereitstellung der Blindleistung zu dem gebotenen Preis entlohnt. Der Aggregator erhält eine anteilige Vergütung aus den Einnahmen für seine Dienstleistung.

Abbildung 4: Darstellung der Schnittstellen im Use-Case Blindleistungserbringung.

Lokale Netzdienstleistung nach § 14a EnWG (steuernder Eingriff durch Netzbetreiber)

Auf Grundlage von § 14a EnWG kann der VNB bei drohender Netzüberlastung ein Signal an das EMS des Liegenschaftsmanagers senden, um die Last zu reduzieren. Der Liegenschaftsmanager regelt über das EMS, welche Last am Standort reduziert werden soll, und erhält dafür ein reduziertes Netzentgelt. Über ein Smart Meter Gateway (SMGW) meldet der Anschlussnehmer die tatsächlich verbrauchte Last an den VNB. Ziel dieses Use Cases ist es, den Lastgang am Transformator zu glätten und dadurch den Ausbau des Verteilnetzes zu minimieren.

Abbildung 5: Darstellung der Schnittstellen im Use-Case Lokale Netzdienstleistungen nach § 14a EnWG.

Diese Beispiele geben einen ersten Überblick über die Vielfältigkeit der Anwendungsfälle. Für detaillierte Informationen zu allen Use-Cases laden Sie bitte die vollständige Dokumentation aus unserem Downloadbereich herunter.

Ausblick

Für den weiteren Fortschritt des Projekts ist nun die Entwicklung der benötigten Komponenten geplant, um die ausgearbeiteten Use Cases erfolgreich umzusetzen und optimale Ergebnisse zu erzielen.

Parallel sollen interessierte und geeignete Pilotkund:innen gewonnen werden, die bereit sind, am Feldtest teilzunehmen und wertvolle praktische Einblicke zu liefern.