15.06.2023

Beitragsreihe Methoden der Nachhaltigkeitsbewertung: Ökobilanz (Life Cycle Assessment)

Ein effizienter und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen sowie Wege zur Erreichung von Klimaneutralität sind zentrale Themen der FfE. Nicht zuletzt durch die Sustainable Finance Strategie der EU gewinnen Methoden zur Bewertung von Klimaneutralität an Relevanz. In der folgenden Beitragsreihe werden Bestandteile und Kriterien der Nachhaltigkeitsbewertung vorgestellt. Der Fokus liegt auf verfügbaren Methoden, deren Einsatzgebiet und Unterschiede. Dies ist der erste Beitrag der folgenden Themen, welche nun sukzessive auf unserer Website erscheinen.

Was ist eigentlich eine Ökobilanz (LCA)?

Verpflichtende Berichterstattung durch die Sustainable Finance Strategie der EU und wachsendes Interesse von Kunden:innen und Investoren:innen – Die „Ökobilanz“, auch „Lebenszyklusanalyse“ (engl. Life Cycle Assessment, kurz LCA) genannt, gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Was ist eine Ökobilanz und wozu dient sie?

Unter dem Begriff „Ökobilanz“ wird die Bewertung der Umweltwirkungen eines Produktes, eines Prozesses oder einer Dienstleistung über den gesamten Lebensweg – von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung – verstanden. Basierend auf einer Energie- und Stoffstromanalyse wird dabei nicht nur die Herstellung des Produktes, sondern auch die vor- und nachgelagerten Prozesse wie die Förderung der Rohstoffe, der Transport, die Nutzungsphase sowie das Entsorgungsverfahren berücksichtigt (vgl. Abbildung 1). Die Methode der Ökobilanzierung ist standardisiert und die Durchführung in ISO 14040 und 14044 festgelegt.

Abbildung 1: Life Cycle Assessment (LCA) zur Bestimmung des Fußabdrucks von Produkten (eigene Darstellung)

Die LCA dient zur Analyse von Umweltaspekten und -wirkungen eines Produktes. Die Vielzahl der Anwendungsbereiche ist in Abbildung 1 dargestellt. Nicht inkludiert sind ökonomische und soziale Aspekte, welche hingegen durch die Methoden des Life Cycle Costing (LCC) und des Social Life Cycle Assessment (S) abgebildet werden können.

Durch die Einführung des umfangreichen “Sustainable Finance Frameworks” der EU, bestehend aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), der EU-Taxonomie und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), gewinnt die Ökobilanz auch für zahlreiche Unternehmen an Relevanz. Diese stehen nun vor der Aufgabe, sowohl qualitative als auch quantitative Nachhaltigkeitsinformationen zu berichten (Link). In diesem Zusammenhang stellt das Ergebnis der Ökobilanz beispielsweise für die EU-Taxonomie ein wichtiges Kriterium für die Bewertung der Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten dar. Auch in der CSRD spielt die Ökobilanz eine Rolle – durch die verpflichtende Berichterstattung der sogenannten „Scope 3“ Emissionen. Auch Scope 3 Emissionen berücksichtigen den gesamten Lebenszyklus eines Prozesses bzw. einer Aktivität. Die klassische LCA erfasst Umweltwirkungen auf Produktebene, dagegen liegt der Fokus der Scope 3 Emissionen auf Organisationsebene und bestimmt somit die ökologischen Auswirkungen von unternehmerischen Tätigkeiten (s. dazu Beitrag „Klimaschutzstrategien in Unternehmen“).

Anwendungsfelder von Ökobilanzen
Abbildung 2: Anwendungsfelder von Ökobilanzen (eigene Darstellung)

Wie wird eine Ökobilanz durchgeführt?

Eine ökobilanzielle Bewertung wird gemäß ISO 14040 und 14044 in vier grundlegenden Schritten bzw. Phasen durchgeführt, welche in Abbildung 2 dargestellt sind (vgl. DIN EN ISO 14040:2021-02).

Abbildung 3: die vier Phasen der Ökobilanzierung (eigene Darstellung nach DIN EN ISO 14040:2021-02)

Die Ökobilanz erfolgt als iterativer Prozess und durchläuft demnach mehrere Schleifen. Hierbei können Zwischenergebnisse zu Anpassungen und Erweiterungen der ursprünglichen Daten und Annahmen führen und somit einen höheren Detailgrad der Ergebnisse erzielen. Folgende Phasen werden dabei durchlaufen:

  • Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen
  • Sachbilanz
  • Wirkungsabschätzung
  • Auswertung und Interpretation
  1. Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen

Im Rahmen einer Ökobilanz kann keine vollumfängliche Detailanalyse der Einzelaspekte erfolgen. Demnach müssen gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern zu Beginn das Ziel und der Untersuchungsrahmen eindeutig festgelegt werden und auf die beabsichtigte Anwendung abgestimmt sein. Diese Rahmenbedingungen sind entscheidend für das Ergebnis, da die Ökobilanz entsprechend dieser Grundlagen umgesetzt wird. Im Untersuchungsrahmen werden die Systemgrenzen festgelegt, d. h. die berücksichtigten Prozesse sowie der zeitliche und geografische Bezug. Entscheidend ist auch die Definition der funktionellen Einheit: Diese beschreibt den Nutzen des untersuchten Produktsystems, z. B. ein gefahrener Kilometer mit einem Pkw in Deutschland.

  1. Sachbilanz

Die Sachbilanz dient der Quantifizierung relevanter In- und Outputflüsse in Form von Stoff- und Energieflüssen, die über den gesamten Lebensweg des Produktes in die Systemgrenze ein- bzw. austreten. So werden sowohl die Inputs bestimmt, die dabei aus der Umwelt entnommen werden, wie z. B. Energie, Roh- und Betriebsstoffe als auch Outputs, die an die Umwelt abgegeben werden, wie z. B. Emissionen, die bei der Verbrennung im Motor entstehen, oder Einleitungen in Wasser und Bodenverunreinigung.

Weiterhin werden die Abhängigkeiten der In- und Outputs der einzelnen Prozesse innerhalb der Systemgrenze quantifiziert. In diesem Schritt wird zum Beispiel angegeben, wie viel Benzin ein Pkw für die Fahrt von einem Kilometer benötigt. Diese Parameter lassen sich durch Messungen, Schätzungen, stöchiometrische Berechnungen, Literaturdaten oder aus Ökobilanzdatenbanken erfassen.

  1. Wirkungsabschätzung

Die Auswertung der Sachbilanz erfolgt mittels der Wirkungsabschätzung. Sie dient der Bewertung potenzieller Umweltwirkungen von Produktsystemen und der Schaffung eines tieferen Verständnisses für die Kommunikation oder Entscheidungsstützung. Beispielsweise werden hier alle Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid, Methan oder Lachgas anhand ihres Treibhausgaspotenzials in der Wirkungskategorie Klimawandel zusammengefasst. Anhand der Wirkungskategorien können relevante Umweltwirkungen eines Systems umfassend abgebildet werden. Neben der Klimawirkung zählen dazu unter anderem Aspekte wie Versauerung, Ressourcenbeanspruchung, toxische Schädigung von Menschen durch Feinstaub oder Landnutzung.

  1. Auswertung und Interpretation

Im Schritt der Auswertung und Interpretation werden die Ergebnisse der drei vorhergehenden Phasen reflektiert und zusammengeführt. Hier kann u. a. geprüft werden, ob das festgelegte Ziel erreicht und alle Aspekte des Untersuchungsrahmens berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse der Sachbilanz und der Wirkungsabschätzung werden gemeinsam betrachtet und dabei z. B. folgende Fragen beantwortet: Welches Produkt ist umweltfreundlicher? Welche Umweltwirkungen sind besonders relevant? Wie können die Umweltwirkungen verringert werden?

Die Ergebnisse können mithilfe von Beitragsanalysen oder Sensitivitätsanalysen näher analysiert werden. In einer Beitragsanalyse wird ausgewertet, welchen Anteil bestimmte Lebenszyklusphasen, Materialien oder Prozesse an den gesamten Umweltwirkungen ausmachen. So können ökologische Hotspots und Verbesserungspotenziale ermittelt werden. Bei Sensitivitätsanalysen werden verschiedene Parameter in der Sachbilanz variiert und ihr Einfluss auf das Ergebnis untersucht. Somit lässt sich beispielsweise beantworten, welchen Einfluss die Effizienz eines Motors, die Wahl von Materialien oder die Lebensdauer eines Produktes auf die Gesamtbilanz haben.

Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt im letzten Schritt. Hierbei werden Schlussfolgerungen, Empfehlungen sowie Grenzen der Ergebnisse erläutert. Eine Fachbegutachtung der Bilanz in Form einer kritischen Prüfung von internen oder/und externen Experten kann zum besseren Verständnis und einer höheren Glaubwürdigkeit von Ökobilanzen beitragen.

Wie können wir Sie unterstützen?

Die FfE hat bereits langjährige Erfahrung mit der Durchführung von Ökobilanzen und dem Aufbau von Methodenkompetenzen in Unternehmen. Ein Auszug aus unseren Projekten zur Ökobilanzierung:

Gerne unterstützen wir auch Ihr Unternehmen bei der Vorbereitung auf die neuen Anforderungen mit:

  • Schulungen und Aufbau der methodischen Expertise im Bereich der Emissionsbilanzierung & „Life Cycle Assessment (LCA)“-Methodik in Ihrem Unternehmen (Link)
  • Durchführung von Lebenszyklusanalysen
  • Erfassung von Energie- und Emissionsdaten und Ableitung von Kennzahlen für die Berichterstattung

Kontaktieren Sie uns unverbindlich unter: aregett@ffe.de, +49 (0)89 158121-45 oder info@ffe.de