06.11.2024

Beitragsreihe: Runter mit den Kosten – Bidirektionales Laden im LKW Depot

Um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen, müssen die Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge bis 2045 auf Nettonull reduziert werden. Mit immer leistungsfähigeren Batterien, einer wachsenden Ladeinfrastruktur und zunehmenden Skaleneffekten sind die Voraussetzungen günstig, die Transformation hin zu klimaneutralen Antrieben in Sektor schwerer Nutzfahrzeuge anzustoßen. Die Transformation ist dabei längst kein Nischenthema mehr. Die Logistik-Branche beschäftigt sich intensiv mit dem Wechsel und wartet auf den Eintritt klimaneutraler Fahrzeuge in den Massenmarkt.

Dieser Übergang steht dabei sowohl vor technischen, infrastrukturellen Problemen also auch vor energie- und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Auf technischer und infrastruktureller Seite sind vorrangig der Mangel an Ladeinfrastruktur und die hintergründig damit verbundene Geschwindigkeit beim energieinfrastrukturellen Ausbau zu benennen. Energie- und betriebswirtschaftlich sind die hohen Anfangsinvestitionen für Infrastruktur und Fahrzeuge die größten Hemmnisse. Doch es gibt auch Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu adressieren. So kann das optimierte, bidirektionale Laden im Depot dazu beitragen, die Kosten zu vermindern. Zudem stellt die Symbiose aus PV-Anlagen und dem öffentlichen Laden während der Mittagszeit einen vielversprechenden Lösungsansatz zur Deckung des Ladebedarfs dar.

In dieser fünfteiligen Beitragsreihe werden wir uns eingehend mit verschiedenen Aspekten der Transformation zum klimaneutralen Nutzfahrzeugsektor beschäftigen. Im Fokus stehen hierbei vorrangig batterieelektrische Nutzfahrzeuge.

Im vorangegangenen Teilen unserer Beitragsreihe zur Schwerlastelektrifizierung wurde die Symbiose aus öffentlichem Laden und PV-Anlagen analysiert. In diesem Beitrag liegt der Fokus auf „privater“ Ladeinfrastruktur und den Möglichkeiten mit gesteuertem/bidirektionalem Laden. Gesteuertes und bidirektionales Laden ist aktuell ein viel diskutiertes Thema. Forschungsprojekte wie BDL prognostizieren dafür eine hohe Relevanz für die nahe Zukunft. Auch die Autohersteller (OEMs) haben die Bedeutung erkannt, und erste bidirektionale Fahrzeuge sind auf dem Markt. Dennoch drehen sich die bisherigen Überlegungen vor allem um batterie-elektrische PKW und nicht um batterie-elektrische LKW (BETs). Wenn man jedoch bedenkt, dass der Schwerlast- und Busverkehr für 6 % aller europäischen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, ist eine umfangreiche Elektrifizierungswelle in diesem Bereich notwendig [1].

Verschiedene Herausforderungen behindern die Markteinführung von BETs. Zu diesen Herausforderungen gehören die hohen Anschaffungskosten und die begrenzte Verfügbarkeit von Netzanschlusskapazitäten in Depots. Der Einsatz von gesteuertem und bidirektionalem Laden kann diese Herausforderungen angehen, indem die Betriebskosten und die benötigte Netzanschlusskapazität reduziert werden. Bei der Bewertung der Anforderungen an das gesteuerte und bidirektionale Laden können BETs mehrere Vorteile gegenüber PKWs bieten. Durch die höhere Ladeleistung und die Bündelung vieler Fahrzeuge in einem Depot kann schnell eine hohe vermarktbare Kapazität an einem Standort erreicht werden. Das bidirektionale Laden bietet das Potenzial, diese Vorteile zu nutzen und den Hochlauf von BETs zu unterstützen. Um dieses Potenzial zu bewerten, untersuchte die FfE anhand eines Beispieldepots mögliche Einsparungen durch bidirektionales Laden von BETs. Die Ergebnisse wurden in dem Open-Access-Paper „Multi-Use Optimization of a Depot for Battery-Electric Heavy-Duty Truck“ veröffentlicht.

Modellierung eines Depots für batterie-elektrische LKW

Das Depot wurde auf Grundlage realer Daten eines Deutschen Speditionsunternehmens modelliert [2]. Das Unternehmen ist hauptsächlich im Nah- bzw. Regionalverkehr tätig. Die Daten wurden im Rahmen des Projekts NEFTON bereitgestellt, in dem Partner aus Industrie und Wissenschaft gemeinsam ein Megawatt-Ladesystem (MCS) für BETs entwickeln. Zu den Daten gehören Mobilitätsdaten der LKWs des Unternehmens, historische Lastprofile seiner Gebäude und Informationen über die PV-Anlage. Das ausgewählte Depot dient als reales Beispiel.

Abbildung 1: Beschreibung des modellierten Depots

Implementierung einer Multi-use Optimierung zur Kombination verschiedener Use Cases

Bidirektionale Ladestrategien werden in der Regel als separate Use Cases formuliert. In dieser Studie werden mehrere Use Cases in einer Multi-Use-Optimierung kombiniert. Dazu wurde das Optimierungsmodell eFlame erweitert. Die Kombination der Anwendungsfälle Arbitragehandel, Peak Shaving und Eigenverbrauchsoptimierung wurde implementiert. Das Optimierungsmodell steuert in erster Linie die Lade- und Entladeleistung der Fahrzeuge, um die Einnahmen zu maximieren. Das Optimierungsproblem wird sequentiell unter Berücksichtigung der Ladestrategien gelöst: ungesteuertes Laden (ref), unidirektionales Laden (uni) und bidirektionales Laden (bidi). Die Ergebnisse werden für jede Ladestrategie getrennt untersucht.

Abbildung 2 zeigt die wichtigsten Zeitreihen der Optimierungsergebnisse für einen Beispieltag. Auf der linken Seite sind die Ergebnisse für die Referenz mit ungesteuertem Laden dargestellt, auf der rechten Seite die Ergebnisse für das bidirektionale Laden. Im oberen Diagramm ist die Leistung der verschiedenen Komponenten als gestapeltes Flächendiagramm aufgetragen. Die resultierende Leistung am Netzanschlusspunkt (GCP) ist als schwarze Linie dargestellt. Das mittlere Diagramm zeigt für jeden Zeitschritt an, wie viele Fahrzeuge anwesend sind und wie viele von ihnen laden oder entladen. Die gegebenen Preise sind im unteren Diagramm dargestellt. Umlagen und Netzentgelte sind in den Preisen nicht enthalten.

Beim ungesteuerten Referenzladen werden die Fahrzeuge sofort bei ihrer Ankunft im Depot aufgeladen. Auch wenn einige Fahrzeuge mittags ankommen und laden, führt dies zu Ladevorgängen am Abend und in der Nacht, wenn die Leistung der PV-Anlage nicht zur Verfügung steht. Die ungenutzte Energie der PV-Anlage wird zum niedrigen Einspeisetarif in das Netz eingespeist, und in den Abendstunden wird teurere Energie aus dem Netz bezogen. Anders verhält es sich bei der bidirektionalen Ladestrategie. Um den Ertrag zu maximieren, verlagert die Optimierung die Ladevorgänge in Zeiten, in denen PV-Strom verfügbar ist, da dieser Strom im Optimierungsproblem nicht bepreist wird. Diese Verschiebung ist im Diagramm deutlich zu erkennen, da der Bereich der BET-Ladung mit der PV-Erzeugung übereinstimmt. Es kann auch Energie in das Netz eingespeist werden, um den Ertrag zu maximieren. Eine solche Einspeisung findet am Beispieltag ab ca. 18 Uhr statt, wenn viele Fahrzeuge zur Verfügung stehen und hohe Energiepreise erreicht werden. Die jährliche Leistungsspitze der Referenz von 1,3 MW wird in der Optimierung durch Peak Shaving auf 0,4 MW gesenkt. Der Strompreis wirkt sich nur auf die bezogene Leistung aus, was die Einspeisung mit einer höheren Leistung ermöglicht. Abbildung 2 zeigt auch deutlich, dass außerhalb der Zeiten mit PV-Erzeugung, die Fahrzeuge sich gegenseitig und auch das Gebäude mit Energie versorgen.

Abbildung 2: Ergebnisse für einen Beispieltag für verschiedene Ladestrategien: Referenz (links), bidirektional (rechts)

Hohe jährliche Erlöse können durch optimiertes, bidirektionales Laden erzielt werden

Abbildung 3 zeigt die jährlichen Einsparungen für die Optimierung mit unidirektionalen (uni) und bidirektionalen (bidi) BETs für verschiedene Untersuchungsjahre. Die Einsparungen ergeben sich aus der Differenz zwischen den Kosten in der Referenzsimulation und der jeweiligen Ladestrategie und sind pro Fahrzeug normiert. Vor 2021 sind die Einsparungen mit etwa 2000 EUR/BET selbst bei bidirektionalen Fahrzeugen überschaubar. Mit dem Anstieg der Energiepreise ab 2021 nehmen auch die Einsparungen deutlich zu. So können im Jahr 2021 fast 3300 EUR/BET mit der bidirektionalen und 1500 EUR mit der unidirektionalen Ladestrategie erzielt werden. Im Jahr 2022 schießen die Einsparungen auf über 10.000 EUR/BET in die Höhe. Dies lässt sich zum einen dadurch erklären, dass die Referenzkosten in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund der höheren Preise steigen. Zum anderen sind die steigenden Preisspannen und sinkenden Abgaben für die hohen Einsparungen verantwortlich, da dadurch der Arbitragehandel deutlich attraktiver wird. Die hohen Ersparnisse im Jahr 2022 werden durch eine hohe Einspeisemenge erzielt.

Abbildung 3: Jährliche Ersparnisse in verschiedenen Jahren

Aufgrund der großen PV-Anlage und der langen Anwesenheitsdauer der BETs bietet das betrachtete Depot hervorragende Voraussetzungen für eine Optimierung. Mit bidirektionalem Laden kann eine Eigenverbrauchsquote von 95% erreicht und die Spitzenlast deutlich reduziert werden. Der Arbitragehandel lohnt sich nur bei hohen Preisspannen wie in den untersuchten Jahren 2021 und 2022. Abgaben auf rückgespeiste Energie erschweren den Arbitragehandel. Die Ergebnissen einer Sensitivitätsanalyse zeigten, dass die Befreiung von Umlagen die Einsparungen deutlich erhöhen. Zumindest eine teilweise Befreiung von Umlagen wäre eine Voraussetzung für den erfolgreichen Betrieb von V2G.

Die beschriebene Studie wurde von der FfE im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts „NEFTON“ durchgeführt und auf dem 36. Electric Vehicle Symposium in Sacramento (EVS36) vorgestellt (Förderkennzeichen: 01MV21004E).

Hier geht es zum vollständigen Paper.

Weiterführende Links

 

Literatur

[1] CO2 Emissions from Heavy-Duty Vehicles Preliminary CO2 Baseline (Q3–Q4 2019) Estimate. 2022. Available online: https://www.acea.auto/files/ACEA_preliminary_CO2_baseline_heavy-duty_vehicles.pdf (accessed on 17 February 2024).

[2] Balke, G.; Adenaw, L. Heavy commercial vehicles’ mobility: Dataset of trucks’ anonymized recorded driving and operation (DT-CARGO). Data in Brief. 2023, 48, 109246. https://doi.org/10.1186/s42162-023-00288-x