Beitragsreihe Transformationspläne: Erstellung von praxisnahen Transformationsplänen durch die FfE
Zur Erreichung der Klimaziele der Bundesrepublik (65 % Emissionsminderung bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045) müssen alle Sektoren, inklusive der Industrie, ihren Beitrag leisten. In der Vergangenheit wurden im industriellen Sektor bereits einige Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung und Energieeinsparung realisiert. Im nächsten Schritt steht nun eine möglichst vollständige Transformation der Energieversorgung an. Um dies systematisch umzusetzen und Unternehmen eine Hilfestellung zu geben, werden Transformationspläne entwickelt.
In unserer Beitragsreihe zur Erstellung von Transformationsplänen möchten wir einen tieferen Einblick in das Thema geben.
- Allgemeine Informationen und die Erstellung von Transformationsplänen
- Die Erstellung von praxisnahen Transformationsplänen durch die FfE
- Ergebnisse und Herausforderungen bei der Erstellung von Transformationsplänen
Erstellung von praxisnahen Transformationsplänen
Die FfE hat innerhalb der letzten Jahre bereits mehrere geförderte Transformationspläne im Auftrag von Unternehmen unterschiedlichster Branchen erfolgreich bearbeitet und abgeschlossen.
Obwohl jeder Transformationsplan individuell ist, hat die Methodik der FfE sich in diesen Projekten bewährt. Nachfolgend wird das Vorgehen vorgestellt, welches die Mindestanforderungen des Moduls 5 (EEW1) abdeckt und in einigen Bereichen darüber hinausgeht. Auf diese Weise wird ein möglichst praxisnaher Transformationsplan erarbeitet.
Grundlagenermittlung
Basis für einen Transformationsplan ist eine Festlegung von übergreifenden Zielen, z. B. bis zu welchem Jahr eine gewisse Emissionsminderung erreicht werden soll. Es müssen jedoch die oben genannten Mindestanforderungen des Modul 5 (siehe Webseitenartikel 1) eingehalten werden. Als weitere Grundlage dient die Erfassung des Ist-Zustandes. Hierzu werden in einem Vor-Ort Termin bei dem Unternehmen alle (energietechnisch) relevanten Anlagen und Prozesse detailliert durchgesprochen und analysiert. Als Grundlage für den Vor-Ort-Termin wird ein Fragebogen zu den vorhandenen Querschnittstechnologien sowie zu den Prozessen vorab durch das Unternehmen ausgefüllt. Zudem kann es sinnvoll sein, in diesem Rahmen Suffizienz- und Effizienzpotenziale zu identifizieren, um vor einer Transformation den Energieverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren und die Transformationsmaßnahmen anschließend anhand des reduzierten zukünftigen Verbrauchs geeignet zu dimensionieren. Basierend auf den erhobenen Daten erfolgt eine Energieträgeraufteilung. Das Ergebnis, eine Energiebilanz auf Anlagen- und Prozessebene, dient als Grundlage für die daraus resultierende Emissionsbilanz.
Identifikation disruptiver Maßnahmen
Im Anschluss an die Vor-Ort-Begehung wird ein eintägiger, von der FfE moderierter und geleiteter Workshop durchgeführt. Ziel dieses Workshops ist es, (disruptive) Maßnahmen2 zu identifizieren und zu diskutieren. Dies ist nötig, da auch nach gelungener Erschließung aller potenziellen Effizienzgewinne (sofern diese identifiziert wurden) und bei einer zukünftigen Veränderung der Produktion oder des Standortes, ein Energiebedarf resultiert, der zukünftig aus nachhaltigen Quellen gedeckt werden muss. Nach dem Sammeln werden die Maßnahmen beispielsweise anhand einer Nutzwertanalyse von den Teilnehmenden bewertet. Hierbei ist es entscheidend, dass alle relevanten Interessensgruppen (innerhalb des Unternehmens) an diesem Workshop teilnehmen. Hintergrund hierfür ist, dass für eine erfolgreiche Transformation in einem Unternehmen die wichtigsten Akteur:innen von Beginn an involviert sind. Dazu gehören zum Beispiel Energiemanagementbeauftragte, Nachhaltigkeitsbeauftragte, die Geschäftsführung aber auch die Instandhaltung, die Werksleitung und die Finanzabteilung. So werden Maßnahmenideen aus unterschiedlichen Perspektiven gesammelt, sowie ihre Vor- und Nachteile aus diversen Sichtweisen in der Nutzwertanalyse bewertet.
In diesem divergierenden Prozess werden durch die Workshopteilnehmer:innen alle potenziellen Handlungsoptionen sowie disruptive Maßnahmen zu Erreichung der Klimaneutralitätsziele kumuliert. Da in den späteren Schritten eine weitere Bewertung der Maßnahmen erfolgt, wird in diesem Schritt zunächst keine der ermittelten Optionen ausgeschlossen. Hierbei besteht außerdem die Möglichkeit, nicht nur Einzelmaßnahmen sondern auch direkt Maßnahmenkombinationen zu erstellen. Zum Beispiel könnte eine Absenkung der Temperatur des Wärmenetzes mit der Installation einer Wärmepumpe kombiniert werden. Je nach Anzahl der Maßnahmen kann eine Strukturierung dieser Maßnahmen (und ihrer Kombinationen) in verschiedene Bereiche wie z. B. Raumwärme, Prozesswärme, Strom und Mobilität sinnvoll sein.
Bevor die identifizierten Maßnahmen bewertet werden können, werden Kriterien erarbeitet, anhand derer die Bewertung erfolgt. Mögliche Kriterien können z. B. Wirtschaftlichkeit, Platzbedarf, Akzeptanz sowie die Marktreife sein. Auch hierbei ist es von Bedeutung, verschiedene Akteur:innen aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen zu involvieren. Die gesammelten Bewertungskriterien werden anschließend gewichtet. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Häufig wird an der FfE das „SIMOS“-Verfahren genutzt, in welchem alle Stakeholder das gleiche Stimmrecht haben und die einzelnen Bewertungskriterien in mehreren Runden nach oben und unten ranken können. Um den Zeitaufwand bei der anschließenden Bewertung der Maßnahmen in einem angemessenen Rahmen zu halten, sollten basierend auf praktischen Erfahrungen nicht mehr als zehn bis zwölf Kriterien herangezogen werden. Sollten bei der Sammlung mehr Kriterien identifiziert werden, besteht die Möglichkeit, die am geringsten bewerteten Kriterien aus der weiteren Bewertung auszuschließen.
Anschließend werden die gesammelten Maßnahmen anhand der Kriterien bewertet. Vorteilhafte Bewertungen einer Maßnahme in Bezug auf ein höher gewichtetes Kriterium fließen mit mehr Punkten in der Gesamtbewertung ein. Je mehr Maßnahmen (bzw. deren Kombinationen) gesammelt wurden, desto zeitaufwendiger ist die Bewertung. Aus der Praxis zeigt sich, dass die Stakeholder meist nicht viel mehr als 1 – 2 h Zeit in die Bewertung stecken möchten. Es empfiehlt sich auch, die Bewertung innerhalb des Workshops durchzuführen, da eine Bearbeitung im Nachgang aufgrund von Fragen, Alltagsaufgaben etc. oft nicht ausreichend deutlich und vollständig erfolgt. Die Bewertung sollte durch alle Teilnehmenden der unterschiedlichen Unternehmensbereiche erfolgen, sodass das Wissen und die Erfahrung aus den verschiedenen Bereichen mit einfließen können. Hierbei geht es nicht um eine zwingend faktenbasierte Einstufung und Bewertung der Maßnahmen, sondern um eine subjektive Einschätzung der einzelnen Teilnehmenden.
Für die Bewertung der Maßnahmen(-Kombinationen) anhand der identifizierten Kriterien gibt es verschiedene Möglichkeiten. In der Praxis haben sich Ranking- und Bepunktungssysteme als tauglich erwiesen.
Bei dem Ranking-System werden die konkurrierenden Maßnahmen je Kategorie anhand der einzelnen Kriterien gerankt: Konkret wird die Maßnahme, welche bei dem betrachteten Kriterium am besten abschneidet, auf Platz eins einsortiert, die schlechteste Maßnahme erhält den letzten Rang.
Bei Anwendungsfällen aus der Praxis hat sich ebenfalls ein klassisches Bepunktungssystem der Maßnahmen bewährt. Hierbei wird jede Maßnahme bzw. deren Kombination anhand jedes Kriteriums mit den Punkten 1 bis beispielsweise 5 bewertet. Eine Bewertung von 1 bedeutet, dass die Maßnahme bei diesem Kriterium schlecht abschneidet und 5 bedeutet, dass die Maßnahme bei diesem Bewertungskriterium als sehr gut eingestuft wird. Verdeutlicht wird dies am Beispiel einer Freiflächen-Photovoltaik-Anlage bei dem Kriterium „Platzbedarf“: hier schneidet die Technologie schlecht ab und erhält nur einen Punkt, wohingegen selbige bei dem Kriterium „Betriebskosten“ mit einer höheren Bepunktung bewertet wird.
Auch weitere Bewertungsmethoden wie z. B. der paarweise Vergleich sind möglich, jedoch sind diese gegenüber den beiden zuvor genannten Methoden teilweise deutlich zeitaufwendiger.
Als weiteren Punkt des Workshops sollten grundlegende Annahmen für die weitere Bearbeitung des Transformationsplans, wie z. B. Zinssatz, Energiepreise (oder Preiszeitreihen) oder auch der Umgang mit den vorliegenden Daten, der Datenqualität und auch zukünftige Entwicklungen des Standorts diskutiert werden.
Konzepterstellung
Im Nachgang zu dem Workshop werden sinnvolle und schlüssige Gesamtkonzepte erarbeitet. Die Maßnahmen, welche in die Konzepte einfließen, basieren auf der Bewertung aus der Nutzwertanalyse, ergänzt durch das Know‑How der FfE-Mitarbeitenden. Hierbei fließen auch die Erkenntnisse aus dem ersten Vor-Ort Termin zu den Anlagen und Prozessen und den Rahmenbedingungen vor Ort ein. Bei der Bildung der Maßnahmenkombinationen und der Konzepte besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Tendenzen einfließen zu lassen. Beispielsweise könnten die verschiedenen Konzepte durch einen Fokus auf unterschiedliche Energieträger geprägt werden, z. B. Fokus auf Elektrifizierung, Biomasse, synthetische Brennstoffe oder Wasserstoff. Eine weitere Möglichkeit wäre, ein Hauptkonzept zu erstellen und hinsichtlich der getroffenen Annahmen ein sehr ambitioniertes, ein mittleres und ein eher pessimistisches Konzept zu erarbeiten.
Häufig liegt der Fokus der Transformation im Unternehmen auf den Bereichen Raum- und Prozesswärme, da hier eine Dekarbonisierung teilweise deutlich schwerer ist als bei Strom. Zum Beispiel kann die Integration eines Abwärmekonzeptes für einzelne Unternehmen durchaus einen nennenswerten Mehrwert bezüglich dem externen Energiebezug bringen.
Die erstellten Konzepte werden dann mit dem Unternehmen abgesprochen, damit für das Unternehmen nutzbare und unterstützbare Konzepte weiter bearbeitet werden.
Energetische Bewertung von Konzepten
Die ausgewählten Konzepte werden im nächsten Schritt energetisch bewertet. Im Rahmen der energetischen Bewertung werden die Dimensionierungen der einzelnen Technologien (z. B. Wärmepumpe oder PV-Anlage) basierend auf den (resultierenden zukünftigen) Verbräuchen und Gegebenheiten vor Ort abgeschätzt und weitere technische Anlagendaten (wie z. B. der Wirkungsgrad oder eine minimale Teillast) festgelegt sowie anschließend die resultierenden Verbräuche der verschiedenen Energieträger berechnet (z. B. Stromverbrauch einer Wärmepumpe) oder die Erzeugung (vor allem bei EE-Anlagen) abgebildet. Zur Erhebung der Anlagendaten kann es je nach Technologie sinnvoll sein, mit verschiedenen Herstellern in Kontakt zu treten. Anschließend werden die anlagenspezifischen Lastgänge gemäß der Konzepte kombiniert und miteinander verschnitten.
Optimalerweise findet ein Abgleich der Verbrauchs- und Erzeugungslastgänge auf stündlicher Ebene statt, um den Betrieb in der Praxis besser abbilden zu können. Dieser Schritt der energetischen Bewertung von Konzepten wird beispielhaft anhand einer unternehmensinternen Abwärmenutzung dargestellt: Um Abwärmequellen und -senken optimal miteinander verschneiden zu können, werden die entsprechenden Lastgänge miteinander abgeglichen. Hieraus wird abgeleitet, ob eine Abwärmesenke – sowohl bezogen auf die Leistung, die Temperatur, die zeitliche Verfügbarkeit und auch weitere standortbezogene Rahmenbedingungen – durch die Quelle voraussichtlich versorgt werden kann. Ein Speicher kann in einem gewissen Rahmen Quelle und Senke voneinander entkoppeln, daher sollte auch dieser im Bedarfsfall mit modelliert werden. Ist das Temperaturniveau einer Wärmequelle zu gering, könnte dies als Wärmequelle für eine Wärmepumpe genutzt werden, welche dann wiederum einen Strombedarf bedingt. Bei dem Abgleich von Erzeugungs- und Verbrauchslastgängen muss jedoch im Hinterkopf behalten werden, dass die Lastgänge je nach Produktion und Zeitraum von den Annahmen bzw. Messungen im Basisjahr abweichen.
Sind keine gemessenen Lastgänge verfügbar, können entweder synthetische Lastgänge erstellt werden oder das Konzept wird auf Basis einer geringeren Zeitauflösung bewertet. Beide Fälle führen allerdings auch zu weniger robusten Ergebnissen. Als Ergebnisse liegen die Energiebedarfe je Maßnahme, je Energieträger und je Zeiteinheit vor, mithilfe derer die zukünftigen Verbräuche gedeckt werden.
Ökonomische Bewertung von Konzepten
Basierend auf der energetischen Bewertung findet die wirtschaftliche Bewertung statt. Hierbei werden alle relevanten Kosten über die Lebensdauer abgebildet. Da häufig die Wirtschaftlichkeit eine relevante Entscheidungsgrundlage darstellt, sollten eine gute Nachvollziehbarkeit und Dokumentation des Vorgehens und der getroffenen Annahmen erfolgen.

Dazu gehören üblicherweise die Investitionen sowie die fixen und die variablen Betriebskosten, wobei auch sonstige Kosten oder auch Erlöse berücksichtigt werden können. Je nach Technologie kann es, wie bei den technischen Anlagendaten auch, Sinn ergeben, in den Austausch mit Herstellern oder Installateuren zu gehen. Zusätzlich sollte auch ein Austausch mit dem Unternehmen bezüglich einer Kostenschätzung einzelner Maßnahmen erfolgen, um die Qualität der Endergebnisse verbessern. Im Rahmen eines Transformationskonzeptes finden jedoch keine (Vor-) Planungsleistungen statt oder werden konkrete Angebote eingeholt.
Da die Transformation eines Unternehmens in der Regel über mehrere Jahre hinweg stattfindet, wird empfohlen mit entsprechenden Zeitreihen zu arbeiten, vor allem, was Energieträgerpreise anbelangt. Zudem können die Investitionen über die Annuitätenmethode abgebildet werden, um eine möglichst realitätsnahe Abschätzung der Kosten zu erhalten. Auch werden weitere Einflussfaktoren wie das Jahr der Investitionen bzw. der Anlageninstallation berücksichtigt Als Ergebnis liegen die Kosten je Maßnahme und je Konzept vor. Die Darstellung der Kosten kann beispielsweise entweder als Summe über einen bestimmten Zeitraum erfolgen (z. B. jahresscharf) oder z. B. über die ersten 10 Jahre. Eine beispielhafte Darstellung der Kosten aufgeteilt auf Betriebskosten und Investitionen für verschiedene Konzepte ist in der Abbildung 1 zu sehen. Hierbei werden die Kosten der einzelnen Maßnahmen und Energiebezüge bis 2045 aufsummiert und gestapelt, sodass als Summe die Gesamtkosten je Konzept abgebildet sind.
Emissionsseitige Bewertung
Ebenfalls aufbauend auf der energetischen Bewertung erfolgt die Bewertung hinsichtlich der CO2-Emissionen. Die Reduktion der Emissionen kann für ganze Konzepte oder einzelne Maßnahmen berechnet und ausgewiesen werden. Die Emissionsminderung wird in der Regel für gesamte Konzepte als Wasserfalldiagramm dargestellt (siehe Abbildung 2).

Ergebnisaufbereitung
Die Annahmen, die Vorgehensweise sowie die Ergebnisse, welche präsentiert werden sollen, werden vorab gemeinsam mit dem Unternehmen besprochen und diskutiert. Bei Bedarf können noch Anpassungen durchgeführt werden. Basierend auf den Ergebnissen des Konzeptvergleichs (energetisch, ökonomisch und emissionsseitig) entscheidet das Unternehmen, für welches der Konzepte eine Roadmap ausgearbeitet werden soll. In der Regel entscheidet sich das Unternehmen für das Konzept, welches wirtschaftlich gut abschneidet und in der Praxis als relativ einfach umsetzbar eingestuft wird. Die Roadmap dient als übersichtliche Synthese des Transformationsplans, die einen Schwerpunkt auf die zeitliche Dimension der Maßnahmenumsetzung legt. Auch bei der Terminierung der einzelnen Maßnahmen sollte ein enger Austausch mit dem Unternehmen stattfinden, da dadurch Personalkapazitäten, finanzielle Mittel und weitere Faktoren besser eingeplant werden können. Beispiele für die Darstellung der Roadmap sind in den beiden folgenden Abbildungen zu sehen.


Die finalen Ergebnisse werden in Form eines Berichtes aufbereitet, welcher durch den Fördermittelgeber geprüft wird. Wichtig ist eine verständliche Darstellung der Vorgehensweise ergänzt um eine leicht verständliche Darstellung der Ergebnisse, die auch für Außenstehende sofort greifbar ist.
In einem weiteren Webseitenbeitrag wird auszugsweise auf Ergebnisse und Herausforderungen bei der Erstellung von Transformationsplänen eingegangen.
Fußnoten:
1 EEW= Energieeffizienz in der Wirtschaft
2 disruptive Maßnahmen: Maßnahmen welche eine grundlegende Veränderung der vorhandenen Anlagen/Prozesse nach sich ziehen